Fake News – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Wahrheit, verkündet von Annette Behnken (ev.), veröffentlicht am 27.1.2018 von ARD/daserste.de
Ja, klingt ganz schön alt: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Das achte der zehn Gebote.*
Diese zehn Gebote waren als Gesellschaftsordnung für die einfachere Führung eines primitiven Hirtenvolkes in der Bronzezeit formuliert (genauer: weitgehend von früheren Texten abgekupfert) worden.
Eine Regelwerk, zu dessen Legitimierung sich die Menschen eine damals bestimmt eindrucksvolle, aus heutiger Sicht aber absurde Gott-Mose-Tontafel-Geschichte (mindestens so absurd wie die später erfundene Goldplatten-Geschichte) ausgedacht hatten.
Die 10 Gebote: Empfehlungen zum Umgang mit Gott – und mit Vieh, Sklaven, Frauen und sonstigem Besitz
Ganz knapp zusammengefasst lautet die Kritik an den biblischen 10 Geboten:
- Die ersten vier Gebote dienen nur der Selbstverherrlichung Gottes und verbieten explizit die Religionsfreiheit. Die Heiligung des Sabbats lässt sich säkular begründen, ersetzen oder streichen. Eltern, die ihre Kinder nicht ehren, müssen von ihren Kindern nicht geehrt werden. Tyrannen darf man ermorden, Ehen kann man offen führen, Nahrungsmittel darf man im Notfall stehlen, Lügen darf man eine ganze Menge („Dein neues Kleid sieht scheiße aus“?), verlangen darf es einem nach allem, so lange man es sich nicht einfach nimmt.
(Quelle: feuerbringer.de: Die 10 Gebote sind Unfug)
Zurück zum 8. Gebot: Es ist mir bis heute unerklärlich, wie Christen das achte und die ersten vier Gebote ihrer „Heiligen Schrift“ unter einen Hut bekommen. Also den Umstand, dass ein von Menschen erfundenes Phantasiewesen ihnen verbietet zu lügen und gleichzeitig fordert, für wahr gehalten und verehrt zu werden.
Wie lässt sich ein solch offensichtlicher, krasser Widerspruch ohne die konsequente Deaktivierung von Verstand, Vernunft und kritischem Denken aushalten?
Vertrauen in die Wahrheit?
Etwas aktueller: Du sollst keine Fake News verbreiten. […] Denn damit geht etwas kaputt, das wir zum Leben brauchen: Das Vertrauen in die Wahrheit.
Frau Behnken, was meinen Sie: Warum ist das Vertrauen in die Wahrheit so wichtig? Was unterscheidet Wahrheit von Unwahrheit? Wodurch verdient sich Wahrheit Vertrauen?
Mit welchen Mitteln prüfen Sie persönlich den Wahrheitsgehalt einer Behauptung? Und was passiert, wenn Sie mit genau diesen Mitteln mal die von Ihnen verbreitete Glaubenslehre untersuchen?
[…] Natürlich haben wir wohl alle schon einmal gelogen. Mal ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger. Aber darum geht’s gar nicht.
Doch, darum gehts schon auch. Denn in dem von Ihnen eingangs genannten biblischen Gebot macht Gott keine Angaben dazu, ob es nicht vielleicht doch Fälle geben kann, in denen eine Lüge ethisch vertretbar oder sogar geboten ist. Und dabei gehts nicht nur um die berühmte Notlüge zur Vermeidung von langweiligem Smalltalk.
Wer zum Beispiel im dritten Reich den Nazis wahrheitsgemäß verriet, wo sich Juden versteckt hielten, hat sich zwar sauber an das 8. Gebot gehalten – ethisch korrekt gehandelt hat er allerdings sicher nicht. Mit einem pauschalen „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ ist es aus heutiger Sicht längst nicht getan.
Wahrheitsverbieger bedienen Sehnsüchte
[…] Wenn so getan wird als ob, wenn es Fake ist. Natürlich ist es verführerisch, den Wahrheitsverbiegern zu glauben. Die bedienen mit ihren Fake News ja Sehnsüchte. Das wär so schön, oder?
Frau Behnken, nachdem Sie ja so eindringlich zur Wahrheit mahnen, erlaube ich mir ein ganz offenes, unverblümtes Wort zum Sonntag, sozusagen:
Sie selbst gehören zu den Wahrheitsverbiegern. Zu denen, die davon leben, dass jemand noch das für wahr hält, was Sie behaupten. Sie selbst bedienen mit Ihren Fake News Sehnsüchte.
Sie selbst tun so, als ob. Indem Sie Menschen vorgaukeln, es gäbe diesen einen und nur diesen Gott (vermutlich derselbe, an den auch schon Ihre Eltern glaubten) tatsächlich. Und zwar mit den von Ihnen behaupteten Eigenschaften.
Sie selbst führen Menschen bewusst in die Irre, indem Sie Ihnen erzählen, ein magischer Himmelspapa habe sie erschaffen und würde sich eine Liebesbeziehung zu ihnen wünschen.
Damit geben Sie vor, Dinge zu wissen, die Sie nicht wissen können. Sie behaupten Dinge, die Sie nicht beweisen können, als seien es Tatsachen (Nein, diesmal natürlich nicht. Aber wenn es nicht um Fake News geht, tun Sie schon immer so, als gäbe es Ihren Gott tatsächlich.).
Und Sie begründen Ihre Behauptungen mit den selben fadenscheinigen, x-fach als ungültig widerlegten Scheinargumenten, wie alle Gläubige sie verwenden müssen. Weil sie sonst nichts haben. Daran ändert auch ein Theologiestudium nichts.
Fake News auf dem Prüfstand
Anhand von persönlichen Empfindungen und den Narrativen in einer archaischen Mythen- und Legendensammlung lässt sich nicht feststellen, ob etwas wahr ist oder nicht. Nehmen wir doch gleich mal die von Ihnen genannten Beispiele:
Die Klimakatastrophe gibt’s gar nicht. Pestizide in unserer Nahrung – auch nicht! Und die Flüchtlinge? Sind eh verantwortlich für alles, was nicht klappt. So einfach funktionieren Fake News. Und sind darum so fatal.
So, Frau Behnken: Wie finden Sie jetzt heraus, ob es sich bei diesen Behauptungen um Fake News handelt? Und umgekehrt: Würden Sie zum Beispiel ganz starke subjektive Gefühle und eine Bibelstelle als überzeugende Argumente anerkennen, wenn Ihnen ein Leugner des Klimawandels erklärt, dass seine Überzeugung auf diesen Faktoren beruht?
Vermutlich – hoffentlich – nicht.
Können Sie an diesem Beispiel erkennen, warum eine Kritik an der Verbreitung von Fake News genauso diejenigen trifft, die wie Sie nicht zwischen religiöser Mythologie und natürlicher irdischer Wirklichkeit unterscheiden?
Also Menschen, die – wie zum Beispiel in Ihrem Fall – einfach so tun, als gäbe es diesen einen bestimmten Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegott, den Sie als lieben Gott verehren, tatsächlich?
Die anderen Menschen erklären, wie sie sich verhalten sollten, damit sie den angeblichen Willen eines Gottes mit höchst fragwürdigen Eigenschaften erfüllen und ihre Chancen auf eine postmortale Belohnung erhöhen?
Glauben Sie gerne, was sie wollen
Selbstverständlich sei es Ihnen völlig unbenommen, wie Sie persönlich mit Wirklichkeit und Wahrheit umgehen. Spätestens seit Aufklärung und Säkularisierung sind die Gedanken frei. Und natürlich sollen Sie Ihre religiösen Fake News genauso verbreiten dürfen wie alle anderen ihre auch.
Nur: Wenn Sie sich vor die Kamera des öffentlich-rechtlichen Fernsehens stellen, in einer christlichen Verkündigungssendung in Ihrer Funktion als Pastorin vor Fake News warnen und Ihnen offenbar nicht mal ansatzweise klar ist, dass die von Ihnen vertretene Lehre auf nichts als Fake basiert, dann halte ich einen diesbezüglichen Hinweis für erforderlich und angebracht.
[…] Ich bin sicher, es gehört zu unserer Menschlichkeit, dass wir ein Gespür für Wahrheit und Unwahrheit haben. Ich glaube sogar, das ist eine der stärksten Kräfte unserer Menschlichkeit. Überlebensnotwendig, dass wir uns das bewahren. Das Gespür dafür: Was ist wahr. Was ist fake. Worauf können wir uns verlassen.
Frau Behnken, wie sieht es mit Ihrem „Gespür“ für Wahrheit und Unwahrheit aus? Hier können Sie das mal anhand des Glaubensbekenntnisses der von Ihnen vertretenen Religion überprüfen: Was davon ist wahr, was ist fake?
Und die spannendste Frage in diesem Zusammenhang: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Erkenntnis, dass es sich bei Ihrem Gott und dessen angeblichen Eigenschaften bis zum Beweis des Gegenteils um nichts weiter als eine von Menschen erdachte Phantasiefigur handelt? Oder kommen Sie zu einer anderen Erkenntnis? Wenn ja, worauf beruht die?
Fundamentale Wahrheiten
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden – es geht um die fundamentalen Wahrheiten. Die, auf die man sich verlassen können muss.
Immer wenn Menschen von fundamentalen Wahrheiten sprechen, ist besondere Vorsicht geboten. Denn je fundamentaler jemand von der Wahrheit seiner Wahrheit überzeugt ist, desto weniger ist er meist bereit, diese Wahrheit kritisch zu hinterfragen.
Und noch viel weniger, unter Umständen diese bislang für wahr gehaltene (und meist auch lieb gewonnene) Wahrheit aufzugeben und gegen eine wahrere Wahrheit zu ersetzen, wenn für Letztere bessere Argumente sprechen als für die bislang für wahr gehaltene Wahrheit.
Das lässt sich besonders gut an den Zeitgenossen beobachten, die an faktisch und nachweislich falschen Behauptungen festhalten. Zur Not sogar wider besseres Wissen, gegen jede Vernunft und auf Kosten der eigenen intellektuellen Redlichkeit. Der Verlust einer für fundamental gehaltenen Wahrheit kann äußerst schmerzhaft sein.
Das bedeutet freilich nicht, dass man jedes Mal neu die Hand so lange über die Kerzenflamme halten muss, um sich immer wieder neu von der Wahrheit zu überzeugen, dass dies weh tut. Der Volksmund spricht vom gesunden Menschenverstand, der immer auch eine gute Portion Skepsis beinhaltet:
Bleiben Sie skeptisch! – Oder werden Sie es…
Den wichtigsten Aspekt im Umgang mit Fake News verschweigen Sie, Frau Behnken, vermutlich nicht aus Nachlässigkeit oder Zeitmangel:
Wieso nutzen Sie Ihre Verkündigungssendung nicht, um Ihre Zuschauer dazu anzuregen, den Wahrheitsgehalt von Behauptungen kritisch und skeptisch zu hinterfragen?
Das wäre doch nun mal die bessere, weil erfolgreiche Methode, um zu brauchbaren Erkenntnissen darüber zu gelangen, wie die Dinge wirklich sind.
Denn erst damit schafft man sich ein verlässliches Fundament, das trotzdem ergebnisoffen sein kann. Und nicht mit der Methode des religiösen Glaubens, also des Für-Wahr-Haltens von unbewiesenen (und wohl auch noch bis auf Weiteres unbeweisbaren) Behauptungen.
Ich denke, ich kann diese Frage beantworten: Sie verschweigen kritisches Hinterfragen, weil Ihnen doch irgendwie dämmert, dass die Lehre und Weltsicht, die Sie vertreten, einer solchen skeptischen Plausibilitäts- und Wahrheitsprüfung keine Sekunde lang standhalten würde. Weder, was den Wahrheitsgehalt angeht, noch die Verbindlich- und damit Brauchbarkeit einer daraus ableitbaren Moral.
Dass also dieser geworfene Boomerang schmerzhaft zurückschlagen könnte.
Vermutlich deshalb belassen Sie es dabei, sich als Moralwächterin in Sachen Fake News darzustellen und darauf hinzuweisen, wie überlebenswichtig es sei, sich um die Wahrheit zu bemühen.
Um die von Ihnen berufsbedingt ansonsten propagierte Methode des religiösen Glaubens nicht zu beschädigen, lassen Sie das rationale Denken und das kritische Hinterfragen als beste Methoden zum Entlarven von Fake News einfach mal unter den Tisch fallen. Dabei fängt doch gerade hier die Entlarvung von Fake News an.
Abschließend noch zwei Zitate zum Thema Wahrheit aus unserer neuen Zitate-Sammlung:
- Die Anwesenheit derer, die nach der Wahrheit suchen, ist unendlich der Anwesenheit jener vorzuziehen, die glauben, sie hätten sie gefunden.
(Terry Pratchett) - Unwissenheit ist besser als Irrtum, und der ist weniger von der Wahrheit entfernt, der nichts glaubt, als der, der Falsches glaube.
(Thomas Jefferson)
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
Brilliante und unterhaltsame Entgegnung! Ich vermute hinter diesem unsäglichen Wort zum Sonntag von Frau Behnke den protestantischen Wunsch, Papst Franziskus und Donald Trump nicht alleine die Ehre als Vorkämpfer gegen Fake News zukommen zu lassen. Das Thema ist schließlich zu wichtig, um es denen zu überlassen, die nicht um den wahren Gott und dessen tatsächliche Eigenschaften und Wünsche wissen.