Wintertief und Sommerhoch … – Gedanken zu Nachgedacht 209

Lesezeit: ~ 4 Min.

Wintertief und Sommerhoch …  – Gedanken zu Nachgedacht… 209, Originalartikel verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 08.01.17 von Osthessennews

[…] Verbaue ich mir also mit meiner Fokussierung auf das Sommerhoch nicht das Hier und Jetzt? Überträgt man dies auf das alltägliche Leben, hieße das: Wenn man sich immer nur auf Hightlights freut, ist der Rest der Zeit wertlosere Zeit?*

Wenn man der christlichen Lehre folgt, dann könnte man tatsächlich zu dieser Sichtweise kommen. Nicht nur im Wintertief. Denn in der Bibel wird das irdische Dasein ja nur als die Vorstufe dessen beschrieben, was angeblich danach kommt. Und dass es bei diesem Leben nicht darum geht, möglichst glücklich zu sein, wird ebenfalls schon zu Beginn des biblischen Mythos klargestellt:

  • Zur Frau sprach er [Gott]: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen. Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück. (1. Mo 3,16-19 EU)

Lebenszweck: Einhalten von Vorschriften und Geboten

Nach christlicher Lehre besteht der Hauptzweck des Lebens darin, die christlichen Vorschriften und Gebote einzuhalten. Denn die Anerkennung und Verehrung des angeblichen Gottes ist nicht nur oberstes Gebot. Die möglichst vollständige Unterwerfung unter diesen Gott ist Voraussetzung, um wenigstens eine theroetische Chance auf eine angebliche postmortale Belohnung zu haben. Es geht also nicht darum, ein möglichst glückliches oder erfülltes Leben zu führen. Sondern darum, Vorschriften einzuhalten und das irdische Schicksal geduldig und gefälligst bis zum bitteren Ende zu erleiden.

Überhaupt spielt Leid neben der Angst eine zentrale Rolle besonders in der katholischen Version des Christentums. Unbill aller Art mag sich leichter und bereitwilliger ertragen lassen, wenn man sich auf ein „Highlight“ freut. Offenbar selbst dann, wenn es sich wie beim christlichen „Highlight“ um eine von Menschen erdachte Fiktion handelt. Bis zum Beweis des Gegenteils ist nicht davon auszugehen, dass von dem gesamten christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzept auch nur ein Wort wahr ist.

All Leben ist Leiden?

Die Erhebung des menschlichen Leids zur frommen Tugend trifft man im religiösen Kontext immer wieder an, nicht nur bei „Mutter Theresa“, die darin allerdings als besonders engagiert galt. Solange es um das Leid Anderer und nicht ihr eigenes Leid ging. Weil „unser Herr Jesus Christus“ doch auch so sehr am Kreuz „für uns“ gelitten habe, sei menschliches Leid eine äußerst fromme und tugendhafte Angelegenheit.

Dass das Leiden des biblischen Jesus nur ein paar Stunden dauerte und nach 3 Tagen ja sogar der Tod überwunden war, fällt dann nicht ins Gewicht. Ebensowenig die „Tatsache“, dass die Todesfolterung ja angeblich auf das Konto des eigenen Vaters ging, der sich seinen Sohn als Menschenopfer für sich selbst hatte hinrichten lassen. Um den Menschen, die an ihn glauben, dafür deren Sünden zu vergeben.

Da es aber Menschen gibt, die tatsächlich auf die versprochene „Erlösung“ und eine wie und wo auch immer gestaltete himmlische Ewigkeit hoffen, kann das mitunter dazu führen, dass diese Menschen über diese Hirngespinste und Phantastereien das Hier und Jetzt vergessen. Die befolgen dann konsequent ihre biblischen Vorschrift, das Leben tapfer zu erleiden. Wie auch Jesus für uns gelitten hat.

Gläubige Christen können sich jetzt wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was daran seltsam sein sollte. Dazu muss man wohl mal wenigstens kurz versuchen, die eigene religiöse Immunisierung aufzuheben. Und sich diese „Logik“ mit dem Verstand betrachten, mit dem man die Welt außerhalb seiner religiösen Scheinwirklichkeit betrachtet.

Wintertief und Sommerhoch: Ein Dilemma, das keines ist

Tatsächlich wäre dies sehr fatal. Wenn wir uns auf etwas freuend fokussieren, ist der Blick für anderes nicht frei. Wenn wir uns allerdings nicht „vorfreuen“, fehlt auch etwas. Das ist wie immer ein Dilemma.

Nein, das ist kein Dilemma. Denn es handelt sich dabei nicht um zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen und zwischen denen man sich entscheiden muss. Menschen können sich sehr wohl zum Beispiel auf den nächsten Urlaub freuen, ohne darüber die Gegenwart aus dem Blick zu verlieren.

Wir müssen also erlernen, dass wir die Zeit nutzen können, in der wir uns auf etwas freuen oder in der wir auf etwas warten.

Genau. Denn: Achtung – heute beginnt der Rest des Lebens! Und da nun mal nichts dafür spricht, dass menschliche Persönlichkeiten nach dem Lebensende weiterexistieren, sollte man die hoffnungsvolle Illusion auf eine himmlische Ewigkeit genauso aufgeben wie die Angst vor einer ebenso illusionären Bestrafung, die angeblich dann droht, wenn man sich nicht an eine Gesellschaftsordnung aus der Bronzezeit gehalten hat.

Seltsame Logik

Und wer sagt eigentlich, dass der Sommer viel besser wird?

Weil der Sommer vielleicht sowieso nicht besser als die als Wintertief wahrgenommene Zeit werden könnte, sollte man sich weniger auf den Sommer freuen? Oder das Wintertief als nicht ganz so schlimm empfinden? Was ist das denn für eine Logik?

Es gibt mit Sicherheit schlimmere Dinge als die Jahreszeiten, von denen man von der Lotterie des Schicksals „beschenkt“ werden kann. Wer tatsächlich ein gravierendes Problem mit Winter hat, sollte sich mal Gedanken darüber machen, ob ein mitteleuropäisches Mittelgebirge der richtige Wohnort ist. Ansonsten hat man durchaus auch im Winter die Möglichkeit und Freiheit, jeden Tag zum besten Tag des Lebens zu machen. Jede Stunde Happy Hour. Oder eben auch nicht.

Sollte ich mich nicht an der Winterlandschaft erfreuen, die sich beim Spaziergang in der Rhön bietet – auch wenn es noch so kalt ist?!

Eben! Denn anders als die versprochene göttliche Erlösung kommt der nächste Sommer bestimmt.

Und übertragen auf die christliche Gedankenwelt: Sollte ich mich nicht jeden Tag an meinem Leben erfreuen, das aller Wahrscheinlichkeit nach mein einziges Leben ist? Auch wenn es nicht nur aus „endless summer“ besteht? Sondern eben auch mal ein Wintertief zu überstehen ist?

Wer etwas gegen das Wintertief unternehmen möchte, dem sei einmal mehr unsere kleine Sammlung mit Buchtipps herzlich empfohlen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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