Gerade macht ein Video über einen Vorfall von Kindesmisshandlung in der Kirche die Runde in den sozialen Medien. Zu sehen ist, wie ein greiser Pfarrer ein Baby während einer Taufzeremonie ohrfreigt, weil es nicht aufhört zu weinen.
Der Clip sorgte auch in den klassischen Medien für Empörung. Hier eine kleine Auswahl:
- Frankfurter Allgemeine: Priester ohrfeigt weinendes Baby
- Spiegel online: Priester ohrfeigt weinendes Baby bei der Taufe
- n-tv: Video löst Empörung aus: Priester ohrfreigt Baby während der Taufe
- Stern: Priester ohrfeigt weinendes Baby bei Taufe – und löst große Empörung aus
- telegraph.co.uk: French priest suspended after video of him slapping baby goes viral
- independent.co.uk: French priest filmed slapping baby during baptism retires amid condemnation
Priester tauft nicht mehr
Wann genau und in welcher Kirche im französischen Département Seine-et-Marne das Video aufgenommen worden war, ist derzeit noch nicht zweifelsfrei bekannt.
Einige Details waren jedoch in Presseberichten veröffentlicht worden:
So soll sich der übergriffige 89jährige katholische Priester Jacques Lacroix nach dem Vorfall bei der Familie entschuldigt haben. Die Kindesmisshandlung in der Kirche habe er jedoch in einem Radiointerview heruntergespielt.
Jean-Yves Nahmias, der zuständige Bischof von Meaux, habe immerhin dafür gesorgt, dass zumindest dieser Gottesdiener zumindest während Taufzeremonien keine Kinder mehr schlägt: Er wurde von der Durchführung von Taufen und ähnlichen Ritualen suspendiert.
Verlust an Coolness oder Macht der Gewohnheit?
Wenig erstaunlich: Auf den einschlägigen deutschsprachigen Kirchen-Webseiten ist bis heute (28.6.2018) kein Wörtchen zu diesem Vorfall zu finden. Lediglich die französische Ausgabe von vaticannews.va berichtet über den Vorfall. Hier hat man auch eine Erklärung für die handgreifliche Entgleisung parat:
- Cette perte de sang-froid peut s’expliquer par la fatigue de ce prêtre âgé, mais cela ne l’excuse pas.
Dieser Verlust an Coolness kann durch die Müdigkeit dieses älteren Priesters erklärt werden, aber das entschuldigt ihn nicht. (Quelle: vaticannews.va)
Ob es sich tatsächlich um einen ausnahmsweisen „Verlust an Coolness“ oder vielleicht doch eher um einen Fall von „Macht der Gewohnheit“ gehandelt hat, sei dahingestellt.
Für einen unter Müdigkeit leidenden Priester langte Herr Lacroix jedenfalls ordentlich hin:
Verglichen mit den tausenden bekannt gewordenen und sicher noch viel mehr vertuschten oder verschwiegenen Fällen von physischer und psychischer Kindesmisshandlung in der Kirche mag die Ohrfeige und das Herumzerren des Kindes am Kopf vielleicht noch vergleichsweise harmlos wirken.
Trotzdem ist hier ein tätlicher Übergriff durch einen katholischen Priester dokumentiert, der sicher nicht nur für das Kind und die Anwesenden, sondern auch für die vielen Millionen Menschen, die sich diesen Clip bereits angesehen haben schockierend war.
Gewalt gegen Kinder gehört zum System der katholischen Kirche
In einem Kommentar auf der Webseite des Humanistischen Pressedienstes Deutschland (hpd) schreibt der stellvertretende hpd-Chefredakteur Florian Chefai:
Dabei ist Gewalt gegen Kinder – wie man spätestens seit der Aufdeckung des Missbrauchsskandals weiß – keineswegs eine Ausnahme, sondern gehört zum System der katholischen Kirche. Selbst unter Franziskus hat sich daran nichts Grundsätzliches geändert. So erklärte der Papst vor etwa drei Jahren, dass er es in Ordnung findet, wenn Eltern ihre Kinder schlagen. Eine ernstzunehmende Distanzierung von dieser Gewaltverherrlichung gibt es bis heute nicht. Stattdessen verteidigte Pfarrer Thomas Rosica, ein Mitarbeiter der Pressestelle des Vatikan, die päpstliche Haltung zu Erziehungsfragen folgendermaßen: „Wer hat nicht schon einmal sein Kind gezüchtigt oder ist in seiner Kindheit von den Eltern gezüchtigt wurden?“ […]
Es wäre an der Zeit dem klugen Ratschlag von Kurt Tucholsky zu folgen: „Tretet aus der Kirche aus. Tretet aus der Kirche aus. Tretet aus der Kirche aus.“
(Quelle: Kommentar von Florian Chefai auf hpd.de)
Vom alten Schlag, oder:
Kindesmisshandlung in der Kirche
„Wieder kommt ein neues Schaf,
Hoffentlich ist es auch brav,
Dass ichs zügig taufen kann,“
Denkt für sich der fromme Mann.
Vater, Mutter, Patin schick
Warten auf den Augenblick,
Wo der kleine Sohnemann
Im Schoß der Kirche ruhen kann.
Kaum ist die Handlung doch im Gange,
Wird es allen Angst und Bange,
Denn mit lautem Wehgeschrei
Ist jetzt der Täufling an der Reih.
Statt Teufel austreiben zu lassen
Brüllt er, – der Pfarrer kanns nicht fassen.
Versucht’s mit Streicheln, Tätscheln, Schmusen,
Der Kleine kann das nicht verknusen,
Legt eine Schippe weiter zu,
Den Pfaffen bringt das aus der Ruh.
Er kennt nur eins – der Atem stockt –
Was kommt… nicht nur den Täufling schockt.
Er knallt ihm eine auf die Backe,
Bereit zu weiterer Attacke,
Um gleich danach ganz schuldbewusst
Ihn streichelt und sogar beschmust.
Beim Vater löst das aus Alarm,
Reißt ihm den Knaben aus dem Arm.
….
Zur Firmung wird er nicht mehr kommen,
Die hatte der Pfarrer vorweggenommen.
Bleibt nur zu wünschen und zu hoffen,
Dass alle, die das macht betroffen,
Um weitere Streiche abzuwenden
Ganz schnell die Mitgliedschaft beenden.
– Sybille
Ich würde auch in meiner Grundschulzeit vom Pfarrer geohrfeigt, weil ich ihn nach seiner Schuhgröße gefragt hatte….