Was zunächst wie ein Aprilscherz der osthessischen Lokalpresse aussieht, ist tatsächlich wahr: In Fulda wurden die Ampelmännchen im Bereich des Fuldaer Doms durch Bonifatius-Ampeln mit Darstellungen des Stadt-Patrons ersetzt.
Darum geht es
Die Bonifatius-Ampeln in Fulda können zur mahnenden Erinnerung an religiös motivierte Zerstörungswut und an religiös motivierte Intoleranz dienen. Und zur Erinnerung daran, endlich aus der Kirche auszutreten.
Bei Rot streckt das Männchen in Frauenkleidern den Fußgängern warnend ein Kreuz entgegen. Und bei Grün leuchtet es rennend und den Bischofsstab schwingend auf.
Bonifatius-Ampel: Erinnerung an religiös motiviertes Verbrechen
Ich halte diese Aktion für einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung. Darüber, dass die Christianisierung Europas eine alles andere als friedliche Angelegenheit war.
Der Legende zufolge war es Winfried, der unter dem Namen Bonifatius als Missionar im Sommer des Jahres 723 ein weiteres Kapitel zur Kriminalgeschichte des Christentums beisteuerte.
Als Missionar scheint Bonifatius nicht sonderlich erfolgreich gewesen zu sein. Denn offenbar waren nicht so viele Germanen wie erwartet bereit, ihren eigenen Glauben aufzugeben. Und sich stattdessen der christlichen Herde anzuschließen.
Deshalb, so berichtet die Legende, sah sich Bonifatius gezwungen, zu drastischeren Mitteln zu greifen.
Um den „Heiden“ zu zeigen, dass ihre Götter weniger mächtig waren als sein Gott, wählte Bonifatius eine Methode, die heute noch zur Verbreitung religiöser und anderer Ideologien zum Einsatz kommt: Er zerstörte das Heiligtum der Germanen. Indem er mit militärischer Rückendeckung die Donar-Eiche in der Nähe der Stadt Geismar fällte.
Das Wirken von Bonifatius wird besonders in Fulda als historisch und kulturell höchst bedeutsam und ehrenswert verklärt dargestellt. Es gibt das Bonifatiusgrab in der Bonifatiusgruft, den Bonifatiussegen, das Bonifatius-Musical… Und jetzt auch die Bonifatius-Ampel.
Zerstörung von Kultstätten ist international geächtet – und ein Armutszeugnis
Was ich bis jetzt in diesem Zusammenhang allerdings noch nirgends gehört oder gelesen habe:
Objektiv betrachtet steht die Baumfäll-Aktion von Bonifatius auf einer Stufe mit Verbrechen des so genannten IS. Neben unzähligen anderen Gewalttaten zerstörten deren Terroristen in den letzten Jahren auch zahlreiche Tempel, Kultstätten und Kunstwerke anderer Religionen und Kulturen – zum Teil unwiederbringlich. Darunter auch Bau- und Kunstwerke, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden waren.
Die vorsätzliche Zerstörung von Kultstätten anderer Religionen stellt heute einen verachtenswerten und zu Recht international geächteten Akt der Gewalt dar.
Ein weiterer Aspekt: Wer ein solches Vorgehen zur Verbreitung seiner Ideologie nötig hat, entlarvt damit seine Intoleranz Andersgläubigen gegen über. Und er entlarvt die Schwäche seiner eigenen Ideologie. Damals wie heute.
Im Fall von Bonifatius mussten fränkische Soldaten den Missionar vor den aufgebrachten Germanen schützen, damit dieser ungestört deren Kultstätte zerstören konnte. Trotzdem war der unwillkommene Gast später von vermutlich konvertierungsunwilligen „Heiden“ umgebracht worden. Somit wurde der britische Missionar also selbst Opfer von religiös motivierter Gewalt.
Religionen verbreite(te)n sich hauptsächlich durch Gewalt – nicht weil sie wahrer oder beliebter sind
Für die Frage, wer heute wo auf der Welt an welche Götter glaubt, spielt der Inhalt der Glaubenslehre praktisch keine Rolle.
Die Verbreitung speziell der monotheistischen Religionen und vergleichbaren Ideologien erfolgt(e) zum allergrößten Teil durch Zwang und Gewalt. Oder zumindest in Verbindung mit politischen Entscheidungen.
Um das erkennen zu können, muss man nur eine Landkarte, auf der die jeweils vorherrschenden Glaubenszugehörigkeiten eingezeichnet sind mit den historischen Ereignissen in Verbindung bringen. So kann man dann auch nachvollziehen, warum manchmal nur ein einziger Ort oder eine scharf abgegrenzte Region zum Beispiel evangelisch „ist“, während die Bevölkerung im Umland der katholischen Herde angehört. Oder umgekehrt.
Eine Region wurde nicht „christlich“, weil die Menschen hier plötzlich in großen Scharen vom biblisch-christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzept so begeistert gewesen wären. Sondern zum Beispiel dadurch, dass ihr Stammesfürst, zumeist ebenfalls wieder aus politischem Kalkül, zum Christentum gewechselt war.
Politisch und aus Sicht des Machthabers gesehen zumeist wohl eine kluge Entscheidung. Weil sich die biblisch-christliche Ideologie nun mal perfekt zur Durchsetzung und Legitimierung eigener, ganz weltlicher Machtansprüche eignet. Was sie immer wieder erschreckend deutlich unter Beweis gestellt hat und bis heute stellt. Ganz aktuell zum Beispiel in Brasilien und Chile, aber auch in Europa, zum Beispiel in Polen.
Fazit
Die mittelalterliche Missionierung Europas durch das Christentum war eine alles andere als friedliche Angelegenheit. Und an einen solchen, überlieferterweise gewalttätigen Missionar erinnert jetzt also die Stadt Fulda mit den Bonifatius-Ampeln.
So gesehen können die Bonifatius-Ampeln in Fulda zur mahnenden Erinnerung an religiös motivierte Zerstörungswut und an religiös motivierte Intoleranz dienen.
Und darüber hinaus können die Bonifatius-Ampeln in Fulda auch immer wieder daran erinnern, endlich die christliche Herde zu verlassen, falls noch nicht geschehen.
Das ist sehr interessant; ich wusste nicht, dass die Bonifatius-Geschichte so eng mit Fulda verknüpft ist. Vor allem hatte ich angenommen, dass von Seiten der Kirchen ein gewisses Interesse besteht, diese Geschichte möglichst nicht mehr in Erinnerung zu rufen.
Aber weit gefehlt! Der 5. Juni ist anscheinend ein offizieller Gedenktag sowohl für Katholiken als auch für Protestanten.
Es erinnert mich teilweise an die Luther-Verehrung. Hierbei bestehen die Protestanten stur darauf, dass Luther der beste und großartigste aller Menschen war, und sie wollen gegenteilige Fakten nicht hören. Ebenso will die Stadt Fulda nicht wahrhaben, dass sie sich mit einer höchst zweifelhaften Gestalt verknüpfen, die man besser rasch vergessen sollte. Aber Tourismus ist eben Tourismus…
Man stelle sich heutzutage vor, Bischof Overbeck („Homosexulität ist eine Sünde, das wissen Sie ganz genau!“) würde unter großem Presserummel und bewacht vom Militär eine alte knarzige Eiche fällen, weil diese einem falschen Gott geweiht wurde. Wer so einen Mumpitz zum Feiertag erklären möchte, bitte schön… wir sind ja tolerant. (Tolerant, aber nicht doof.)