Wegen guter Führung vorzeitig entlassen?

Lesezeit: ~ 2 Min.

Auf einer Tour für den Kirchenkunstreport 2016 entdeckte ich einer Betonkirche mit bedrückender Atmosphäre dieses Gedicht:

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Wie würde wohl ein Psychologe oder Psychiater die Person einschätzen, die diese Zeilen verfasst hat? Die sich ganz offenbar vollständig einem imaginären, dominanten, männlichen, allmächtigen Wesen mit starken Händen unterordnet?

Einem Wesen, das offenbar auch als Ersatzbefriedigung für sexuelle Bedürfnisse dient („dann haben auch die Nächte ihren Sinn“) und ein Wesen, das seine Liebe auch durch das Zufügen von Schmerzen zum Ausdruck bringt?

Drei Dinge fallen mir spontan zu diesem Gedicht ein: völlig kritikloses Vertrauen, komplette Selbstaufgabe und Masochismus.

Dazu passt auch der Wikipedia-Eintrag zum Thema Masochismus (Ursachen):

  • Für die Ursachen des Masochismus gibt es psychodynamische und lerntheoretische Konzepte. Psychodynamische Ansätze (z. B. Tiefenpsychologie) sehen im Masochismus ein Abwehrverhalten, um Ängste und Gewissenskonflikte, die im Zusammenhang mit dem Loslösen von der Mutter stehen, zu unterdrücken. Psychologen erklären Masochismus dagegen mittels der Lerntheorie: Masochismus entwickelt sich demnach u. a. über klassische und operante Konditionierung, z.B. bei Masturbationsphantasien. (Quelle)

woman-254720_1280Natürlich ist es jeder/m selbst überlassen, sich die Wirklichkeit wunschgemäß zu gestalten, solange keine gleichberechtigten Interessen Anderer beeinträchtigt werden. In der SM-Szene dürfte dieses Gedicht vermutlich bestenfalls ein müdes Lächeln hervorrufen, zumal der dominante Part ja nur erfunden ist und deshalb niemals „in echt“ Hand bei seiner Sklavin anlegt (abgesehen vielleicht vom permanenten Liebesentzug).

Und natürlich kann man die Rolle des Beherrschers auch einer Vaterfigur zuweisen („Mein Gott, dein Kind“), wenns das Leben damit besser erträglich wird oder mehr Spaß macht… Die Beschreibung als „Vater-Kind-Verhältnis“ drückt das völlig kritiklose Vertrauen zu diesem übergeordneten Wesen aus – ein Verhalten, das Menschen eigentlich mit Verlassen der Baby-/Kleinkindphase nach und nach ablegen, wenn sie beginnen, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.

Stellt sich die Frage, was die privaten Belohnungs- und Bestrafungsphantasien einer offenbar willenlosen Frau mit Spaß an Unterwerfung, nicht ganz alltäglicher Persönlichkeit und schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität in der Öffentlichkeit zu suchen haben, in einer Öffentlichkeit, in der sich auch Kinder aufhalten müssen?

Und was haben sich wohl die Leute dabei gedacht, die ausgerechnet dieses Gedicht für so bedeutsam halten, dass sie es abgetippt, ausgedruckt, laminiert und in der Kirche aufgehängt haben? Meinen die wirklich, dass sich die Anhänger ihres imaginären Freundes so verhalten sollten?

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