Krieg mit Worten – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Hass

Lesezeit: ~ 11 Min.

Krieg mit Worten – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Hass-Botschaften, verkündigt von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 25.10.2019 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Pastor Rommert rät: Hass-Botschaften nicht einfach glauben, sondern ignorieren oder hinterfragen! Glauben solle man nur, dass das Gute über das Böse siegt.

Wenn ich als Pastor ein „Wort zum Sonntag“ spreche, dann bekomme ich hinterher oft unschöne E-Mails: „Ich wünsche Sie in die Hölle!“, schreibt mir jemand, oder: „Sollte es einen Gott geben, würde er sicherlich mit einem Blitz solches Bodenpersonal wie Sie zerschmettern.“
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag, verkündigt von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 25.10.2019 von ARD/daserste.de)

Hier müsste man erstmal wissen, was denn die Absender dazu gebracht hat, solche absurden Drohungen per Mail zu verschicken. Auf welche Aussagen des Fernsehpfarrers beziehen sich diese Leute? Wie begründen Sie ihre Verwünschungen?

Bei dieser Fragestellung geht es nicht darum, Hate speech zu rechtfertigen oder zu relativieren. Sondern darum, dass solche Androhungen ohne irgendeinen Kontext noch unsinniger erscheinen als wenn man wüsste, worum es hier eigentlich gehen soll.

Paradox: Einen Pfarrer in die Hölle wünschen

HölleAusgerechnet mit typisch biblischen Drohungen einen Berufsgläubigen zu beleidigen, entbehrt freilich nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik:

Höllenqualen sind gemäß biblisch-christlicher Mythologie für jene vorgesehen, die eben nicht an den lieben Gott aus der Bibel glauben. Etwas, das man einem, der sein Geld mit der Verbreitung der christlichen Lehre verdient, ja wohl kaum vorwerfen kann.

Wenn jemand, der an der Existenz eines Gottes zweifelt, jemandem wünscht, dieser Gott möge einen Gläubigen mit einem Blitz zerschmettern, dann ist das in etwa so grotesk, wie wenn ein Gläubiger zum Glaubensfreien sagt: „Ich bete für dich.“

Oder umgekehrt: Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen.

Abgrundtiefer Hass – sauber biblisch legitimiert

So ein abgrundtiefer Hass bringt mich als Christ in innere Schwierigkeiten. Eigentlich glaube ich, dass jeder Mensch ein Abbild des guten Gottes ist. Etwas Gutes in sich trägt! Bei all diesem Hass denk ich manchmal, dass der Mensch auch alles Gute und Göttliche in sich verlieren kann.

MemeAber Herr Rommert, das ist doch kein Grund zur christlichen Beunruhigung. Der liebe Gott, der, an den Sie glauben und den Sie verkünden, wird in der biblischen Mythologie als ein verlässlicher und wirkmächtiger Partner beschrieben, wenn es um abgrundtiefen Hass geht:

  1. Ich will meinen Feinden nachjagen und sie vertilgen und nicht umkehren, bis ich sie umgebracht habe.
  2. Ich bringe sie um und zerschmettere sie, dass sie nicht mehr aufstehen können und unter meine Füße fallen.
  3. Du gürtest mich mit Stärke zum Streit; du kannst mir unterwerfen, die sich gegen mich erheben.
  4. Meiner Feinde Nacken gibst du mir preis, dass ich vernichte, die mich hassen.
  5. Sie sehen sich um – aber da ist kein Helfer – nach dem HERRN, aber er antwortet ihnen nicht.
  6. Ich will sie zerstoßen wie Staub der Erde, wie Kot auf der Gasse will ich sie zerstäuben und zertreten.
    (2. Samuel 22, 38-43 LUT)

Sollten Sie sich also gelegentlich mal ausmalen wollen, wie Sie Ihre Feinde wie Kot auf der Gasse zerstäuben und zertreten, dann können Sie auf göttliche Unterstützung hoffen, Herr Rommert.  Und diese Hoffnung mit praktisch beliebig vermehrbaren Textstellen biblisch begründen. Hieb- und Stichfest, sozusagen.

Hass: Problematisch aus menschlicher Sicht – aus christlicher nicht unbedingt

Es mag natürlich sein, dass Hassäußerungen Sie als Mensch in „innere Schwierigkeiten“ bringen.

Für einen Christ, der sich an der biblischen Mythologie orientiert, muss Hass hingegen überhaupt kein Problem sein:

  • Das Alte Testament trieft förmlich vor abgrundtiefem Hass in allen nur erdenklichen Formen und Ausprägungen. Da wird gehasst, was das Zeug hält. Und es bleibt nicht bei bloßen Hassphantasien: FSK18 reicht da längst nicht aus…
  • Im Neuen Testament wird der Hass durch die Einführung des Konzeptes der ewigen Folterhölle gar zur göttlichen Chefsache erklärt und ins Jenseits verlagert.

Im Namen und vermeintlichen Auftrag des lieben Gottes aus der Bibel wurde in den letzten paar tausend Jahren vermutlich mehr, gründlicher und leidenschaftlicher und folgenschwerer gehasst als im Namen irgendeines anderen Gottes.

Wenn auch das Ausmaß des christlich begründeten Hasses dank Aufklärung, Säkularisierung und Entmachtung der Kirche heute sicher nicht mehr mit früher vergleichbar ist,  funktioniert die biblisch-christliche Legitimierung von Hass bei Bedarf natürlich auch heute noch. Wie religiös-fundamentalistische Spinner und deren Fans täglich beweisen.

Pfaffenprügel

Wenn mir geschrieben wird: „Ihr Pfaffen seid doch alle Kinderschänder!“ – dann ist das die übliche Pfaffenprügel. Und selbst die reicht mir manchmal schon, sie gräbt sich in meine Seele.

Herr Rommert, einem solchen Pauschal-Vorwurf könnten Sie ganz einfach zum Beispiel so entgegnen:

  • „Nein, wir Pfaffen sind nicht alle Kinderschänder. Ich zum Beispiel bin Pfaffe, aber kein Kinderschänder. Trotzdem kann ich gut verstehen, dass Sie sich über die klerikalen Sexualverbrechen und den verachtenswerten Umgang der christlichen Kirchen damit genauso empören wie ich. Mir geht es nämlich genauso, und deshalb habe ich folgende Maßnahmen ergriffen, um mein Verbleiben in und Arbeiten für diese Kirche auch weiterhin mit meinem Gewissen vereinbaren zu können: …“

An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass eine Unterstellung von Hass in Form von Verallgemeinerungen („Pfaffenprügel“, „Nazikeule“,…) auch oft als Strohmann-Argument zum Einsatz kommt. Um sich mit tatsächlich gerechtfertigter und argumentativ begründeter Kritik nicht auseinandersetzen zu müssen.

Hass-Vorwurf als Strohmann-Argument

StrohmannDa staunt man dann nicht schlecht, wenn man sich zum Beispiel mal kritisch über Glaube, Kirche oder Religion äußert und plötzlich unterstellt bekommt, der Grund für diese Kritik könne ja nur „Hass auf Gott“ sein.

Aus Sicht eines Gläubigen ist die Lage freilich sonnenklar: Er, der Gläubige, vertritt das Gute. Ich, der Glaubensfreie, der seine religiöse Phantasievorstellungen nicht teilt oder der das Gebaren seines Kirchenkonzerns nicht gutheißt, muss demzufolge auf der Seite des „Bösen“ stehen.

Religionen sind prädestiniert für solche Vereinfachungen und Verallgemeinerungen:

  • Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. (Matthäus 12,30 LUT)

Und fertig ist die christlich verkürzte Weltsicht.

Populismus und (monotheistische) Religionen harmonieren nicht zuletzt deshalb so perfekt miteinander, weil sie sich der gleichen Werkzeuge und manipulativen Techniken bedienen.

Drohende Vergiftung mit Worten

[…] Strafbehörden einschalten, Anzeige erstatten. Das ist die rechtliche Seite. Aber die andere Seite ist es, die drohende Vergiftung unserer Seelen nicht zuzulassen. Sie geschieht auch mit Worten… Die vielleicht nicht gleich ein Fall für die Justiz sind. Manche Menschen loten das rechtlich Mögliche aus. Sie wissen, was gerade noch so erlaubt ist. Und sie vergiften unsere Gesellschaft. Wie gehen wir damit um?

Herr Rommert, ist Ihnen wirklich nicht bewusst, dass Sie sich mit Ihrem sicher unterstützenswertem Appell ein Eigentor schießen?

Wo kommt denn das Konzept der Hölle her? Wo werden denn Menschen (gerne auch schon Kinder, zur Bestrafung ihrer Eltern) zerschmettert?

Und in wessen „Heiliger Schrift“ wurden und werden diese archaischen Hassbotschaften und Rachephantasien bis in die Gegenwart konserviert und weitertransportiert?

Somit stehen diese Worte bei Bedarf jederzeit jenen bereit, die damit unsere Gesellschaft vergiften.

Wie gehen Sie damit um, Herr Rommert?

Was so alles in der Bibel steht…

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Das steht in meiner Bibel.

Wort GottesWenige Zeilen darüber finden Sie in Ihrer Bibel auch die Begründung, warum Sie sich so verhalten sollten:

  • Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« (Römer 12,19 LUT)

Den lieben Gott dürstet nach Rache und Vergeltung. Und deshalb mögen seine Anhänger hienieden gefälligst darauf verzichten. Wenn das mal kein gewichtiges Argument ist, sich mitmenschlich und respektvoll zu verhalten…!?

Nein, ist es natürlich nicht.

Die biblischen Friedensappelle gehen von dem festen Vertrauen auf das vermeintliche göttliche Versprechen aus, dass der verehrte Gott himself dereinst gnadenlos für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen wird.

Zu untersuchen wäre an dieser Stelle auch noch, was hier überhaupt mit „das Böse“ und „das Gute“ gemeint sein soll. Oder auch, an wen dieser Appell gerichtet war. Und an wen nicht.

Innerlich verletzt: Ich lösche.

Und jetzt müsste ich eigentlich dem Menschen, der mich in die Hölle schicken wollte, und der mich damit innerlich verletzt… ja, was müsste ich eigentlich? Normalerweise sperre ich, wenn jemand etwas Menschenverachtendes postet, sofort den Kontakt in den sozialen Medien. Ich kommentiere das auch nicht mehr. Ich diskutiere nicht mehr. Ich lösche.

Herr Rommert, welchen Umgang empfehlen Sie mit Leuten wie Ihnen? Die mir als gottlos glücklichem Menschen zwar vermutlich persönlich kein Leid wünschen und die aber eine Glaubenslehre vertreten, laut deren höchster Instanz ich dereinst wegen meiner Glaubensfreiheit mit zeitlich unbegrenzten physischen und psychischen Höllenqualen bei vollem Bewusstsein dauerbestraft werde?

Und das ist nicht etwa nur in erzkatholischen, evangelikalen oder sonstwie fundamentalistischen Auslegungen der biblischen Mythologie so vorgesehen.

Im „Augsburger Bekenntnis“, das für die evangelische Kirche bis heute gültigt ist, steht:

  • ARTIKEL 17: VON DER WIEDERKUNFT CHRISTI ZUM GERICHT
    Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tag kommen wird, um zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude zu geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und zur ewigen Strafe verdammen wird.
    Deshalb werden die verworfen, die lehren, daß die Teufel und die verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.
    (Quelle: evangelisch.de: Augsburger Bekenntnis (1530))

Hölle, Hölle, Hölle…

HöllenqualenHerr Rommert, ich vermute mal, dass Sie sich der gängigen Bewältigungsstrategien bedienen würden, wenn Sie mir erklären wollen würden, warum Sie mich, entgegen der an dieser Stelle mal erstaunlich unmissverständlichen biblischen und theologischen Aussage, wegen meiner Glaubensfreiheit doch nicht in die Hölle schicken möchten.

Vielleicht halten Sie das Konzept der Hölle genauso wie ich für nichts weiter als ein rein menschliches Phantasieprodukt. Ein Druck- und Drohmittel. Erfunden, um Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.

Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals auch nur eine Silbe von Ihnen vernommen zu haben, in der Sie den Bestrafungsaspekt der biblisch-christlichen Lehre auch nur ansatzweise angedeutet hätten.

Pastor, we have a problem…

Auch wenn Sie persönlich mir wegen meiner Glaubensfreiheit also wahrscheinlich nicht die in der von Ihnen propagierten Religion für solche Fälle vorgesehene Höllen-Dauerfolter wünschen und auch, wenn ich dieses endlose Höllen-KZ für nichts weiter als reichlich perfide, aber 100% menschliche Fiktion halte, so habe ich trotzdem Probleme damit:

Denn längst nicht alle Vertreter des Christentums sehen das so harm- und bedeutungslos wie ein durchschnittlicher aufgeklärter Mainstreamchrist. Für Christen, die die biblische Grundlage ihres Glaubens vollumfänglich anerkennen, ist die Hölle ein realer Ort. Etwas, wo Menschen in einem empfindungsfähigen Zustand tatsächlich zeitlich unbegrenzt gequält und dauergefoltert werden. Für das „Vergehen“, sich zu Lebzeiten nicht dem richtigen Gott unterworfen zu haben.

Und die Leute, die das glauben, profitieren eben auch von Ihrem, im Grunde unverfänglichen und in vielen Punkten sicher zustimmenswürdigen „Wort zum Sonntag“, Herr Rommert. Davon, dass Sie diese, im unverbogenen, unkastrierten Zustand höchst unmoralische und unmenschliche biblisch-christliche Ideologie künstlich am Leben erhalten. Obwohl Sie für Ihre eigentliche Aussage einen religiösen Bezug überhaupt nicht bräuchten. Im Gegenteil: Dieser erscheint fast schon wie ein Makel, den es in der eigentlichen Botschaft notgedrungen irgendwie unterzubringen gilt. Weil das „Wort zum Sonntag“ nun mal eine kirchliche Verkündigungssendung ist.

Ein weiteres Problem habe ich damit, dass auch ich über meine Steuerzahlungen eine Institution mitfinanzieren muss, die eine Lehre verbreitet, nach der ich unvorstellbar brutal und grausam dafür bestraft werden soll, dass ich mich ihrem Gott nicht unterwerfen möchte.

Höllendrohungen per E-Mail

Egal, wie sehr sich Heerscharen von Theologen auch bemühten und bemühen: Ohne den Bestrafungsaspekt funktioniert das ganze biblisch-christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept nicht mehr.

Aber dieses Mal wurde ich per E-Mail in die Hölle gewünscht. Unterschrieben mit vollem Namen.

Herr Rommert, Sie stellen sich ja auch mit vollem Namen und unmaskiert vor eine Fernsehkamera und bewerben eine Ideologie, nach der zum Beispiel ich nicht nur in die Hölle gewünscht, sondern tatsächlich auch dereinst verbracht werde. Zumal Sie das alles ja auch noch tatsächlich für wahr halten (müssten).

Wie gehen Sie damit um? Ist Ihnen das Hasspotential bewusst, das die von Ihnen vertretene Religion in sich birgt? Trotz Reformation, Aufklärung und Säkularisierung?

Der Erkenntnis- und Entwicklungsstand eines vergleichsweise primitiven Wüstenvölkchens aus der ausgehenden Bronze- und Eisenzeit, festgeschrieben in Ihrer „Heiligen Schrift“: Wen wollen Sie damit überzeugen? Und mit welchen Argumenten eigentlich?

Jenseits von Gut und Böse

Das Böse mit Gutem überwinden?

Allein schon nur der Umstand, dass die Begriffe „Böse“ und „Gut“ quasi beliebig bis hin zu „komplett umgekehrt“ definiert werden können, hat schon zu unvorstellbar viel Leid geführt.

Zu dieser Problematik empfiehlt sich die Lektüre des Buches „Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Meschen sind“ von Michael Schmidt-Salomon.

Herr Rommert berichtet nun, dass es ihm mal gelungen sei, einem seiner Hater durch Nachfrage doch noch eine argumentative Begründung dessen Hasses zu entlocken.

Zumindest hier hat es geholfen, nicht zurückzuhassen. Und stattdessen über die Wut zu reden. Hier hat es geholfen, dem E-Mail-Schreiber seinen Hass nicht zu glauben, sondern nachzufragen.

Komischerweise wird in der Bibel genau dazu aufgerufen, wovor Herr Rommert mit seiner Schilderung abrät:

Pro-Tipp: Nicht nur in Bezug auf Hass, sondern generell hilft es, nicht zu glauben, sondern nachzufragen.

Weil die Methode des Glaubens im religiösen Sinn (eine Behauptung ohne Beweise und zur Not auch wider besseres Wissen einfach so als wahr zu akzeptieren) nun mal unbrauchbar ist, wenn es um verlässliche und brauchbare Ergebnisse geht. Glauben kann man alles Beliebige. Und das genaue Gegenteil davon.

Kein kleines Wunder. Gesprächstechnik.

Und hier geschah ein kleines Wunder: dass sich nämlich das Böse mit Gutem überwinden lässt.

HassWozu diese Mystifizierung? Die religiöse Vernebelung, die Überhöhung und Verzierung mit biblischen Wortgirlanden?

Da hat jemand eine absurde, fast schon wieder drollige Höllendrohung rausgehauen und dann auf eine sachliche Nachfrage hin offenbar doch noch eine Erklärung dessen nachgeliefert, was der Grund für seine Hassmail war.

Vernünftig miteinander zu reden, kritisch statt beleidigt nachzufragen und Dingen auf den Grund zu gehen hat nichts mit Wundern zu tun.

Gesprächstechnik kann man erlernen und trainieren.

Und wenn das Böse böse bleibt? Dann: wegklicken, löschen, nicht kommentieren und natürlich strafrechtlich verfolgen.

Für eine strafrechtliche Verfolgung ist „böse“ kein Kriterium. Sowohl was unsere Gesetze, als auch unsere ethischen Standards hierzulande und heutzutage betrifft, sind wir schon viel weiter als der biblisch-archaische „Gut-Böse“-Dualismus.

Das Böse wegklicken

„Gut“ und „Böse“ spielen heute eigentlich nur noch in der Unterhaltungsliteratur (bevorzugt für Western- und Phantasyromane) oder in Science Fiction-Plots eine Rolle. Und natürlich für Religionen. Die sich anmaßen, dank ihres angeblich heißen Drahtes zu ihren Göttern immer genau festlegen zu können, was denn jetzt „Gut“ und was „Böse“ konkret sein soll.

Ich stimme Herrn Rommert zu, dass man seine kostbare und einmalige Lebenszeit nicht zwangsläufig damit verbringen muss, sich mit Zeitgenossen auseinander zu setzen, denen es vorrangig darum  geht, Menschen zu beleidigen.

Interessanterweise sind es zumeist genau die Zeitgenossen, die ihrerseits felsenfest und unbeirrbar davon überzeugt sind, selbstverständlich auf der Seite der „Guten“ gegen das zu kämpfen, was sie für „das Böse“ halten.

Eine Schwarz-Weiß-Einteilung in „Gut“ und „Böse“ stellt, gerade in Anbetracht der Komplexität gegenwärtiger Themen eine zumeist ungültige, in der Regel aber immer unbrauchbare Vereinfachung dar. Und zwar völlig unabhängig davon, was denn nun was sein soll.

Vereinfachungen: Nur glauben, wenn sie von mir kommen

Druck im KesselGeradezu paradox: Einerseits legt Herr Rommert dar, dass erst eine differenzierte, sachliche Auseinandersetzung zur Klärung der Ursachen der Hassbotschaft geführt hatte. Und andererseits pauschalisiert er seinerseits, indem er seinen Gesprächserfolg in typisch biblischem Duktus als Sieg des Guten über das Böse verkauft.

Was mir in Herrn Rommerts Ausführungen fehlt, ist ein Hinweis, dass Wegklicken zwar sicher eine legitime Möglichkeit im Umgang mit persönlich adressierten Hassbotschaften ist. Allerdings sind die Ursachen, die jemanden dazu gebracht haben, diese Botschaft abzuschicken damit freilich noch nicht bekannt oder gar behoben.

Die Praxis des Ignorierens von Unzufriedenheit (ob gerechtfertigt oder nicht) kann mittel- und langfristig dazu führen, dass der „Druck im Kessel“ ansteigt.

Wer sich nicht zumindest ernsthaft gehört, nicht verstanden fühlt, der wird umso anfälliger für die Versprechungen der Populisten, die genau diese Situation für ihre Zwecke nutzen.

Populisten verstärken das Gefühl der Machtlosigkeit, schüren diffuse Ängste und sprechen die wildesten Drohungen aus. All das findet sich genauso im biblisch-christlichen Portfolio.

Sinnvoller Umgang mit Hass-Botschaften

StreitenUm ein Phänomen wie Hate Speech verstehen zu können, ist es nicht unbedingt erforderlich, sich mit allen Absendern aller Hass-Botschaften persönlich auseinander zu setzen. Genauso, wie es nicht erforderlich ist, jeden Tweet von Donald Trump mitzuverfolgen. Sinnvoller und vor allem Zeit- und Nervenschonender ist es, sich durch entsprechend tiefgehende Lektüre ein möglichst objektives Bild von den Ursachen, Zusammenhängen und Folgen solcher Phänomene zu machen:

Wie und wodurch hat sich die Gesprächskultur in den letzten Jahren verändert? Was hat zur Verrohung der Sprache geführt? Welche Rolle spielen die sozialen Medien, welche die Politik? Und natürlich auch: Wie sollte ein respektvoller Diskurs auch bei gegensätzlichen Standpunkten ablaufen? Was kann man selbst zu einer solchen Streitkultur aktiv beitragen?

Und besonders im Alltag, in der Verwandtschaft, im Freundeskreis, in der Öffentlichkeit – wo immer diese Worte fallen, die uns innerlich zu vergiften drohen: dann widersprechen, die Verrohung anprangern und trotz allem am Glauben festhalten, dass sich das Böse mit dem Gutem überwinden lässt!

Nanu? Herr Rommert, erst warnen Sie davor, Hassbotschaften einfach zu glauben. Weil die ja böse sind. Geht es aber um etwas, das Sie für „das Gute“ halten, dann soll man am Glauben daran festhalten?

Das ergibt meines Erachtens keinen Sinn. Denn auf die Argumente kommt es an. Unabhängig davon, was für ein Etikett jemand drangeklebt hat. Und auch unabhängig davon, was jemand glaubt.

Ergebnis: 10:0 durch Eigentore

Für mich war dieses „Wort zum Sonntag“ eine der in sich widersprüchlichsten Fernsehpredigten, die ich bisher kommentiert habe. Nur selten wurde die Irrelevanz und Unbrauchbarkeit des archaisch-dualistischen Gut-Böse-Denkens aus der biblischen Mythologie in Bezug auf gesellschaftliche oder politische Themen der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert so offensichtlich erkennbar wie diesmal.

Herr Rommert bringt es fertig, gleichzeitig sowohl die Untauglichkeit der Methode des Glaubens aufzuzeigen. Während er quasi im gleichen Atemzug dazu aufruft, doch bitte trotzdem an eben dieser Methode festzuhalten. Dass sich die plumpe Argumentation: Glaubt nicht dem Bösen, sondern glaubt mir, ich gehöre zu den Guten! problemlos auch einfach umkehren lässt, scheint ihm nicht bewusst zu sein.

Er spricht sich gegen unzulässige Verallgemeinerungen und Vereinfachungen aus, zu denen ja auch Hassbotschaften gehören. Gleichzeitig reduziert er seinen eigenen, erfolgreichen, weil differenzierten Umgang mit Hass am Schluss wieder auf einen Glauben an das biblische Gut-Böse-Schema.

Dass in der biblisch-christlichen Glaubenslehre eine differenzierte Betrachtung von komplexen Zusammenhängen und Hintergründen eben gerade nicht vorgesehen ist, scheint ihm gar nicht aufzufallen.

Hätte es sich beim heutigen „Wort zum Sonntag“ um ein Fußballspiel gehandelt, dann würde das Ergebnis wohl lauten: 10:0 durch Eigentore.

 

 

 

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3 Gedanken zu „Krieg mit Worten – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Hass“

  1. Offener Brief an Herrn Rommert:

    Guten Tag Herr Rommert,

    einige völlig hassfreie, aber kritische Gedanken zu Ihrem letzten „Wort zum Sonntag“ habe ich hier veröffentlicht:

    https://www.awq.de/2019/10/krieg-mit-worten-das-wort-zum-wort-zum-sonntag-thema-hass/

    Wie immer würden mich Ihre Gedanken dazu interessieren. Ihre Fernsehpredigt wirft etliche Fragen auf, zum Beispiel:

    • Wenn Sie darauf hinweisen, dass Sie es als zielführend erlebt haben, im Umgang mit Hassbotschaften auf den Glauben daran zu verzichten und stattdessen durch kritisches Hinterfragen weitergekommen sind, wieso raten Sie dann zur Methode des Glaubens, wenn es um den Sieg des „Guten“ über das „Böse“ geht? Glauben kann man alles Beliebige und das Gegenteil und deshalb kann doch gerade Glaube kein Kriterium für „Gut“ und „Böse“ sein?
    • Wie bewältigen Sie den Umstand, dass auch in der biblisch-christlichen Verkündigung jede Menge Hass enthalten ist? Ich denke hier vor allem an die biblische Mythologie, aber auch zum Beispiel an den Artikel 17 des Augsburger Bekenntnisses.
    • Gibt es nicht bessere Argumente, mit denen man Menschen dazu auffordern kann, auf Hass zu verzichten, als jenes, das die Bibel zu bieten hat, nämlich dass man deshalb freundlich zu sein habe, weil Gott Raum für seinen Zorn braucht? Wozu dann noch der Rückgriff auf die biblische Mythologie?

    Über eine Antwort (privat per E-Mail oder auch gerne in Form eines öffentlichen Kommentares auf der Webeseite) freue ich mich auch diesmal wieder und bedanke mich schon jetzt dafür.

    Viele Grüße und einen erholsamen Sonntag.

    Antworten
  2. Pastor Rommert scheint irgendwie entgangen zu sein, dass sich menschenverachtende Hasspredigen und deren schwungvolle Umsetzung als roter und bestimmender Faden durch die Geschichte der Religionen ziehen. Ein klassisches und allgemein bekanntes Beispiel ist der traditionelle Judenhass im Christentum – bei Katholiken und Protestanten.

    Ein Grund von mehreren für die schreckliche Wirksamkeit religiösen Hasses besteht genau in dessen abgrundtiefer Verwurzelung im Irrationalen, die gegen vernünftige Argumentation und Kritik immunisiert. Warum angesichts dieser Zusammenhänge Herr Rommert daran glaubt, dass ein Appell an religiösen Glauben geeignet sein könnte, diesem Hass wirkungsvoll und dauerhaft entgegenzutreten ist für mich nicht nachvollziehbar. Für Herrn Rommert wohl auch nicht – sonst hätte er vermutlich dazu etwas gesagt.

    Es mag ja angehen, im WzS zu irgendwelchen banalen und belanglosen Themen christliche Wohlfühlatmosphäre zu predigen – aber in Bezug auf das durchaus ernste Thema Hass sind Herrn Rommerts Ausführungen als kindisch, inhaltlich daneben und moralisch verantwortungslos einzuordnen.

    Antworten

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