Gedanken zu: Maria 2.0 – Frauen kämpfen um Priesteramt und Gleichberechtigung in der katholischen Kirche

Lesezeit: ~ 4 Min.

In der katholischen Kirche in Münster streiken diese Woche unter dem Stichwort Maria 2.0 viele Frauen. Wie könnte man diesen Streik aus säkularer Perspektive beurteilen? Ein Gastbeitrag von Jörn.

Maria 2.0Die Forderungen der katholischen Frauen sind gewaltig: Fürstlicher Lohn im Bischofsamt bis ans Lebensende, freie Wahl der Betätigung, kostenlose Dienstwohnung mit Dienstfahrzeug und Fahrer, Zuschläge für Kleidung und Schmuck, sowie das Recht, sich jederzeit in den öffentlich-rechtlichen Medien zu Wort melden zu können (auf deren Kosten natürlich).

Oh, Verzeihung. Das waren ja die alten Forderungen der deutschen Bischöfe. Und sie wurden längst gewährt.

Nein, hier geht es um die schlichte Forderung der Frauen, gleichberechtigt zu sein. Sie beanspruchen kein hohes Gehalt, keine feudale Amtsvilla, keine Badewanne aus griechischem Marmor, keine Flüge erster Klasse zu den Schwestern in Südafrika, keinen persönlichen Schneider und keinen aus der Schweiz berufenen Assistenten zum täglichen Ankleiden ihrer kostbaren Gewänder. Sie wollen nicht einmal einen Leibkoch.

Oder doch?

Bevor wir zu sehr ins Grübeln kommen, was die Forderung nach Gleichberechtigung inhaltlich meint, scheint das eingeforderte Prinzip legitim zu sein. Egal, um welche Privilegien es gehen mag: Frauen und Männer sind prinzipiell gleich zu behandeln. Deswegen können die katholischen Frauen auf die Solidarität und die Unterstützung der säkularen Öffentlichkeit zählen. Das gebietet neben dem Gesetz auch die Rationalität, der gesunde Menschenverstand und die eigene Redlichkeit.

Der Preis

Doch die katholischen Frauen haben sich entschieden, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in welcher Rationalität, Menschenverstand und Redlichkeit nicht viel gelten. Diese Werte wurden mit großem Jubel über Bord geworfen, als ob dafür kein Preis zu zahlen wäre. Für den Glauben waren sie nur toxischer Ballast, der unschädlich gemacht werden musste.

Welche Rolle spielten dabei die katholischen Frauen, die nun streiken? Gehörten sie gar zu jenen, die sich besonders fleißig darin zeigten, andere Leute auf diesem Weg zu ermutigen? Der ehrenamtlich organisierte Kindernachmittag, der Frauentreff, der Liederabend: All das hatte letztlich zum Ziel, sich selbst und andere zu locken, Rationalität, Logik und Zweifel beiseite zu schieben.

Den Preis zahlen sie jetzt. Denn mit welcher Logik wollen die Frauen nun argumentieren, wenn sie zuvor eine Gemeinschaft mitgeformt haben, die logische Argumente ablehnt?

Maria 2.0 und der Unterschied

Die Debatte um die Gleichberechtigung wäre eine gute Gelegenheit, diesen Unsinn zu erkennen. Mal ganz direkt gefragt: Wenn ein Verein zu blöde ist, um selbst simple Fragestellungen wie die der Gleichberechtigung zu lösen — wäre das nicht ein Zeitpunkt, diesen Verein zu verlassen, oder ihn zumindest grundlegend zu verändern? Aber abgesehen von Kleinigkeiten wollen die Frauen keine Veränderung, sondern sie wollen Teilhabe.

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen Veränderung und Teilhabe zu sehen. Denn so wenig wie die verkrustete katholische Kirche strukturell in der Lage ist, die eigenen Irrtümer zu erkennen und zu korrigieren, so wenig sind es die katholischen Frauen mit ihrer Mission Maria 2.0.

Sie mögen bei der Gleichberechtigung zwar richtig liegen. Aber, um eine biblische Redewendung abzuwandeln: Sie bemerken nur den Splitter im Auge. Und nicht den Balken.

Der Balken

Beispielsweise berufen (ab 0:40) sich die katholischen Frauen mit ihrer Aktion Maria 2.0 auf die heilige Jungfrau Maria. Als Beweis dafür, dass Gott den Frauen eine ganz wesentliche Rolle zugedacht hatte.

Aber vielleicht ist das alberne Märchen von der Jungfrau eben genau dies: ein albernes Märchen? Ist es respektabel, wenn erwachsene Leute im Jahr 2019 zum Zwecke der Gleichberechtigung auf eine göttliche Jungfer hinweisen? Ist das ein ernst zu nehmendes Argument?

Natürlich wünscht man den katholischen Frauen die volle Gleichberechtigung. Aber vielleicht wünscht man ihnen zusätzlich, dass sie aufwachen und den ganzen Verein infrage stellen, anstatt sich noch tiefer darin zu verirren.

Privat

Dieses Infragestellen ist nicht nur Privatsache. Ganz im Gegenteil. Tatsächlich besteht ein wesentlicher Teil des Problems darin, dass suggeriert wird, hier handele es sich um eine Privatsache. Natürlich, Glaube ist eine private Angelegenheit. Aber seit wann ist Gleichberechtigung eine private Angelegenheit?

Hier geht es um Grundrechte, die so elementar sind, dass selbst der Deutsche Bundestag als oberster Souverän sie nicht abschaffen kann. Die Kirchen verwerfen sie im Handstreich. Irgendwas stimmt doch hier nicht?

Popcorn

Die unterhaltsame Pointe dieses „Frauenaufstandes“ Maria 2.0 liegt doch darin, dass es einerseits um ein Recht geht, welches allen Frauen in Deutschland ganz selbstverständlich zusteht; dass aber andererseits dieses Recht von einer mächtigen „Parallel-Regierung“ mit verblüffender Chuzpe ignoriert wird; und dass wir alle mit einer Tüte Popcorn vor dem Fernseher verfolgen können, wie das berechtigte Anliegen der Frauen an dieser Ignoranz zerschellt.

Selbst Parteien, die sonst jede Gelegenheit ergreifen, sich als Anwalt der Unterdrückten darzustellen, schweigen in vorauseilendem Gehorsam. Und das wissen wir alle vorher. Es ist wie der Spielfilm über die Titanic: Man weiß schon vorher, wie es ausgehen wird – aber genau das macht es so dramatisch.

Politik

Es ist leicht zu sehen, was hier nicht stimmt: Der Staat lässt sich von den Kirchen an der Nase herumführen. Die Kirchen mögen gesetzlich einen gewissen Spielraum für eigene Regelungen bekommen haben. Aber damit kann doch nicht gemeint sein, dass sie schlankerhand unsere garantierten Grundrechte außer Kraft setzen?

Warum sagt (ab 1:02) der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, man brauche keinen Streik, sondern einen Dialog? – Entschuldigung, aber mit wem will er denn in einen Dialog treten? Etwa mit ein paar Frauen in Münster? Oder mit dem Staat?

  • Der Staat muss sich nicht auf langatmige Debatten einlassen. Grundrechte werden nicht debattiert, sondern durchgesetzt. Es herrscht Gleichberechtigung, Ende.
  • Und den Frauen in Münster kann völlig einerlei sein, was irgendwo debattiert wird oder was die Bischofskonferenz davon hält. Ihre Rechte hängen davon nicht ab. Eben dies zeichnet Rechte aus: Sie sind nicht abhängig vom Wohlwollen einer Bischofskonferenz. Frauen sind selbst dann gleichberechtigt, wenn die gesamte katholische Kirche dagegen sein sollte.

Nun, offensichtlich sind sie es nicht. Der Staat nimmt hier Rücksicht auf das mittelalterliche Weltbild ein paar alter Bischöfe. Aber er verscherbelt dafür die Grundrechte von Bürgern, die dazu kein Einverständnis gegeben haben.

Popanz

Es wäre falsch, Rücksicht zu nehmen auf die altertümliche Tradition der katholischen Kirche. Denn die katholische Kirche hat sich ethisch so weit heruntergewirtschaftet, dass sie sich nicht einmal imstande sieht, die liberale und freiheitliche Grundordnung in Deutschland einzuhalten.

Es mag vielleicht eine Außenseitermeinung sein, aber ich vertrete die Ansicht, wer sich nicht an unsere simpelsten Grundwerte halten kann, der soll halt seine Koffer packen und gehen. Jedenfalls sehe ich keinen Anlass, warum sich der Staat an dieser Stelle herunterhandeln lassen soll. Warum bestimmt irgendein italienischer Bischof, welche Rechte unsere Frauen in Deutschland haben?

– Jörn

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