Schatz aus der Vergangenheit – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Schatz aus der Vergangenheit – Das Wort zum Wort zum Sonntag, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 16.11.2019

Darum geht es

Herr Rommert legt in Sachen Mythenbildung zur Rolle des Glaubens für den Mauerfall noch eine Schippe drauf.

Im letzten „Wort zum Sonntag“ hatte Frau Sobottke versucht, ihren Beitrag zur Pflege des Narratives „Die Kirche / der Glaube / der liebe Gott hat das friedliche Ende der DDR veranlasst“ mit schwurbeligen Wortgirlanden noch etwas zu vernebeln.

Anders heute Herr Rommert. Der zitiert sich selbst aus seinem Tagebuch, in dem er als Jugendlicher in der DDR anlässlich des Mauerfalls seinem Gott gedankt hatte:

[…] All das [das Ende der DDR, Anm. v. mir] erschien mir damals wie ein riesiges Wunder: die Grenzen waren auf. „Gott sei Dank“, schrieb ich in mein Tagebuch und meinte das genau so. Gott sei Dank! Dafür habe ich gebetet. Darauf habe ich gehofft! (Quelle: Schatz aus der Vergangenheit – Wort zum Sonntag, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 16.11.2019)

Natürlich mag der Mauerfall vielen, auch nicht religiös verstrahlten Menschen wie ein Wunder vorgekommen sein. Schon allein deshalb, weil sich dieses Ereignis zwar angekündigt hatte, aber eben doch ein außergewöhnlicher und nicht nur für die deutsche Geschichte epochaler Wendepunkt war. Und noch dazu ein Ereignis, dessen tatsächliche Ursachen damals vielen Menschen (noch) nicht oder nur teilweise bekannt bzw. bewusst waren.

Gott sei Dank!?

Auch kann es kaum erstaunen, dass ein religiös indoktrinierter Jugendlicher in einem solchen Ereignis das Wirken des Gottes zu erkennen meinte, den seine Erziehungsberechtigten ihm, vermutlich schon seit seiner Geburt, untergejubelt hatten.

Dass es für diesen Effekt völlig egal ist, um welchen Gott es sich dabei handelt, dürfte Herrn Rommert damals wie heute kaum verwundern. Ob er sich jemals gefragt hat, wie verschwindend gering die Chance ist, von den vielen tausend Göttern tatsächlich den vermittelt bekommen zu haben, der nicht nur in der menschlichen Phantasie existiert?

Klar: Für einen Anhänger gerade einer monotheistischen Glaubenslehre sind solche Überlegungen irrelevant. Da sind alle anderen Gottheiten natürlich nur Hirngespinste. Gerne auch despektierlich als „Götzen“ bezeichnet. Nur der jeweils eigene Gott ist natürlich echt.

Si tacuisses…

Hätte es Herr Rommert bei der Schilderung dieser Ankedote belassen, hätte er seine Glaubwürdigkeit noch einigermaßen retten können. Wer möchte einem damals 15jährigen Christen in der DDR schon verübeln, dass er sich in die Schweinwirklichkeit flüchtete, die ihm sein Glaube bieten konnte?

Aber da es sich bei Herrn Rommert um einen Pfarrer und beim „Wort zum Sonntag“ um eine christliche Dauerwerbesendung handelt, bleibt es freilich nicht bei diesem Schwank aus der Jugend.

Ganz zu schweigen von einer vernünftigen Klarstellung, etwa im Sinne von:

  • „Damals habe ich das mir halt so vorgestellt, weil sie mir das so erzählt hatten. Inzwischen weiß ich, welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ereignisse und Entwicklungen tatsächlich zur Wende geführt hatten. Außerdem weiß ich inzwischen natürlich, dass es nicht nur un-, sondern völlig widersinnig ist, einem sowieso schon allmächtigen Wesen für irgendetwas zu danken…“

Ein Geschenk Gottes

Nein. War die Wende dem jungen Christian Rommert damals noch als Wunder „erschienen“, so ist sich der Fernsehpfarrer heute sicher:

[…] Das, was geschehen ist, das war ein Wunder. Es war ein Geschenk Gottes. Das glaube ich.

Was soll das für ein Allmächtiger sein, der seine bevorzugte Trockennasenaffenart zunächst einen Unrechtsstaat mit Schießbefehl an der Grenze errichten lässt, dann die Jahrzehnte abwartet, bis dieser Staat pleite ist und der sich dann dafür feiern lässt, dass es Menschen gelingt, die Unterdrückung friedlich zu beenden?

Und: Was geht im Kopf eines Erwachsenen vor, der sich mit einer solchen Aussage vor eine Fernsehkamera stellt?

Ein Trump oder ein Bolsonaro bezeichnen sich ebenfalls als „Geschenk“ eben dieses Gottes, dem Sie für den Mauerfall danken, Herr Rommert. Glauben Sie das auch? Und wenn nicht, wie würden Sie den beiden Herren und ihren Anhängern erklären, dass sie falsch liegen?

Welches Geschenk!?

Zum Abschluss zündet Herr Rommert sicherheitshalber dann schnell doch noch eine Nebelkerze, um die Absurdität seines gerade geäußerten Glaubensbekenntnisses etwas zu verschleiern:

[…] Und solche Geschenke gibt es nicht ständig. Wunder sind selten. Wunder sind kostbar. Wahrscheinlich erlebe ich so etwas sogar nur ein einziges Mal in meinem Leben. Deshalb darf ich solch ein Geschenk nicht wegwerfen! Auch nicht irgendwo als Erinnerung verstauen und ausstellen! Sondern: einsetzen. Regelmäßig gebrauchen.

Als (göttliches) Geschenk hatte Herr Rommert gerade noch das friedliche Ende der DDR bezeichnet. Davon ausgehend ergibt die an ihn selbst gerichtete Ermahnung, „solch ein Geschenk nicht wegwerfen“ zu dürfen, meines Erachtens keinen Sinn.

Vermutlich geht es ihm darum, seine religiöse Wirklichkeitsflucht als irgendwie bedeutsam, sinnvoll und erstrebenswert darstellen zu wollen.

Klar: Mit dem Verkauf dieser, ihm hoffnungsvoll erscheinenden Illusion verdient Herr Rommert ja auch sein Geld. Es geht um Relevanz um jeden Preis. Gerne auch auf Kosten von Vernunft und  intellektueller Redlichkeit.

Wir basteln uns eine Legende

Wie schon im letzten „Wort zum Sonntag“ scheint es auch diesmal wieder um die Legendenbildung zur Rolle des Glaubens/der Kirche bezüglich des Mauerfalls zu gehen. Offenbar sehen Berufsgläubige hier eine Chance, das Christentum als bedeutsam und als positiv für die Gesellschaft darstellen zu können.

Dass Legenden in der Vergangenheit durchaus erfolgreich sein konnten, beweisen zahlreiche Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Narrative, die zwar genauso menschlicher Phantasie entspringen wie die Vorstellung, ein bestimmter Wüstengott, den sich Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten habe seine Finger beim Mauerfall im Spiel gehabt.

Es sind Geschichten, an die aber Menschen bis heute bis heute noch glauben. Obwohl sie es eigentlich besser wissen könnten. Es dauert erstaunlich lange, bis Mythen und Legenden nicht mehr für wahr gehalten, sondern der menschlichen Phantasie und Wunschvorstellung zugeordnet werden. Wer sich für dieses Thema interessiert, möge sich mit dem Begriff der Mythomotorik befassen.

Ob so etwas heute im religiösen Bereich auch noch funktioniert? Zumindest bei Herrn Rommert offenbar schon. Und zur Not kann er ja in seinem Tagebuch von damals nachschauen und sich so seines Glaubens vergewissern. Da steht es schließlich schwarz auf weiß.

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2 Gedanken zu „Schatz aus der Vergangenheit – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. 1. Das eigentliche Wunder ist, dass der Unrechtsstaat DDR sich so lange halten konnte. Frage an Herrn Rommert: Warum hat Gott dieses menschenverachtende System so lange toleriert? Warum hat er z.B. zugelassen, dass in Bautzen gefoltert wird und Leute an der Grenze abgeknallt werden?

    2. Dass ein politisch und wirtschaftlich durch und durch maroder Staat zusammenbricht, ist kein Wunder. Das kommt öfters mal vor. Was mir allerdings sehr oft fehlt, ist die ordnende Hand Gottes, die dafür sorgt, dass danach etwas Besseres kommt.

    3. Genau, Herr Rommert: „… einsetzen. Regelmäßig gebrauchen.“ Ich meine allerdings den Verstand. Wäre im WzS mal eine nette Abwechslung.

    Antworten
  2. Wie ich schon mal erwähnt habe, ist es immer wieder erstaunlich, mit welcher selbstgefälligen Arroganz, die Christen und ihren Gott, die oft (positiven) Fügungen und Ergeinisse für sich reklamieren!
    Was ist den mit dem Erdbeben in Albanien, vor ein paar Tagen, (mit bis jetzt 41 Toten)?
    Das zeigt wieder mal, wie Gott mit seiner Schöpfung völlig überfordert ist und schließlich vollkommen versagt hat!

    Antworten

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