Schwach. Aber großartig! – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 7 Min.

Schwach. Aber großartig! – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Gereon Alter (kath.), veröffentlicht am 6.1.2018 von ARD/daserste.de

Da hat sich die katholische Kirche mal wieder selbst ein Bein gestellt.

Wie mans nimmt. Bad Publicity is better than no publicity. Auch schlechte Werbung ist Werbung. Und die Zeiten sind hart für Heilsverkäufer, die ihre hoffnungsvoll erscheinenden Illusionen an den Mann, die Frau und das Kind bringen müssen.

Der Werbespot [von ProSiebenSat.1 mit den schief singenden „Sternsingern“, wir berichteten] wurde daraufhin [auf Protest der kath. Kirche] tatsächlich abgesetzt. Nun, wir sind in Teilen unserer Kirche gut darin geübt, die beleidigte Leberwurst zu spielen: schon wieder geht man respektlos mit uns um, schon wieder will man uns nicht verstehen! … um dann mit der uns noch verbliebenen Macht dafür zu sorgen, dass etwas eingestellt oder verboten wird. – Kann man so machen. Ist aber meines Erachtens kein guter Weg.

Wieso hat eine Kirche eine „noch verbliebene Macht“, mit der sie Einfluss auf das Fernsehprogramm nehmen kann, wenn sie sich ein Teil ihrer Führungsriege beleidigt fühlt? Eine solche Sonderprivilegierung ist ein Skandal für einen Säkularstaat.

Gleiches gilt für den Blasphemie-Paragraf, ein archaisches Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Religiöse Gefühle verdienen genauso viel oder wenig Schutz wie irgendwelche anderen Gefühle auch. Keinesfalls jedoch mehr Schutz als den gesetzlich Geregelten.

Kirchliche Sonderprivilegierung im Säkularstaat

Wenn die Kirche ihre Rechte durch einen Werbespot verletzt sieht, dann kann sie rechtlich dagegen vorgehen. Ganz normal, wie alle anderen auch. Eine Sonderprivilegierung, wie sie Herr Alter hier als eine „uns noch verbliebene Macht“ verniedlichend darstellt, lässt sich wohl kaum mit den Prinzipien eines weltanschaulich neutralen Säkularstaates vereinbaren.

Lobby-Netzwerk der katholischen Kirche
Lobby-Netzwerk der katholischen Kirche

Über die Möglichkeiten etwa der Wirtschaftslobby können die Lobbyisten der christlichen Kirchen nur müde lächeln. Denn Letztere betreiben ein beispielloses Netzwerk, um in ihrem Interesse Einfluss auf Politik und Medien zu nehmen. Und dieses Interesse ist – wen wunderts – überwiegend ganz profaner, meist finanzieller Natur.

Die katholische Kirche in Deutschland ist trotz massivem Mitgliederschwund nicht schwach.

Sie ist nichts anderes als ein milliardenschwer staatlich subventionierter und umfangreich sonderprivilegierter Wirtschaftsbetrieb. Wer daran irgendwelche Zweifel hat, dem sei zum Beispiel das Buch „Kirchenrepublik Deutschland“ von Dr. Carsten Frerk zur Lektüre empfohlen.

Bisher hat die ihr noch verbliebene Macht der Kirchenlobby jedenfalls noch immer gereicht, um Bestrebungen, etwa die Gesetzgebung den Erfordernissen und Prinzipien eines weltanschaulich neutralen Säkularstaates entsprechend weiterzuentwickeln, erfolgreich zu verhindern. Von wegen schwach.

Zurück zum Thema: Ob sich Vertreter der katholischen Kirche über einen Werbespot empören oder ob sie ihn mit Humor sehen, ist objektiv betrachtet völlig egal.

Ich finde es bezeichnend, dass die Kirche ihre Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dazu nutzt, über dieses Thema zu berichten.

Die Caritas-Legende

[…] Mit kaum etwas (außer der Caritas) stehen wir so gut in der Öffentlichkeit da, wie mit den über 300.000 Kindern und Jugendlichen, die sich Jahr für Jahr als Sternsinger engagieren.

Und das kommt daher, dass die Caritas-Legende bis heute noch von so vielen Menschen für wahr gehalten wird. Der Wirtschaftskonzern katholische Kirche, der die meisten DAX-Unternehmen locker in die Tasche steckt, hat es geschafft, dass ihm bis heute erstaunlich viele Menschen die Mär von den selbstlosen, immer auf Almosen angewiesenen Gottes- und Menschenfreunden abnehmen.

Selbst viele derer, die mit Kirche und Götterglaube eigentlich gar nichts mehr am Hut haben, halten die Kirche oft trotzdem noch für etwas „irgendwie Positives.“

Keine Frage: Menschen engagieren sich für Mitmenschen, weil sie die Vorstellung haben, damit dem Willen ihres Gottes zu entsprechen. Dass dieser Wille genauso erfunden ist wie der Gott auch, stört sie dabei nicht weiter. Und die, denen geholfen wird, freilich auch nicht.

Sie fragen sich meist auch nicht, warum Menschen früher bei der Erfüllung des Willens genau desselben Gottes zu ganz anderen, nämlich blutigen Ergebnissen kamen als sie heute.

Nur: Die Caritas ist ein Sozialdienstleister, der zu 98% vom Staat finanziert wird. Mit Selbstlosigkeit und christlicher Nächstenliebe hat das alles nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen äußerst erfolgreichen Etikettenschwindel, mit dem der Kirchenkonzern seiner Geschäftssparte „Soziale Dienstleistungen“ und sich selbst einen mitmenschlichen Anstrich verpasst.

Was freilich wiederum nicht heißt, dass sich Caritas-Angestellte deshalb nicht trotzdem mitmenschlich verhalten und einen guten Job machen. So wie die Angestellten anderer sozialer Dienstleister auch.

Und wenn jetzt dieser Milliardenkonzern 300.000 Kinder unentgeltlich zum Betteln schickt, um damit auf das Problem der Kinderarbeit hinzuweisen, dann würde das nicht einer gewissen Komik entbehren – wenn das Thema nicht so ernst wäre.

Kein Wunder? Doch…

Kein Wunder, dass auch die Werbebranche aufmerksam wird.

Naja, schon. Wie aus der Presse zu erfahren war, hatten viele Kirchengemeinden dieses Jahr große Probleme, überhaupt noch Kinder und Jugendliche als Sternsinger zu aquirieren. In manchen Gegenden kamen die Kinder nur noch auf Bestellung vorbei, woanders zogen verkleidete Erwachsene los.

Würden sich die Christen an ihre Bibel halten, dann würden auch noch alle Mädchen als Sternsinger ausscheiden. Denn wie die ursprüngliche Bibelfassung verrät, handelte es sich bei den „drei Weisen aus dem Morgenland“ um Magier.

Deren Weisheit bestand darin, Himmelsphänomene und Sternenkonstellationen zu deuten. Heute wären diese Weisen also wahrscheinlich als Astrologen bei Astro-TV tätig.

Während Magie und Zauberei (wie zum Beispiel das Verzaubern von Backoblaten in Menschenfleisch) in der katholischen Kirche bis heute Männern vorbehalten ist, haben Frauen (bzw. Mädchen) keine allzu guten Chancen, sich in diesem Bereich zu betätigen, denn:

Dumm gelaufen.

Was den Sternsingern noch eine gewisse Öffentlichkeit verschafft, sind ihre Auftritte zusammen mit Politikern und anderen Menschen, die sich ihren Wählern oder Kunden gegenüber gerne als besonders mildtätig und großzügig darstellen möchten.

Was – zumindest in Sachen Politik – einmal mehr die Frage nach der weltanschaulichen Neutralität des Staates aufwirft.

Es ist nicht einfach gut, was ihr da macht

Es ist einfach gut, was wir da machen!

Nein, ganz so einfach gut ist das nicht, was ihr da macht. Bei den Sternsingern handelt es sich um ein Kindermissionswerk. Naturgemäß ist die katholische Kirche der Auffassung, die Verbreitung ihrer mythologisch-biblischen Lehre zähle als Bildungsbeitrag.

Deshalb ist zum Beispiel immer genau zu prüfen, wie groß der Spendenanteil ist, der hier unter dem Titel „Bildung“ in die Missionierung, also in die Verbreitung der katholischen Ideologie fließt. Verglichen mit dem Anteil, der für tatsächlich wirksame Hilfe verwendet wird. Brot statt Bibeln.

Die Missionierung ist das eigentliche und oberste Ziel aller kirchlichen Aktivitäten. Diese sind stets Mittel zum Zweck, Menschen zu Gott zu bekehren.

Biblische Wortverdrehungen I

„Aus dem Mund der Kinder und der Unmündigen schaffst du dir Lob.“ heißt es schon im Buch der Psalmen (Ps 8,3).

Das stimmt nicht ganz. In der aktuellen Einheitsübersetzung lautet diese Bibelstelle anders (Hervorhebung von mir):

  • Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge hast du ein Bollwerk errichtet wegen deiner Gegner, um zum Einhalten zu bringen Feind und Rächer. (Ps 8,3 EU)

Und in der aktuellen Lutherbibel:

  • Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge / hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, dass du vertilgest den Feind und den Rachgierigen. (Ps 8,3 LUT)

„…vertilgest den Feind und den Rachgierigen“ klingt schon anders als „…schaffst du dir Lob“, oder?

Armseliger Allmächtiger

Und nebenbei: Was soll denn das für ein Allmächtiger sein, der er es nötig hat, sich aus dem Mund von Kindern und Säuglingen Lob zu verschaffen?

Das scheint ein ziemlicher Narzisst und Schwächling zu sein, wenn er seine Allmacht ausgerechnet dazu verwendet, sich selbst von Kindern und Säuglingen loben zu lassen. Während er diese und andere Kinder gleichzeitig auch tatenlos verhungern lässt. Wirklich schwach. Oder sadistisch veranlagt.

Das mit dem Lob aus dem Mund der Kinder und Unmündigen findet sich indes bei Matthäus 21,16, wo Jesus dies mit Verweis auf den oben genannten Psalm sagt.

Schon die anonymen Verfasser der biblischen Mythen und Legenden beherrschten nämlich die hohe Kunst des beliebigen wunschgemäßen Uminterpretierens von Texten. Und offenbar hatte das die Gläubigen schon damals genausowenig gestört wie heute.

Biblische Wortverdrehungen II

„Das Schwache in der Welt hat Gott erwählt“, sagt der Apostel Paulus, „um das scheinbar Starke zu entlarven“ (1 Kor 1,27). – Also berufen wir Christen uns doch nicht auf unseren Einfluss und unsere Macht.

Clever ausgedacht, Paulus! So kann sich jeder Schwache als seiner Schwachheit wegen von Gott himself auswerwählt fühlen. Was will man mehr!

Und auch für alle, die nicht zu den hellsten Kerzen auf der Torte zählen, hat Gott ein Vorliebe, wie wir in der zitierten Bibelstelle erfahren (wenn wir sie mal ganz lesen, Hervorhebung von mir):

  •  Seht doch auf eure Berufung, Brüder und Schwestern! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. (1. Kor 1, 26-27 EU)

Der Paulus war schon ein Fuchs. Der wusste schon damals ganz genau, was seiner Zielgruppe am meisten fehlte: Selbstvertrauen.

Interessanterweise hat Herr Alter auch diesmal die Bibelstelle nicht im biblischen Wortlaut zitiert. In den aktuellen Bibelübersetzungen ist nämlich nicht von „entlarven“ die Rede. Sondern von „zuschande zu machen.“

Riskant: Heilige Schriften

Wort GottesFaktisch ist es natürlich völlig einerlei, wenn jemand den Wortlaut einer Legende nach seinen persönlichen Vorstellungen und Absichten verändert. Dazudichten, weglassen, umformulieren: Alles kein Problem bei Narrativen ohne ursächlichen Bezug zur irdischen Wirklichkeit.

Nur entlarvt das, wie bedeutungslos das „Wort Gottes“ tatsächlich ist. Wenn man es einfach beliebig umdichten kann, ohne dass sich dadurch irgendetwas tatsächlich ändert.

Das Fatale daran: Fundamentalistische Spinner können sich bei Bedarf jederzeit auf die übergeordnete Bedeutung dessen berufen, was tatsächlich in ihren heiligen Büchern steht.

Man kann und sollte sich nicht darauf verlassen, dass sich Religionsverkünder ihre heiligen Schriften stets nach humanistisch-aufgeklärten Standards zurechtinterpretieren. Das geht nämlich jederzeit auch ganz anders, wie ein Blick in die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums erschreckend eindrucksvoll beweist.

Wegen ihrer völligen Beliebigkeit bergen „Heilige Schriften“ ein Risiko, solange ihnen noch eine übergeordnete Bedeutung („Wort Gottes“) zugesprochen wird.

Dumm und schwach – aber dafür wenigstens göttlich beschienen

Zurück zum Text: Hier geht es erstmal darum, den Wüstengott Jahwe als den Menschen haushoch überlegen darzustellen:

  • Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind. (1 Kor 1,25 EU)

Und wenn sie schon selber nichts auf die Reihe bekommen (schließlich wählt Gott ja die Dummen und Schwachen aus), so dürfen sich „Die Gemeinde und Paulus als Spiegel der Weisheit Gottes“ fühlen! So lautet jedenfalls die Überschrift dieses Kapitels in der Bibel.

Wenn man sich selber als töricht und schwach wahrnimmt, dann kann es schon verlockend sein, sich wenigstens ein bisschen von göttlichem Glanz beschienen fühlen zu dürfen. Dieser eingebildete Nimbus ist auch heute noch bei etlichen Christen zu beobachten.

Das Christentum: Moralisch orientierungslos

Und erheben wir nicht allzu schnell den moralischen Zeigefinger.

Weder schnell, noch langsam. Die christliche Lehre erfüllt nicht mal die Mindeststandards, die ein Moralsystem efüllen muss, um als solches gelten zu können.

Wer wie das Christentum moralisch orientierungslos ist, kann seinen Zeigefinger gerne für beliebige andere Zwecke verwenden, als ihn aus moralischen Gründen zu erheben. Egal, ob es sich selbst als schwach oder stark wahrnimmt oder darstellt.

Denn genauso, wie Herr Alter mit herausgepickten und umformulierten Bibelstellen „belegt“, dass es ja quasi Voraussetzung für Christen ist, töricht und schwach zu sein (denn diese werden ja von Gott auserwählt), haben sicher auch die Kirchenfunktionäre, die den Werbespot hatten verbieten lassen, bei Bedarf irgendwelche Bibelstellen zur Hand, um ihren Standpunkt damit zu untermauern.

Und wenn das nicht reicht, hat man ja sicherheitshalber noch den Blasphemieparagraf, auf den man sich berufen kann. Der funktioniert besser als Bibel und Beten. Solange es ihn noch gibt.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag mit dem Titel „Schwach. Aber großartig!“

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2 Gedanken zu „Schwach. Aber großartig! – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Gereon Alter hat 2014 schonmal ein Wort zum Sonntag gestammelt als es um den Gottesbezug ging. Da hat er sämtliche Stalin, Hitler, Atheismus Massenmord Rhetorikkärtchen ausgespielt die man so kennt.

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  2. Also ich meine: „Meine Interpretation“ der „guten Teile“ von „dieser Version“ meiner „Heiligen Schrift“ am „heutigen Tag“ und „für die gerade diskutierte Frage“ ist das „selbstverständlich metaphorisch bzw. wörtlich zu verstehende“ Wort Gottes ….. 😇

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