Prosit Neujahr! Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn: „Segenszuträglichkeit“

Lesezeit: ~ 4 Min.

Prosit Neujahr! Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn: „Segenszuträglichkeit“, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 01.01.2019 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Auch im neuen Jahr gilt es wieder, die Sendezeit der Verkündigungssendung „Wort zum Sonntag“ mit ein paar Minuten möglichst unverfänglicher Phrasen zu füllen, um dem christlichen Glaubenskonstrukt und der sie vertretenden Institution noch etwas Relevanz zu verleihen. Diesmal bedient sich Pfarrer Welter eines Neujahrgrußes, den er für seine Zwecke zum „Segen“ umdeutet.

Nachdem Herr Welter sein Publikum durch die Bestimmung des Begriffes „Prosit“ mit seinem sprachlichen Fachwissen beeindruckt hat, erklärt er diesen Wunsch schnell mal zur „Segnung“ und damit zu einer explizit religiösen Handlung:

[…] Wenn ich „Prosit Neujahr“ sage, teile ich eine Hoffnung mit jemand anderem oder mit vielen anderen; und wir teilen einen Segen miteinander, wir segnen und lassen uns segnen!
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Jahresbeginn: „Segenszuträglichkeit“, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 01.01.2019 von ARD/daserste.de)

Wenn ich „Prosit Neujahr“ sage, dann hat das nicht im entferntesten etwas mit Göttern, Geistern oder sonstiger Magie und Fiktion zu tun. Ich bringe damit zum Ausdruck, dass ich meinem Gegemüber alles Gute wünsche.

Bei einem Segen im religiösen Sinne geht es darum, dass

  • „…Personen oder Sachen Anteil an göttlicher Kraft oder Gnade bekommen sollen.“
    (Quelle: Wikipedia::Segen)

Klar: Die katholische Kirche hat noch ganz andere Dimensionen der Übergriffigkeit zu bieten als solche kleinen sprachlichen Vereinnahmungen. Trotzdem zeigt sich an diesem Beispiel einmal mehr, wie dürftig es um die eigentlich zu veründende Botschaft bestellt sein muss, wenn man solche Tricks nötig hat:

„Prosit Neujahr“ wird mal eben zur „Segnung“ erklärt

Prosit Neujahr!„Prosit“ (ohne Neujahr) war zunächst als Trinkspruch aus dem (feucht-fröhlichen) Studentenjargon in den allgemeinen Wortschatz übernommen worden. „Prosit Neujahr“ – das ist eine allgemein geläufige und weit verbreitete Grußformel zum Jahresbeginn. Anders als zum Beispiel das immernoch hie und da anzutreffende „Grüß Gott“ oder „Grüß Göttin“ hat „Prosit Neujahr“ keinerlei religiösen Bezug.

Eine „Segnung“ im religiösen Sinn hingegen setzt eine um magisch-esoterische Faktoren (genauer: Fiktionen) erweiterte Weltanschauung voraus und ist außerhalb einer solchen irrelevant.

Und selbst der im allgemeinen Sprachgebrauch noch anzutreffende „Segen“ ist heute zumeist nicht mehr in religiösem Kontext gemeint. Er bezeichnet dann kein göttliches oder sonstiges magisches Geschehen. Sondern einfach nur ein positives Ereignis oder altruistisches Verhalten (z. B. „Geldsegen“, „…er ist ein Segen für seine Mitmenschen…“).

Trotzdem gibt es freilich Menschen, die ein Interesse daran haben, anderen Menschen eine „Segnung“ als etwas Bedeutsames, Wertvolles zu verkaufen. Zum Beispiel Herr Welter, der unter Anderem mit Segnungen seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wobei ich ihm freilich nicht unterstellen möchte, dass er es nicht gut meint.

Nachdem Pfarrer Welter das ursprüngliche Thema „Prosit Neujahr“ also mal eben in sein Thema „Segen“ verwandelt hat, klärt er sein Publikum darüber auf, was für eine tolle Sache so ein Segen denn sei:

…eine wirklich tolle Sache

Und Segnen ist eine wirklich tolle Sache; heute haben wir das im Gottesdienst gehört und gelesen:

„Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“ Diesen Segen soll der Priester Aaron den Israelitinnen und Israeliten zusprechen. Das ist so etwas wie das biblische „Prosit“!

Prost NeujahrNochmal: Wenn ich einem Menschen „Prosit Neujahr“ wünsche, dann bringe ich mit diesem Wunsch mein Mitgefühl und ganz allgemein meine nicht näher spezifizierte Hoffnung zum Ausdruck, dass es dem Anderen gut ergehen möge.

Die von Herrn Welter hier beschriebene biblische Segnung ist bei Licht betrachtet nichts anderes als die völlig absurde Beschwörung eines magischen Himmelswesens: Hier wird ein sowieso schon als allmächtig imaginiertes Wesen darum gebeten, seinen allgütigen Allmachtsplan auf Bitten eines Menschen hin gegebenenfalls zu ändern.

Oder aber: Der Allgütige stellt für die Auslieferung seiner Gnade Bedingungen an seine Anhänger („…erst mal schön Bitte-bitte sagen…!“). Wie man es dreht und wendet: Diese Vorstellungen sind bei Licht betrachtet nicht nur un- sondern hochgradig widersinnig.

Von der grundsätzlichen moralischen Beurteilung eines Götterwesens, das Menschen unter Androhung von zeitlich unbegrenzter Dauerfolter durch physische und psychische Höllenqualen bei vollem Bewusstsein dazu nötigt, es zu lieben und zu verehren ganz zu schweigen.

Wayne?

Schon erstaunlich, dass immer noch 10% der Deutschen angeben, noch wirklich absolut sicher an diesen Gott zu glauben. Diese Überzeugung wäre aber ja Voraussetzung für die Annahme, ein Segen könne irgendetwas bewirken.

Was versprechen sich Herr Welter und seine christlichen Latenight-PredigerkollegInnen also von ihren Verkündigungen?

Die verbliebenen 10% Supergläubigen glauben sowieso alles, was Berufsgläubige verkünden. Während es bei den restlichen 90% schon an den Prämissen hapert, die beispielsweise für den Vorgang einer Segnung im religiösen Sinn für wahr gehalten werden müssten.

Einmal mehr wäre es ohne religiöse Wirklichkeitserweiterung viel einfacher, redlicher und mindestens genauso herzlich. Und wer einfach nur „Prosit Neujahr!“ wünscht muss zumindest nicht so tun, als stünde er im Dialog mit dem allmächtigen Schöpfer des Universums und könne dessen Pläne möglicherweise durch Segnungen beeinflussen…

Darauf und darin wird und bleibt es zuträglich

Viel Ungewisses und manches Unangenehme wird das Jahr 2020 auch bereithalten; und sicher auch viel Schönes… Darauf und darin soll Gottes Segen sein. Damit es zuträglich wird und zuträglich bleibt.

Nicht zu vergessen das kein bisschen zuträgliche und auch nicht nur unangenehme, sondern unerträgliche Leid in allen nur möglichen Formen, dem empfindungsfähige Lebewesen auch im Jahr 2020 wieder ausgesetzt sein werden. Leid, das ja zwangsläufig genauso Teil des göttlichen Allmachtsplanes wäre (wenn es diesen Gott tatsächlich gäbe) wie das viele Schöne.

Teilen Sie eigentlich die zum Beispiel damals durch „Mutter Teresa“ vertretene Ansicht, dass auch beim Leid „darauf und darin“ ebenfalls „Gottes Segen sein“ solle, Herr Welter?

Und sind Sie als Fernsehpfarrer tatsächlich in der Position, Ihrem Gott zu sagen, wie er das mit seinem Segen handhaben soll? Wieso verweigert Gott seinen Segen mitunter, selbst bei Menschen, die aufrichtig darauf hoffen und darum gebeten bzw. gebetet haben? Merken Sie nicht oder stört es Sie nicht, dass Ihre Gottesvorstellung nicht mit der irdischen Wirklichkeit kompatibel ist? Oder auch, dass ein Anhänger anderer Götter genauso überzeugt sind, dass sich ihre Götter um sie kümmern?

Und haben inhaltsleere Worthülsen wie „Darauf und darin…“ oder „…zuträglich wird und zuträglich bleibt“ eigentlich noch einen anderen Zweck als den, von der Sinnfreiheit der theologischen Plauderei abzulenken? Solche Sprachgirlanden sind nicht selten ein Hinweis auf genau diesen Umstand.

Prosit Neujahr, auch ganz ohne Segnung

[…] Und „Prosit“ – es möge zuträglich sein: das kann ich natürlich über den Neujahrstag hinaus immer weiter sagen: Anderen Menschen, vertrauten oder fremden; und mir selbst auch – dieses Jahr sogar 366 Tage lang.

…ein Wunsch, der auch ganz ohne irgendwelche magischen Vorstellungen auskommt. Ohne irgendeinen HERRN, der sich trotz angeblicher Allgüte erst darum bitten lässt, gnädig zu sein. Sondern vielmehr ein ehrlich gemeinter, mitmenschlicher Wunsch. Ganz einfach so. Von Mensch zu Mensch.

Ich wünsche Ihnen ein segenszuträgliches Jahr 2020. Prosit Neujahr.

So wirklich zuträglich ist ein Segen nur denen, die mit Segnungen ihr Geld verdienen. Für alle anderen mag ein Segen zwar sicher gut gemeint sein, ist aber eben nichts weiter als eine Irreführung, eine Vortäuschung falscher Tatsachen.

Prosit Neujahr!

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5 Gedanken zu „Prosit Neujahr! Das Wort zum Wort zum Jahresbeginn: „Segenszuträglichkeit““

  1. Das ist einfach arrogant und selbstverherrlichend, dass gläubige Menschen meinen, dass das Leben anderer nur dann gelingt, wenn jemand anders für sie beten, oder ihnen den Segen Gottes versprechen!
    Irgentwo habe ich es hier in den Kommentaren schon einmal erwähnt:
    Ist denn Gesundheit, Zufriedenheit und Glück, nur den Christen vorbehalten?

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    • Nach meinen Erfahrungen verzichten Mainstream-Verkündiger heute zumeist darauf, ihr Heilsversprechen als alternativlos anzupreisen. Sehr oft stellen sie es so dar, als handle es sich dabei um ein optionales Angebot. Dass es sich bei dem biblisch-christlichen Heilsversprechen aber eben nicht um ein optionales Angebot, sondern um eine Nötigung mit schwersten Sanktionen bei Nichtannahme handelt, verschweigen sie eigentlich immer. An irgendeinem Punkt scheinen sich Anstand, Menschlichkeit und Ethik dann offenbar doch mal zu Wort zu melden und so ersparen sie sich für gewöhnlich die Peinlichkeit, das höchst unmoralische und unmenschliche biblisch-christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept verteidigen zu müssen. Am Konzept an sich ändert sich dadurch freilich nichts und so halten sie durch ihre einseitige, harmlos und unverfänglich erscheinende Darstellung auch den Teil der biblisch-christlichen Mythologie künstlich am Leben, den andere christliche Fraktionen für ihre Zwecke hervorragend verwenden können. Dies halte ich für einen der Hauptkritikpunkte am Mainstreamglauben.

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  2. Anders gefragt: sind die Christen denn nicht eigentlich zu bedauern, wenn sie sich einbilden, nur mit Hilfe ihres Gottes gesund, glücklich und zufrieden zu sein?
    Ich kann das auch so, ohne zu glauben und zu beten, und ich bin sicher, dass meine Zufriedenheit nur aus mir selbst kommt! Und das macht mich umso glücklicher!

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    • Und sich auch noch anzumaßen, dass sie/er nach dem Tod belohnt wird, weil sie/er einen Jüdischen Zimmermann anbetet, der vor über 2000 Jahren, in einer abgelgenen Grenzprovinz des Römischen Reiches, als Unruhestifter hingerichtet wurde!
      Das ist völlig absurd und grotesk und für mich nicht nachvollziehbar!

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