Gibt es Dämonen?

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gibt es Dämonen? Diese Frage stellte eine besorgte Besucherin auf der Webseite fragen.evangelisch.de.

DämonenSie selbst sei evangelisch-lutherisch und glaube auch an Gott, sorge sich aber um ihre überzeugte katholische Freundin. Und die gehe von der Existenz von Dämonen aus, weil die Bibel das ja so erzähle.

Als Jugendliche habe sie selbst Gläserrücken ausprobiert, später aber den Glauben daran verloren. Nun habe sie „krasse Geschichten und Erfahrungsberichte im Internet darüber“ gelesen, was sie so beunruhigt hätte, dass sie „unter Tränen um Vergeben gebetet“ habe.

Ihre gläubige Freundin habe sie aber beruhigt und gesagt, dass die Dämonen oder Geister längst weg seien, weil Gott stärker sei.

Dämonen aus evangelischer Sicht

Beantwortungspfarrer Frank Muchlinskys Bewältigungsversuch dieser Frage mutet wahrlich abenteuerlich an. Aber der Reihe nach:

Dämonen sind so real wie Gläserrücken und Pendeln. Wer daran glaubt, dass sie existieren, wird ihnen auch begegnen. Ebenso, wie das Pendeln „funktioniert“, weil es eben von Menschen gemacht wird, die daran glauben, dass es funktioniert. Die Hand, die das Pendel hält, wird unbewusst tun, was die Person befürchtet oder erhofft. Das Pendel verstärkt diese winzigen Bewegungen der Hand. Ebenso funktionieren Gläserrücken und andere sogenannte okkulte Praktiken. Wer sich darauf einlässt, schafft eine eigene Wirklichkeit, in der Geister Hände führen oder – und hier wird es bedrohlich – ganz von Menschen Besitz ergreifen.*

Ganz offensichtlich weiß Herr Muchlinsky also sehr wohl, wie Esoterik funktioniert. Er weiß, dass sich Menschen damit eine eigene Wirklichkeit schaffen. Eine Wirklichkeit, die nicht auf Vernunft und Wissen basiert. Sondern auf Unvernunft und der Bereitschaft, Dinge ohne validen Beweis trotzdem für wahr zu halten.

Von außen zuschauen

Die Dämonen, von denen in den biblischen Mythen und Legenden die Rede ist, ordnet Herr Muchlinsky zuverlässig und vernünftigerweise genauso der Kategorie „Hirngespinst“ zu wie Gläserrücken und Pendeln auch. Und kommt zu diesem Schluss:

Existieren also solche Geister oder Dämonen? Nicht für diejenigen, die von außen zuschauen.

Eigentlich sollte man doch meinen, dass jemand, der schon so weit gekommen ist mit seinem Erkenntnisprozess, auch die trotzdem noch für wahr und bedeutsam gehaltene eigene Esoterik genauso als Nicht-existent entlarven können sollte.

Denn natürlich gilt diese Einschätzung nicht nur für Dämonen und Geister. Sondern genauso auch für die christliche Mythologie. Die Vorstellung, ein bestimmter Wüstengott hätte sich seinen eigenen Sohn für sich selbst vorübergehend zu Tode hätte foltern lassen, um damit den Menschen ihre Sünden zu vergeben, ist mindestens genauso absurd und unplausibel wie alle Geschichten, in denen beliebige andere „übernatürliche“ Kräfte am Werk sein sollen.

Christliche Esoterik

Esoterik, Mythologie und Magie aller Art findet sich freilich nicht nur in den archaischen biblischen Narrativen. Jede Taufe, jede Weihe, jede Segnung, jede Eucharistiefeier, jedes Gebet sind Handlungen, in denen „übernatürliche“ Kräfte auch heute noch im Spiel sein sollen.

Und deshalb muss Herr Muchlinksy seine Einschätzung auch auf „solche“ Geister und Dämonen einschränken. Auf seinen eigenen heiligen Geist kann er als Angestellter der evangelischen Kirche natürlich nicht verzichten. Wobei – immerhin hatte er ja Gott auch schon mal als menschliche Erfindung bezeichnet. Was heutzutage offenbar auch keine Rolle mehr zu spielen scheint.

Ganz dünnes Eis also, sozusagen. Da gilt es, sich eine gute Bewältigungsstrategie zurechtzubasteln. Und so erklärt Herr Muchlinsky, dass Jesus mit seiner Dämonenaustreibung ja eigentlich damals schon die moderne Psychotherapie vorweg genommen hätte:

[…] Therapien im 21. Jahrhundert nach Christus zielen ebenso wie die „Dämonenaustreibungen“ Jesu darauf, den Menschen wieder zum Herren im eigenen Geist zu machen. Der Unterschied liegt lediglich darin, wie man das Leiden des Betroffenen beschreibt und nennt.

Steile These

Eine, wie ich meine steile These. Ich vermute mal, dass ein Psychiater oder Psychotherapeut einen Vergleich seiner Arbeit mit der Methode von Jesus vehement von sich weisen würde:

  • Und die unreinen Geister baten ihn und sprachen: Lass uns in die Säue fahren! Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren sie aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter ins Meer, etwa zweitausend, und sie ersoffen im Meer. (Mk 5, 12-13 LUT)

Besonders deshalb, weil aus der Bibellegende gar nicht hervorgeht, ob oder inwieweit es Jesus dabei überhaupt tatsächlich um das persönliche Wohl dieses Menschen gegangen war. Vielmehr dürfte es sich um eine Machtdemonstration des Gottessohns gehandelt haben, eine Marketingmaßnahme:

  • Und als er in das Boot stieg, bat ihn, der zuvor besessen war, dass er bei ihm bleiben dürfe. Aber er ließ es ihm nicht zu, sondern sprach zu ihm: Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde ihnen, welch große Dinge der Herr an dir getan und wie er sich deiner erbarmt hat. (Mk 5,18-19 LUT)

An dieser Stelle sei außerdem auch daran erinnert, dass die christlichen Glaubensbrüder von der katholischen Abteilung bis heute der Auffassung sind, katholische Exorzisten seien in der Lage, Dämonen auszutreiben. Auch wenn man in der Exorzistenbranche gerade über massiven Nachwuchsmangel klagt.

Erst das Christentum machte Dämonen zu Bösewichtern

Einen weiteren Umstand verschweigt Pfarrer Muchlinsky ganz: Denn dass Dämonen heute als bedrohlich und böse gelten, verdanken sie dem Christentum. Ursprünglich waren sie nämlich nur als „warnende oder mahnende Stimme (des Gewissens)“ und „Verhängnis“ verstanden (Quelle: Wikipedia) worden.

Der schon vorher im Volk verankerte Glaube an Dämonen hatte sich offenbar gut geeignet, um diese zu Handlangern des „Bösen“ umzudeuten. Dass sich Menschen bis heute vor Dämonen fürchten, geht also auf das Konto christlicher Kirchenlehrer. Und da hilft es auch nichts, wenn Herr Muchlinsky Dämonen jetzt zur Fiktion erklärt.

[…] Als erwachsener Mensch sollte man sich klar machen, dass man Welten und Wesen schaffen kann und sie eine Menge Kraft entwickeln und sich sogar verselbstständigen können.

Ja, das sollte man sich unbedingt klar machen! Außer natürlich, wenn man sein Geld damit verdient, Welten und Wesen zu erschaffen.

Darum noch einmal: Dämonen „gibt“ es nicht, aber man kann sie „erschaffen“.

Gleiches gilt genauso auch für Götter und Gottessöhne.

Es geht um die Deutungshoheit

Wenn das Christentum also davon dringend abrät, sich mit solchen Praktiken zu beschäftigen, geschieht das aus der Sorge heraus, dass sich Menschen Böses einbrocken.

In erster Linie geht es um die klerikale Verlustangst über die Deutungshoheit in Sachen Esoterik:

Sorgen Sie sich also nicht! Ihre Freundin hat Recht: Wenn Sie Gott in Ihrem Leben Platz einräumen, ist für Dämonen keiner mehr übrig.

ShawMit dieser Aussage hat Herr Muchlinksy alle Anflüge von Vernunft wieder schlagartig zunichte gemacht. Dämonen sind nur Einbildung, glaube lieber an meinen Gott? Einen Gott, der nach christlich-evangelischer Auffassung über Menschen unabhängig von deren irdischen Werken nach unbekannten Maßstäben irgendwann dereinst richten wird?

Und der laut biblisch-christlicher Mythologie alle mit zeitlich unbegrenzter physischer und psychischer Höllenqual bei vollem Bewusstsein für das „Vergehen“ bestraft, sich zu Lebzeiten nicht von ihm lieben lassen haben zu wollen?

Da wirkt ein kleiner Dämon aber richtig niedlich dagegen…

Antwort aus atheistisch-rationaler Sicht

Alles, was Herr Muchlinsky über Dämonen geschrieben hatte, gilt genauso auch für seinen tripolar veranlagten Gott.

Auch wenn die evangelische Kirche sich ihren Gott heutzutage und hierzulande überwiegend zum harmlosen „lieben Gott“ zurechtgestutzt hat, handelt es sich dabei immernoch um den Gott Jahwe, der in der Bibel beschrieben wird. Der mit dem Faible für innerfamiliäre Menschenopfer zum Wohle Dritter. Und der mit dem unglaublich perfiden, menschenverachtenden Belohnungs-Bestrafungskonzept.

Aber selbst wenn man die dunkle Seite des biblisch-christlichen Gottes ausblendet, wird es kein bisschen besser. Denn die Hoffnung auf ein imaginäres übernatürliches Wesem wie den christlichen Wüstengott ist genauso irreal, irrational, absurd, unplausibel und unvernünftig wie die Angst vor Dämonen.

Gegen beides ist ein ganzer Strauß gesunder Kräuter gewachsen: Aufklärung, Wissen, Vernunft, rationales Denken, intellektuelle Redlichkeit, Selbstehrlichkeit. Und der Mut, sich von absurden Glaubensgewissheiten zu befreien, selbst wenn man diese womöglich schon seit dem Säuglingsalter eingetrichtert und vielleicht schon sein ganzes Leben lang für wahr oder zumindest bedeutsam gehalten hatte.

In einem Weltbild, das mit der irdischen natürlichen Wirklichkeit dem heute zur Verfügung stehenden Wissens- und Erkenntnisstand entsprechend übereinstimmt, fallen Götter, Geister und Gottessöhne genauso unter die Kategorie „menschengemachte Fiktion / Einbildung“ wie Dämonen, Wie Feen, Trolle, Teufel und sonstiges okkultes Gelichter auch.

Fun Fact am Rande

A Propos Kategorie: Die Besucherfragen auf der Webseite fragen.evangelisch.de sind in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Frage nach den Dämonen stammt aus der Kategorie mit dem Titel „Esoterik und Atheismus.“

Evangelischer Kuschelgott hin oder her: Das für monotheistische Religionen typische biblische Feindbild der Un- und Andersgläubigen scheint nach wie vor präsent zu sein.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag von fragen.evangelisch.de.

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