Sternschnuppen-Zauber – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Esoterik

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Sternschnuppen-Zauber – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Esoterik, Originalbeitrag verkündet von Elisabeth Rabe-Winnen (ev.), veröffentlicht am 11.8.2017 von ARD/daserste.de

[…] Und wenn ich heute Nacht eine Sternschnuppe sehe, vielleicht purzelt dann auch ein Wunsch aus meinem Herzen. Denn unser Volksmund sagt ja: Wünsch Dir was! Wünsch Dir was! Aber … verrat es keinem, damit es auch in Erfüllung geht.

EsoterikDie Behauptung, dass die Erfüllung von Sternschnuppenwünschen von deren Geheimhaltung abhängen würde, ist ziemlich clever. Denn so kann niemand nachfragen, ob der Wunsch denn in Erfüllung gegangen ist. Oder eben auch nicht.

Wohl kaum ein halbwegs aufgeklärter Mensch wird wohl ernsthaft glauben, dass durch die Beobachtung einer Sternschnuppe ein daraufhin gedachter Wunsch eher in Erfüllung geht als ohne diese Beobachtung.

Religion und andere Esoterik

Erwachsene können solche Vorstellungen meist sehr sicher der Kategorie zuordnen, in der auch der Glaube an den Osterhasen rangiert. Oder an den Storch als Babylieferant. Auch Christen halten die Perseiden heute überwiegend nicht mehr für die Tränen des St. Laurentius.

Umso erstaunlicher erscheint es, dass die gleichen Menschen trotzdem alle möglichen andere Formen der Esoterik1 sehr wohl für wahr halten können. Astrologie, Kartenlegen, Pendeln, Channeln, Homöopathie und Götterglaube aller Art: Die Branche erwirtschaftet Milliardenumsätze.

Einen fallenden Stern zu sehen – ist Zufall oder Glück.

In einer religiösen Verkündigungssendung darf dieser Hinweis natürlich nicht fehlen. Nicht, dass am Ende noch jemand glaubt, die Beobachtung von Sternschnuppen könnte vielleicht tatsächlich irgendeinen Einfluss auf die Erfüllung von Wünschen haben. Es gilt, die eigene Lehre klar von anderer Esoterik und kindlich-naiven Wunschvorstellungen abzugrenzen.

Zufall oder Glück?

Nur das vermeintliche Wirken des eigenen Gottes – das ist dann natürlich nicht nur Zufall oder Glück.  Sondern etwas, woran man als Christ selbstverständlich zu glauben hat.

Und so muss Frau Rabe-Winnen ja irgendwie die Kurve kriegen – von anderer, soeben als nicht funktionierend entlarvter hin zur eigenen Esoterik. Die in religiösen Begriffswelten allgegenwärtige Doppel- und Mehrfachbedeutung von Wörtern bietet sich dazu an:

Mit den Sternschnuppen fällt ein Stück Himmel auf die Erde.

Mit dem doppeldeutigen Begriff „Himmel“ hat Frau Rabe-Winnen schon mal ihre nun folgenden religiösen Phantasien angeteasert. Sternschnuppen sind kein „Stück Himmel.“ Sondern Gesteinsbrocken, die beim Eindringen in die Erdatmosphäre verglühen.

Dass sie genau diese Formulierung verwendet und nicht etwa einfach schreibt: „Sternschnuppen fallen aus dem Himmel auf die Erde“ ist sicher kein Zufall.

Wünsche sind Sternen schnuppe – und Göttern auch

Und vielleicht trauen wir deshalb den Sternschnuppen auch Kraft zu. Sternschnuppenwünsche sind größer als ich. Ich kann sie mir nicht selbst erfüllen.

Das kommt darauf an, was man sich wünscht. Wenn man von vorneherein ausschließt, dass man selbst etwas dazu beitragen kann, dass sich die eigenen Wünsche erfüllen, dann ist man natürlich fein raus. Und gibt damit die Verantwortung an andere ab: Sternschnuppen, Feen, Götter, das Universum, Ahnen, Einhörner…

Je unwahrscheinlicher, je schwerer nachprüfbar die Erfüllung eines „Sternschnuppenwunsches“ ist, desto leichter lässt es sich wahrscheinlich auch verschmerzen, wenn dieser Wunsch nicht in Erfüllung geht. Dann hat es halt nicht funktioniert. „Da glaub ich ja eh wieso nicht dran…“

Ganz ungeeignet sind übrigens Wünsche, deren Erfüllung sich klar beobachten, nachweisen, messen und in einen eindeutigen Zusammenhang mit der jeweils angenommenen Ursache bringen lassen könnte.

Und sollte der Wunsch wider Erwarten doch in Erfüllung gehen: Na, dann hats tatsächlich geklappt, ätschi! Gott hat geholfen! Maria hat geholfen! Jesus hat geholfen!

So naiv sich das lesen mag: Auch heute denken noch erschreckend viele Menschen genau so. Und zwar nicht nur Kinder im Sandkasten (die bevorzugen heutzutage meist andere imaginäre Freunde), sondern Erwachsene.

Wünsche in den Himmel schicken

Es sind meine tiefsten, geheimsten Wünsche. Und weil ich das weiß, schicke ich sie in den Himmel.

Ob hier noch der Himmel gemeint sein soll, der im Englischen „sky“ heißt oder schon der, der als „heaven“ bezeichnet wird, ist fraglich. Aber solche absichtlich unklaren Formulierungen werden, wie gerade schon beschrieben, in religiösen Verkündigungen und theologischen Ergüssen immer wieder gern verwendet.

Und auch Frau Rabe-Winnen biegt jetzt direkt ab – von Sternschnuppenwünschen zu Esoterik der religiösen Art:

Und später, wenn die Sternschnuppe und die Nacht vorüber sind, dann nehme ich meine Wünsche und lege sie ins Gebet. Und dann – kann ich nur warten und hoffen.

Frau Rabe-Winnen, worin besteht Ihrer Meinung nach der Unterschied, ob Sie Ihre Wünsche einer Sternschnuppe oder einem Wüstengott, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten anvertrauen? 

Wenn Sie doch offenbar schon erkannt haben, dass Sie – hier wie da – „nur warten und hoffen“ können? Weil ein verglühter Himmelskörper genausowenig Wünsche erfüllt wie Ihr imaginärer Freund?

Göttern danken, dass sie da sind

Aber nun ist es [der Wunsch] in der Welt. Ausgesprochen. Aber auch das kann ich mit zu Gott nehmen. Ich glaube, er hört hin, auf meine Wünsche, und er sieht auch mit mir auf die Lücken in meinem Leben. Und ich danke Gott dafür, dass er da ist. Auch, wenn Wünsche unerfüllt bleiben und ich sie weiter in mir trage.

Frau Rabe-Winnen, woran machen Sie fest, dass Gott da ist? Und zwar nicht irgendeiner der vielen tausend Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben. Sondern genau Ihr Gott. Also der, von dem Sie glauben, dass er hinhört, wenn es um Ihre geheimsten Wünsche geht?

Angenommen, Sie wären in Indien geboren: Woran könnten Sie erkennen, dass es Jahwe ist, der Ihnen zuhört? Und nicht Shiva?

Und wie können Sie einem allmächtigen und allgütigen Wesen, das nicht in der Lage oder willens war, eine weniger leidvolle Welt als diese zu erschaffen, auch noch dafür danken, dass es da ist?

Höchst widersinnig: Allmächtige Wesen um etwas bitten

Machen Sie es sich nicht sehr einfach, wenn Sie die Verantwortung für Ihre Wünsche an ein imaginäres Phantom abgeben? Und sich aufs Warten und Hoffen beschränken, statt zu überlegen, was konkret Ihnen zu Ihrem Glück fehlt?

Und ob Sie nicht vielleicht doch Möglichkeiten haben, etwas dafür zu tun? Wenn Sie doch offenbar sowieso nicht erwarten, dass der Allmächtige seinen Allmachtsplan ändert, wenn Sie ihn darum bitten?

Es gibt diese unerfüllten Wünsche. Und es gibt Wünsche, die sind sogar ganz und gar unerfüllbar. Trotzdem wünsch ich sie.

Natürlich – wieso auch nicht. Aber welche Rolle sollen denn Götter dabei spielen?

Einen Menschen noch ein Mal in den Arm zu nehmen, der schon nicht mehr da ist. Zum Beispiel.

Na, das dürfte für Sie als Christin ja kein Thema sein. „Wir sehen einander ja wieder…“ Und falls Sie dem christlichen Heilsversprechen vielleicht doch nicht so ganz vertrauen sollten, dann nutzen Sie diese Erkenntnis doch und nehmen Sie einen Menschen in den Arm, der noch da ist. Im Diesseits. Zum Beispiel.

Wir können gar nicht anders?

Warum tu ich das? Warum tun wir Menschen das? Wünsche wünschen gegen die Erfahrung, dass sie erfüllt werden. Sogar gegen das Wissen: Es kann gar nicht sein, dass sie in Erfüllung gehen. Ich glaube: Wir können gar nicht anders.

Ich weiß: Natürlich können wir auch anders. Wir können uns mit den tatsächlichen Bedingungen unseres irdischen Daseins befassen. Und uns zum Beispiel damit abfinden, dass (wohl noch auch bis auf Weiteres) der Tod die unausweichliche Folge jeden Lebens ist.

Statt die natürliche, natürlich nicht immer perfekte, aber eben nun mal irdische Wirklichkeit durch absurde mythologische Vorstellungen wie Jenseits, Götter, Gottessöhne oder sonstige Esoterik zu erweitern.

Weil wir uns sehnen – nach der Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat. Wir sind für den Himmel geschaffen worden. Und den tragen wir immer noch in uns.

Genau das meinte ich. Aber damit nicht genug:

Die Ahnung vom Vollständigen ist in uns. Wir sind für den Himmel gemacht. Und auch wieder für den Himmel gedacht. Und jetzt, fern dieser himmlischen Heimat, schauen wir in den Himmel über uns. Und wenn mit einem fallenden Stern der Himmel die Erde berührt, rührt das an unserer tiefen Sehnsucht.

Frau Rabe-Winnen, wenn Sie sich unvollständig fühlen, meinen, für den Himmel gemacht und gedacht zu sein und sich nach einer fernen himmlischen Heimat sehnen – was hält Sie dann noch hier? Wieso lässt Sie Ihr Schöpfer hienieden leiden, bevor er Sie – wenn er denn möchte – zu sich in den Himmel holt?

Die Gedanken sind frei

Natürlich ist es Ihre Privatangelegenheit, wie Sie sich Ihre Vorstellungswelt gestalten. Die Gedanken sind frei. Aber was möchten Sie damit bezwecken, wenn Sie diese Ideen, die Ihnen ohne religiöse Immunisierung sicher auch außerordentlich absurd und bizarr erscheinen würden, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Staatskosten verkünden?

Damit sich andere Menschen ebenfalls wie Sie nach dem Jenseits sehnen? Dass sie sich einer Illusion hingeben, die Sie offenbar für irgendwie hoffnungsvoll halten (auch wenn Ihre Ausführungen für mich eher den Verdacht nahelegen, dass Sie unter diesen Fiktionen leiden)? Oder einfach nur, dass Sie nicht so allein sind in Ihrer religiösen Scheinwirklichkeit?

Vielleicht sehe ich heute Nacht eine Sternschnuppe. Und vielleicht schick ich dann einen Wunsch in den Himmel. Man soll‘s ja nicht verraten eigentlich. Aber angesichts der Drohgebärden von Mächtigen dieser Welt ist ein großer Wunsch: Meine Kinder sollen in einer friedlichen Welt aufwachsen.

Was tun Sie konkret dafür, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht? Und wieso verraten Sie Ihren Wunsch, wenn man Wünsche, die man an Sternschnuppen richtet, doch nicht verraten soll?

Vielleicht sehen Sie ja auch eine Sternschnuppe – und dann, dann: Lassen Sie die Sehnsucht in sich erwachen!

Meinen Sie die oben genannte Sehnsucht nach der himmlischen Heimat? Wieso sollte man Ihrer Meinung nach beim Anblick einer Sternschnuppe eine Todessehnsucht in sich erwachen lassen?

Nicht vergessen: Sie sind Himmelswesen!

Nicht vergessen, liebe Zuschauerinnern und Zuschauer, Sie sind Himmelwesen!

Mit „Sternenstaub“ wäre ich ja noch einverstanden gewesen. Wenn Sie Zuschauer als „Himmelswesen“ bezeichnen, dann frage ich mich schon,  inwieweit Ihre Weltsicht noch mit der irdischen Wirklichkeit kompatibel ist.

Oder wurde das „Wort zum Sonntag“ vielleicht von Himmelsmenschen unterwandert? Die die religiöse Verkündigungssendung nutzen, um ihre Esoterik unters Volk zu bringen? Frau Rabe-Winnen, sind Sie in Wirklichkeit nicht sichtbar und energetisch anders beschaffen?

  • Himmelsmenschen sind keine normalen Menschen im allgemeinen Sinne, sondern energetisch anders Beschaffen und jeder von uns hat eine individuelle Charakterpersönlichkeit. Körperlich kann man uns, wenn wir es möchten, berühren sowie ein überwiegend feinstoffliches Aussehen erkennen. Ansonsten sind wir nicht sichtbar und werden deshalb überhaupt nicht oder kaum bemerkt. Viele unserer Hauptbeschäftigungen sind das Erforschen und Arbeiten mit den komplexen Lebensverhältnis Manifestationen, sowie Auffinden von Schwachstellen in den Abläufen von dem Gesamtvitalis. (Quelle: himmelsmenschen.de, abgerufen am 14. August 2017, heute nicht mehr verfügbar)

Falls ja: Könnten Sie dann bitte einen anderen Kanal zum channeln verwenden als den, den ich mitbezahlen muss? Danke!

Wieso sollte man das glauben?

Sicher spricht nichts dagegen, sich auch mal allen möglichen und unmöglichen Irrationalitäten hinzugeben. Die Evolution hat uns Menschen mit einer phänomenalen Phantasie und Vorstellungsgabe ausgestattet.

Sich aber als erwachsener, geistig gesunder Mensch im 21. Jahrhundert in so wichtigen Angelegenheiten wie dem Weltfrieden in religiöse Scheinwirklichkeiten zu flüchten und, wenn schon nicht auf Sternschnuppen, dann eben auf Götter oder was die Esoterik-Branche sonst noch so zu bieten hat zu hoffen und zu vertrauen, halte ich für äußerst fragwürdig.

Und einmal mehr frage ich mich und auch Frau Rabe-Winnen: Wieso sollte man das alles glauben?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag zum Thema Esoterik.
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1 Der Begriff Esoterik wird für verschiedene Phänomene verwendet. Hier ist die Bedeutung gemeint, die Esoterik im populären Sprachgebrauch hat (Hervorhebung von mir):

  • Im populären Sprachgebrauch versteht man unter Esoterik vielfach „Geheimlehren“. Ebenfalls sehr gebräuchlich ist der Bezug auf „höhere“ Erkenntnis und auf Wege, welche zu dieser führen sollen. Des Weiteren wird das Adjektiv „esoterisch“ häufig abwertend im Sinne von „unverständlich“ oder „versponnen“ verwendet. (Quelle: Wikipedia)

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