Wer‘s glaubt, wird selig – Gedanken zu Sonntagsgedanken von Christina Lander zum Begriff „Heil“

Lesezeit: ~ 10 Min.

Wer‘s glaubt, wird selig – Gedanken zu SONNTAGSGEDANKEN zum Thema „Heil“ (Nachgedacht 288) von Christina Lander, veröffentlicht am 4.11.2018 von Osthessennews

In ihrer 288. Nachgedacht-Kolumne kündigt Frau Lander an, die ihrer Meinung nach „ungeheuer tiefe Botschaft“ des Festes Allerheiligen herausstellen zu wollen.

Achtung: Dieser Beitrag enthält Darstellungen von brutaler Gewalt, die auf nicht katholisch indoktrinierte Menschen verstörend (oder gestört) wirken könnte.

Kirchliche Feiertage im Säkularstaat?

[…] Im Wort [Allerheiligen, Anm. von mir] selbst steckt ein kleiner Hinweis, der Licht ins Dunklel [sic] eines Festes bringt, das nur noch in wenigen Bundesländern überhaupt arbeitsfreier Feiertag ist.*

Das Thema religiös begründete Feiertage (und die damit verbundenen Einschränkungen für alle Bürger) ist nur eines von vielen Beispielen, wie die in einem Säkularstaat eigentlich festgelegte staatliche Neutralität missachtet wird.

Humanistische und säkulare Verbände, aber auch Privatpersonen streben seit vielen Jahren auch in diesem Bereich eine Nachbesserung an.  So hatte zum Beispiel Marcel Mäschig die Petition „Feiertage für alle – Vergnügungsverbote aufheben“ gestartet:

  • „Feiertage gehören allen Menschen, völlig unabhängig von ihrer Begründung oder ihrem Ursprung. Völlig zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht (Urteil: 1 BvR 2857/07) daher festgestellt, dass Feiertage keine Verordnung zu Besinnung und Ruhe sind, sondern auch zur Erholung und Zerstreuung dienen“, sagt Maurice Mäschig, Initiator der Petition. „Dies sind Entfaltungsmöglichkeiten, unter denen Menschen verschiedene Dinge verstehen. Das Schöne ist, dass jeder das machen könnte, wonach ihm ist, ohne dass andere dadurch in ihrem Feiertagsgenuss unzulässig eingeschränkt wären. Die derzeitige Feiertagsgesetzlage bevorzugt jedoch eine auch unter religiösen Menschen kleine Gruppe von Fundamentalisten, die ihre Weltanschauung über die anderer stellen. Diese Menschen gehen teilweise so weit, Konfessionsfreien das Recht auf Feiertage abzusprechen, sofern sie sich nicht an die speziell nur in Deutschland gesetzlich geregelten und religiös begründeten Vergnügungsverbote halten wollen. Dies sollte kein Weltbild sein, das Carsten Sieling als Bürgermeister, der Senat in seiner Gesamtheit und auch die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft unterstützen“, so Mäschig. (Quelle: Marcel Mäschig zit. n. hpd.de)

Heil – Heilig Allerheiligen

Aber zurück zu Frau Landers Überlegungen zum Begriff „heil“:

Es ist das kleine Wörtchen heil. Heil sein oder fühlen kann man dann folgendermaßen verstehen: ob mein Leben gut verläuft, ob ich zufrieden bin, ob ich glücklich bin, ob ich mein Leben als sinnvoll empfinde. Und inwieweit hilft der Glaube mir, mich innerlich oder anders gesagt: heil, zu fühlen?

Zunächst mal ist hier zu unterscheiden zwischen dem Begriff „Heil“ und dem Begriff „Heilig.“

  • Heilig (lat. sacer), daher in wissenschaftlicher Literatur und im Duden[1] als sakral benannt, bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortgeschichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet (vgl. englisch holy, „heilig“ – von whole). (Quelle: Wikipedia)
  • Heil drückt Begnadigung, Erfolg, Ganzheit, Gesundheit und in religiöser Bedeutung insbesondere Erlösung aus.

Auch wenn die Begriffe miteinander zu tun haben, geht die Bedeutung von „heilig“ (oder heil im religiösen Sinne) in eine andere Richtung als die Interpretation von Frau Lander. Haarspalterei? Nein. Nur eine Differenzierung typisch theologischer Vernebelung und wunschgemäßer Umdeutung.

Heil im religiösen Kontext beinhaltet immer magische Komponenten („Erlösung“, „Glaube“), von denen Glück und Wohlbefinden abhängig sein sollen. Wohingegen man auch hervorragend ohne diese Komponenten zufrieden und glücklich ein sinnerfülltes Leben führen kann.

Heil als Synonym für Erlösung

Das „Heil“ des christlichen Heilsversprechens besteht in der fiktiven Hoffnung auf eine postmortale Dauerbelohnung. Und zwar dafür, sich zu Lebzeiten dem „richtigen“ Gott unterworfen zu haben. Ein bizarrer Dauerzustand aus zeitloser Glückseligkeit. Immer in dem Wissen, dass alle, die während ihres Lebens keine oder andere Götter verehrt hatten, dafür  zeitgleich bzw. gleich unbegrenzt mit physischen und psychischen Höllenqualen dauerbestraft werden. Und zwar veranlasst durch eben diesen Gott.

Sicher mag es Menschen geben, denen eine solche, bei Licht betrachtet geradezu abstoßend widerwärtige, ungerechte und menschenverachtende Vorstellung eine gewisse Genugtuung bereitet. Und die dadurch tatsächlich Zufriedenheit und Glück empfinden.

Weil sie sich ja natürlich auf der Seite der „Guten“ wähnen. Sie fühlen sich durch eine vorübergehende Todesfolterung vor rund 2000 Jahren und die damit verbundene Auferstehungslegende als von ihren „Sünden“ „erlöst“ und somit „gerettet“. Und natürlich auch deshalb, weil sie die unmenschlichen Implikationen ihrer Glaubenslehre nicht wahrhaben wollen oder können.

  • Christen glauben, das Heil in der Nachfolge Jesu Christi, ihres Heilands, und im Vertrauen auf seinen Tod und seine Auferstehung zu finden. Im Neuen Testament ist Heil die Übersetzung des griechischen Wortes σωτηρία (sotēría = Rettung, Erlösung, lateinisch: salus) (Quelle: Wikipedia)

Inwieweit ausgerechnet eine solche Vorstellung zu einem sinnerfüllten Leben führen soll, erschließt sich mir nicht. Was an dieser Botschaft „ungeheuer tief“ sein soll, kann ich jedenfalls nicht erkennen.

Der einzige Weg heil zu werden

Besonders absurd und arrogant finde ich dabei den Anspruch, dass diese Vorstellung nach christliche Auffassung ja die einzige Möglichkeit überhaupt sein soll, als Mensch Heil zu erlangen.

Milliarden von Menschen, die mit ganz anderen oder auch ganz ohne irgendwelche Erlösungsphantasien ein glückliches und sinnerfülltes Leben genießen (konnten) beweisen das Gegenteil. Genauso wie der Umstand, dass das Leben von Milliarden von Menschen trotz ihrer festen Glaubensüberzeugungen unglücklich, leidvoll oder allgemein „schlecht“ verläuft.

Aber all das scheint für Frau Lander keine Rolle zu spielen. Ihr genügt offenbar die Wunschvorstellung, dass Gott diejenigen, die auf ihn vertrauen, schon zu Lebzeiten unterstützt:

Jesus hat immer wieder gezeigt, dass der Mensch heil werden soll, damit sein ihm geschenktes Leben gut verlaufen kann. Frauen und Männer, die Gott sehr vertrauten und sich von ihm heilen ließen, sind von der Kirche heilig gesprochen worden. Mit ihrem Gott an ihrer Seite und dem Glauben an ihn haben sie sich auf das schwierige Leben und seine in ihm liegenden Gefahren eingelassen.

Jesus hat immer wieder klar gestellt, dass Menschen ausschließlich nur durch ihn heil werden können. Was alle anderen erwartet, ließen die anonymen Bibelschreiber ihren fiktiven Gottessohn in vielen Gleichnissen fürs gemeine Fußvolk verständlich schildern. Das klingt dann zum Beispiel so:

  • „…und der Herr wird ihn in Stücke hauen und ihm seinen Platz unter den Heuchlern zuweisen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. (Matthäus 24,51 EU)

Kein/e Einzige/r derer, die von der Kirche heilig gesprochen wurden, war tatsächlich nachweislich von Gott geheilt worden. Was nicht heißt, dass diesen Menschen, so sie denn überhaupt tatsächlich gelebt haben, womöglich aus ihren diversen Gotteseinbildungen Kraft geschöpft hatten.

Dass Menschen heutzutage eine wesentlich höhere Lebenserwartung haben, u. a. weil Krankheiten mit wissenschafltichen Methoden erforscht wurden und jetzt geheilt werden können oder auch, weil Bereiche wie Ernährung und Hygiene deutlich verbessert werden konnten, haben wir nicht Heiligen zu verdanken. Auch nicht, dass die Welt heute trotz bestehender Konflikte friedlicher geworden ist. Sondern rational denkenden und vernünftig handelnden Menschen.

Ganz besonders heilig: Märtyrer

Viele derer, die an Allerheiligen verehrt werden, waren von ihren Feinden wegen ihres Glaubens mit den aus heutiger Sicht absonderlichsten Methoden umgebracht worden.

Und so gleichen viele katholische Kirchen auch 2018 noch einem bizarren Gruselkabinett. Da ragen Schwerter aus Hälsen, Körper sind von Pfeilen durchsiebt, Menschen werden bei lebendigem Leib im Topf über offenem Feuer gekocht und andere halten ihren eigenen abgeschlagenen Kopf in Händen…

Was man hingegen nirgends zu sehen bekommt sind Darstellungen der ungezählten Menschen, die  von Christen auf mindestens genauso „kreative“ Art und Weise zu Tode gefoltert und so nach christlicher Vorstellung direkt in die Hölle befördert worden waren.

Angebliche und „tatsächliche“ Absichten des Endzeitsektenpredigers

Wenn Frau Lander den biblischen Romanheld Jesus so darstellt, als sei es ihm darum gegangen, Menschen aus reiner Nächstenliebe, also um ihretwillen „heil“ im Sinne von glücklich und gesund zu machen, dann verkennt sie die Tatsache, um die es ihm – laut biblischer Legende – in erster Linie gegangen war: Die Wirkmächtigkeit seines Gottes unter Beweis zu stellen. Und darum, klar zu machen, dass der Glaube an diesen Gott unbedingte Voraussetzung dafür ist, überhaupt „heil“ werden zu können.

Der biblischen Legende zufolge hatte Jesus seine Aufgabe darin gesehen, seine Anhänger auf das vermeintlich unmittelbar bevorstehende „jüngste Gericht“ vorzubereiten.

Während die Gottesvorstellung im Alten Testament noch einen aktiv eingreifenden, blutrünstigen Rachegott beschrieben hatte, geriert sich Jesus im 2. Teil der Bibel nur deshalb als Menschenfreund, weil die Bestrafung für Un- und Andersglaube ins Jenseits bzw. auf ein ominöses „Jüngstes Gericht“ verlegt worden war.

Seine Message war: Glaubt jetzt noch schnell an mich (bzw. meinen Gott), denn nur dann habt ihr eine Chance, den unmittelbar bevorstehenden Höllenqualen zu entgehen!

Was Christen freilich nicht davon abgehalten hatte, über mehr als 1000 Jahre hinweg ihrem lieben Gott trotzdem schon mal ein bisschen Arbeit abzunehmen. Und Millionen von Menschen wegen ihres (Un-)glaubens zu ermorden. Wer hier heil bleiben wollte war gut beraten, sich dem Gott zu unterwerfen, den sein Kaiser, König oder Fürst gerade verehrte.

Ob tötende oder getötete Gläubige: Sobald ein Glaube (oder eine vergleichbare Ideologie) Menschen dazu bringt, sich gegenseitig wegen ihres Glaubens umzubringen, ist dieser Glaube abzulehnen.

  • Wir müssen falsche Ideen sterben lassen, bevor Menschen für falsche Ideen sterben.
    – Michael Schmidt-Salomon

Heil dank Gott?

Ihr Gott half ihnen, sich nicht allein zu fühlen, auch wenn sie sich verrannt hatten. Sie zerbrachen nicht am Leben.

Frau Lander, woran können Sie erkennen, dass hier tatsächlich ein bestimmtes magisches Himmelswesen am Werk war? Und nicht nur die Einbildung eines solchen? Warum bewahrt Gott nicht alle, die an ihn glauben davor, am Leben zu zerbrechen? Und warum zerbrechen auch viele derer, die nicht auf göttliche Hilfe vertrauen nicht am Leben?

Ist es nicht viel naheliegender, ehrlicher und realistischer, sich einzugestehen, dass Menschen in erster Linie selbst für ihr eigenes „Heil“ verantwortlich sind? Weil sich bis zum Beweis des Gegenteils redlicherweise nun mal nichts mit dem Einfluss und Handeln göttlicher Wesen in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt?

Und dass es von rein irdischen Faktoren wie Gesundheit, Geborgenheit oder Freiheit abhängt, ob sich jemand „heil“ fühlen kann? Und nicht vom fallweisen Eingreifen magischer Himmelswesen?

Wer gilt als heilig und warum?

Heilige sind deswegen aber keine perfekten Menschen, die von vornherein außergewöhnlich gewesen wären. Sie haben nur in einem ganz besonderen Maße dem Glauben in ihrem Leben einen Platz gegeben. So konnte Gott ihnen immer wieder seine Gegenwart zeigen.

Mit anderen Worten: Es ist gar nicht in erster Linie das (Mit-)Menschliche, was Heilige auszeichnet. Sondern nur ihre Bereitschaft, sich dem Wüstengott Jahwe bedingungslos unterworfen zu haben. Am besten mit einem möglichst spektakulären Ende. Das sich dann in allen grausamen Details wirkungsvoll in Szene setzen lässt. Bis heute.

Das Heil der Heiligen bestand nicht darin, dass Gott ihnen wegen ihres Glaubens ein glückliches, zufriedenes Leben beschert oder sie vor Leid bewahrt hatte.

Im Gegenteil: Gott scheint auch nach der vorübergehenden Hinrichtung seines Sohnes zu seiner eigenen Befriedigung nach wie vor ein Faible für blutrünstige Menschenopfer zu haben. Als besonders fromm und heilig gilt, wer sich auf möglichst brutale Art und Weise wegen seines Glaubens hatte umbringen lassen.

Märtyerer: Etwas aus der Mode gekommen

Natürlich waren nicht alle Heiligen in der katholischen Mythologie auch Märtyrer. Gerade in jüngerer Zeit, wo religiös motivierte Hinrichtungen dank Aufklärung und Säkularisierung zum Glück, zumindest verglichen mit früher deutlich abgenommen haben, werden auch Menschen zu Heiligen erklärt, die nicht wegen ihres Glaubens getötet worden waren.

Das Kriterium, anhand dessen die katholische Kirche Menschen zu „Heiligen“ erklärt, ist so absurd, dass es Frau Lander mit so salbungsvollen Worten wie „in einem ganz besonderen Maße dem Glauben in ihrem Leben einen Platz gegeben…“ oder „…konnte Gott ihnen immer wieder seine Gegenwart zeigen“ vernebelt.

Denn katholische Heilige müssen mindestens zwei so genannte „Wunder“ vollbracht haben, um heilig gesprochen werden zu können. Ein Wunder bezeichnet hierbei ein Phänomen, das sich Menschen früher noch nicht erklären konnten. So kann es kaum erstaunen, dass die Zahl der angeblichen Wunder gerade in den letzten Jahren drastisch abgenommen hat.

Eine erfundene Legende wie zum Beispiel die von der wohltätigen „Mutter Teresa“ allein reicht jedenfalls für eine Heiligsprechung längst nicht aus. Auch diese Legende musste deshalb um zwei Begebenheiten erweitert werden, die nun als angebliche Beweise für die vermeintliche göttliche Gegenwart im „Todesengel von Kalkutta“ ausgegeben werden. Nur wer „nachweislich“ in mindestens zwei Fällen die Naturgesetze außer Kraft gesetzt hat, kommt als Heilige/r in Betracht.

Das mag im finsteren Mittelalter, in dem magisches Denken verbreitet war und die Kirche zudem noch die Macht hatte, Ungläubige oder Zweifler direkt einer Lebend-Feuerbestattung zuzuführen als „Beweis“ ausgereicht haben. Aber heute?

Worauf es wirklich ankommt

Letztlich kommt es doch darauf an, was jemand zu Lebzeiten tatsächlich getan hat, um für mehr „Heil“ und weniger Leid auf Erden zu sorgen.

Bei einer objektiven Betrachtung schneidet da die gerade exemplarisch genannte Mutter Teresa viel schlechter ab, als es die um ihre Gestalt errichtete Legende Glauben macht.

Denn Mutter Teresa hatte das menschliche Leid zur frommen Tugend erhoben, statt es wirksam zu lindern. Ausgenommen freilich ihr eigenes Leid.

Außerdem erfüllen Heilige noch einen anderen Zweck: Immer, wenn sich das Christentum andere Kulte oder Religionen gewaltsam einverleibt hatte, hatten die Anhänger anderer Götter oft noch das Bedürfnis, weiterhin auch ihre bisher geglaubten Gottheiten zu verehren.

Und was bietet sich da besser an, als einfach ein paar Legendengestalten aus den verschiedenen Mythologien miteinander zu verschmelzen? Im Reich der Phantasie und Illusion ist das kein Problem. Und so verquickte man Halbgötter, Naturgeister und sonstige Gelichter mit den Gestalten, die in der katholischen Lehre als heilig gelten. Quasi eine Art Superman-Harry-Potter-Hybrid.

Genauso, wie es damals schon bei der Legendenbildung um den biblischen Gottessohn der Fall gewesen war.

Es geht nicht ums irdische Wohlbefinden

Und das hat sie in einem großen Maße heil werden lassen, das, was so viele Menschen vermissen. Sich innerlich ganz, heil zu fühlen.

Nochmal: In der christlichen Heilslehre geht es nicht darum, wie sich Menschen fühlen. Oder wie es ihnen zu Lebzeiten geht. Sondern darum, dass sie immer auf Gott vertrauen sollen. Egal, wie beschissen es ihnen tatsächlich geht.

Ich streite nicht ab, dass es nicht auch Menschen geben kann, denen die Einbildung eines wohlmeinenden Gottes tatsächlich dabei hilft, sich innerlich heil zu fühlen. Mitunter kann eine solche Einbildung ein ganzes Leben lang anhalten. Und jeglichen Anflug von Vernunft und Skepsis überstehen.

Besonders dann, wenn jemand vom Säuglingsalter an erzählt bekommen hat, dass diese Gottesvorstellung der (einzige) Weg zu einem glücklichen und sinnerfüllten Leben sei.

Das ’s macht den Unterschied

Deswegen passt auch der Satz so gut: Wer glaubt, wird nicht nur selig, sondern heil.

Interessanterweise unterscheidet sich der Abschlusssatz von Frau Lander von der Formulierung in der Überschrift. Denn dort heißt es noch: „Wer’s glaubt wird selig.“

Diese Redewendung bringt auf ironische Weise zum Ausdruck, wie unbrauchbar die Methode des Glaubens ist. Bezogen auf eine bestimmte, unglaubwürdige Aussage: Wer das glaubt, wird selig. Im Sinne von: Das glaubst du doch selber nicht.

Anders sieht es aus, wenn vom Glauben allgemein die Rede ist. Hier geht es um den Glauben an sich. Die dieser Aussage zugrunde liegende Bibelstelle finden wir bei Markus 16,16:

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. (Mk 16,16 EU)

Das „Heil“ besteht hier also nicht aus einem glücklichen und erfüllten Leben hienieden. Sondern aus der hoffnungsvollen Illusion, von einem bestimmten Gott vor dessen eigener jenseitigen Bestrafung dereinst gerettet zu werden.

Aber natürlich nur, wer glaubt und sich taufen lässt. Was alle anderen erwartet, verschweigt Frau Lander.

Klar, sie betrifft es ja auch nicht: Sie glaubt (wenn auch ihre Selbstbezeichnung als liberal-theologisch Gläubige bei Fundamentalisten sicher arge Zweifel an ihrer Glaubensfestigkeit wecken dürfte) und getauft ist sie ja sehr wahrscheinlich auch. Was soll also schon schief gehen?

Verdammung statt Heil

Was die, die nicht glauben erwartet, umschreibt die Bibel-Einheitsübersetzung 2016 euphemistisch mit „verurteilt.“ Gemeint ist damit allerdings keine gerechte Verurteilung. Vor einem ordentlichen Gericht. Und nach geltendem Recht und Gesetz. Sondern um eine Verdammnis, von der zum Beispiel in der Lutherbibel 2017 an dieser Stelle statt einer Verurteilung die Rede ist.

Gemeint ist mit beiden Formulierungen die göttliche Bestrafung durch endlose Höllenqualen. Bei vollem Bewusstsein.

Für Menschen, die nicht auf eine sowieso nur fiktive jenseitige Belohnung hoffen und die sich ebensowenig vor einer jenseitigen Bestrafung fürchten, ist das christliche, rein von Menschen aus Unwissenheit, Angst und zu bestimmten Zwecken konstruierte, im Grunde höchst inhumane Belohnungs-Bestrafungskonzept völlig irrelevant.

Entscheidend ist, wie Menschen sich verhalten.

Und zwar zu Lebzeiten. Also im Diesseits. Ob sie sich dafür einsetzen, dass die Welt ein friedlicherer, fairerer und gesünderer Lebensraum wird oder nicht. Ob sie durch Forschung, Philosophie und Kunst  zur Entwicklung der Menschheit beitragen. Oder ob sie stattdessen an inhumanen Ideologien mit absurden Dogmen festhalten.

Um heil zu werden oder zu bleiben, bedarf es keines Glaubens.

Im Gegenteil: Wer aufhört, sich einen lieben Gott einzubilden, der es gut mit einem meint, wenn man auch noch wider besseres Wissen an ihn glaubt, der ist schon einen großen Schritt weiter.

Und wer dann beginnt, statt auf diese Gotteseinbildung auf sich selbst zu vertrauen und anfängt, sich selbst um sein eigenes Heil (und auch um das seiner Mitlebewesen) zu kümmern, ist auf dem besten Weg zu einem glücklichen und sinnerfüllten Leben. Im Hier und Jetzt. Völlig gottlos.

Natürlich spricht nichts dagegen, sich dabei auch an Vorbildern zu orientieren. Kriterium für die Auswahl von Vorbildern sollte nicht deren „Heiligkeit“ sein. Sondern das, was sie dazu beigetragen haben, dass die Welt friedlicher, fairer und gesünder geworden ist.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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1 Gedanke zu „Wer‘s glaubt, wird selig – Gedanken zu Sonntagsgedanken von Christina Lander zum Begriff „Heil““

  1. Vielleicht macht der Glaube heil; aber vielleicht macht der Glaube auch nur dumm? Dies wäre eine mögliche (zugegeben polemische) Erklärung für dieses besonders dumme „Wort zum Sonntag“.

    Danke für die ausführliche Analyse des Beitrags von Frau Lander.

    Wenn Frau Lander weismachen möchte, dass Glaube heil macht, dann hätte sie fairerweise auch jene Beispiele nennen können, bei denen dies misslang. Alle ihre heiligen Märtyrer (von denen der überwiegende Teil sowieso legendarisch, also erfunden ist) sind ein Beispiel dafür, dass es misslang. In der Stunde ihres Todes mussten alle diese Menschen erkennen, dass kein Gott und kein Engel zur Hilfe eilt. Wenn Gott seine treuesten Anhänger tatsächlich beschützen würde, gäbe es überhaupt keine Märtyrer.

    Was ist mit Dietrich Bonhoeffer, dem bekannten Theologen, der noch im KZ niederschrieb, er sei „von guten Mächten wunderbar geborgen“? Fester als er kann man nicht glauben. Hat es ihm genützt?

    Natürlich kann man schlankweg behaupten, Bonhoeffer wäre eben bis zum letzten Augenblick „heil“ gewesen, weil er sich keine Sorgen machte und keine Angst hatte. Aber erstens wäre das wenig glaubwürdig, denn wer hätte keine Angst, wenn er sich in einem KZ befände? Und zweitens: Vielleicht wäre Bonhoeffer gar nicht erst in diese Situation geraten, wenn er sich seiner Unverletzlichkeit nicht so sicher gewesen wäre?

    Die Illusion eines „Heils“ kann nützlich sein, da hat Frau Lander womöglich recht. Aber das hat einen Preis, nämlich, dass es auch schädlich sein kann und man es nicht erkennt. Diesen Preis verschweigt Frau Lander, und das ist unredlich.

    Was Frau Lander hier empfiehlt, gleicht weniger einer klugen Lebensführung als vielmehr einer Werbung für Opium: Solange man sich nur benebelt, ist das Leben schön. Ja, ist schön. Aber man ist gleichzeitig benebelt. Soll das ein kluger Rat sein?

    Da wir gestern dem Jahrestag der Judenprogrome gedacht haben: Was ist mit den Juden? Frau Lander verspricht Heil für jene, die fest glauben, und die Juden glaubten fest. Sie glaubten an den, der mit ihnen den Bund geschlossen und ihnen dafür seinen Schutz versprochen hatte. Wo war dieser Schutz, als sie ihn brauchten?

    Hatten die Juden einfach die falsche Religion? Aber woher will Frau Lander wissen, dass es ihr als Christin besser gehen wird als den Juden, wenn sie einst in eine gefährliche Lage kommen sollte? Vielleicht ist sie katholisch, sollte aber orthodox sein? Pech gehabt! Vielleicht ist sie orthodox, sollte aber evangelisch sein? Tja… Oder doch jüdisch?

    Es scheint ohnehin keine Rolle zu spielen, denn: Auch den Millionen Christen, die ihr Leben in den Weltkriegen verloren, nutzte ihr Christsein überhaupt nichts, quer durch alle Konfessionen. Es scheint also keine „richtige“ Konfession zu geben. Sie hofften vergebens, als sie in den Schützengräben um ihr nacktes Leben zitterten.

    Was unterscheidet nun Frau Lander von jenen jüdischen Rabbis, die den Gläubigen jahrhundertelang eingeredet hatten, man solle immer brav beten und den Klerus finanzieren, und dann würde alles gut? Inzwischen wissen wir: Nichts wurde gut. Die Rabbis hatten gelogen. Was ist mit Frau Lander? Warum soll ausgerechnet sie die Wahrheit sagen? Sie sagt genau das gleiche.

    Frau Lander ist womöglich einfach eine der tausenden Heilsversprecher, die mit geschickter Rhetorik die Leute in die Irre leiten und gut davon leben.

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