„Geist-Inzidenz“ – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 10 Min.

„Geist-Inzidenz“ – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 30.5.2020 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Zu Pfingsten vergleicht Pfarrer Welter die infektiöse Ausbreitung des Coronavirus mit der Verbreitung seines Glaubenskonstruktes und hält das offenbar für einen passenden Vergleich. Für die Suche nach Wahrheit sei sein „heiliger Geist“ gar unverzichtbar.

Am Anfang steht eine selbst verordnete Quarantäne! Die Bibel berichtet davon, in der Apostelgeschichte.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: „Geist-Inzidenz“ – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 30.5.2020 von ARD/daserste.de)

Zumindest alle biblischen Berichte, deren Inhalt nicht mit der irdischen Wirklichkeit übereinstimmen, entstammen menschlicher Phantasie. Zu der Zeit, in der diese Mythen und Legenden entstanden sind, war magisches Denken fester Bestandteil einer durchschnittlichen Weltanschauung.

Ein tatsächlich wiederauferstandener Jesus ist somit schon mal hinfällig. Sofern man sich den Luxus eines möglichst wirklichkeitskompatiblen Weltbildes gönnt.

Für ausahmslos alle angeblichen biblischen Wunder existieren plausiblere Erklärungen als die, dass ein magisches Himmelswesen, das sich per Definition der menschlichen Erkenntnis entzieht seine Finger oder was auch immer im Spiel hatte.

Was die Bibel so alles berichtet…

Und auch an der Glaubwürdigkeit der Schilderungen, in denen zumindest nicht gegen Naturgesetze verstoßen wird, darf und muss stark angezweifelt werden. So ist zum Beispiel die Beweislage in Sachen Jesus als Mensch bei weitem nicht so solide, wie Christen das gemeinhin vermuten oder behaupten.

Zu diesem Thema empfehle ich den MGEN-Podcast Nr. 56 mit dem Titel „Außerbiblische Beweise für die Existenz von Jesus.“ Fazit dieser Analyse, basierend auf Hermann Deterings Buch „Falsche Zeugen“: „Wie kann es sein, dass so viele Menschen sich über so lange Zeit hinweg von derart dümmlichen Argumenten überzeugen lassen?“

Historizität und Plausibilität spielen für Herrn Welter aber offenbar sowieso keine Rolle. Er erzählt aus der Bibel, als handle es sich dabei um Tatsachenberichte und nicht um menschliche Fiktion.

Wir tun einfach mal so, als ob…

Die Frage, wie das denn konkret funktioniert haben soll, dass sich in der Pfingstlegende plötzlich alle Menschen mit unterschiedlichen Sprachen vorübergehend untereinander verstanden, stellt Herr Welter sich und seinem Publikum nicht. Oder auch, wie glaubwürdig ein solcher Bericht bestenfalls sein kann. Verfasst von Menschen, die noch nicht wussten, wohin die Sonne jeden Abend verschwindet.

Die Vorstellung der (natürlich göttlich initiierten), vorübergehenden Völkerverständigung scheint ihm so gut zu gefallen, dass er sich mit so Nebensächlichkeiten wie Plausibilität oder Realität nicht aufhält:

[…] Das Überraschende: Die Menschen stammen aus allen möglichen Heimatländern – und verstehen trotzdem, was sie erzählt bekommen. Jede und jeder versteht – jeweils in der eigenen Sprache.

Einmal mehr ist es auch in diesem Fall die Menschheit selbst, die es geschafft hat, ein solches „Wunder“ heute tatsächlich „vollbringen“ zu können.

Stichwort: Simultan-Dolmetscher mit entsprechender Technik. Oder gleich KI. In beiden Fällen funktioniert das völlig gottlos.

Inzidenz

In diesen Wochen der Pandemie haben auch wir andere Sprachen zu verstehen gelernt. Die Sprache der Virologen und Epidemiologen – zum Beispiel. Eines von vielen neuen Worten, die ich gelernt habe, heißt „Inzidenz“. Das ist die Anzahl von Infizierten im Verhältnis zu einer bestimmten Bevölkerung. Inzidenz.

Der Gag bei der Pfingstlegende war ja gerade, dass die Leute damals angeblich auch fremde Sprachen „einfach so“ verstehen konnten. Ohne erst vorher über Wochen hinweg andere Sprachen gelernt haben zu müssen.

Biblische Mythologie scheint heutzutage nur noch zur Überleitung zu irgendwelchen anderen Themen geeignet zu sein. Denn was diese Legende uns jetzt eigentlich konkret sagen soll, darauf geht Herr Welter mit keinem Wort ein.

Hauptsache, das biblische Pfingstthema ist irgendwie möglichst unverfänglich und leicht verdaulich verwurstet. Damit rangiert die Story in etwa auf dem Niveau von Aussagen wie: „An Weihnachten kommt das Christkind“ oder „Die Babies bringt der Klapperstorch.“

Pfarrer Welters Pfingst-Inzidenz

Gibt es auch so etwas wie eine „Pfingst-Inzidenz“, frage ich mal? Gibt es also eine messbare Zahl von Menschen, die sich vom Heiligen Geist „anstecken“ lassen?

Man mag es kaum für wahr halten, dass ein Berufsprediger die pandemische Ausbreitung eines hoch infektiösen Virus als geeignetes Bild für die Ausbreitung seines Glaubens hält.

Auch wenn es schwer fällt, hier ernst und sachlich zu bleiben:

Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was konkret mit „vom heiligen Geist anstecken“ gemeint sein soll.

Nimmt man die Aussage wörtlich, dann lautet die Antwort: Bis zum Beweis des Gegenteils hat noch keine einzige magisch-esoterische Entität jemals tatsächlich nachweisbar mit der irdischen Wirklichkeit interagiert.

In diesem Fall läge die Inzidenz-Zahl also bei Null.

Egal, ob es sich um heilige oder irgendwelche anderen Geister, Götter oder Halbgötter handelt.

Dabei wäre es doch gerade für das dritte Drittel des allmächtigen Gottes ein Kinderspiel, allen Menschen jede beliebige Botschaft unmissverständlich zu übermitteln. Oder für eben diesen Gott, seine Schöpfung gleich so zu gestalten, wie er sie eigentlich gerne gehabt hätte.

Dann hätte er sich auch das unvorstellbar grausame innerfamiliäre temporäre stellvertretende Menschenopfer zu seiner eigenen Befriedigung sparen können. Von Sintflut und den angeblichen Folgen eines paradiesischen Apfel-Diebstahldeliktes ganz zu schweigen.

Vom Glauben infiziert

Interpretiert man die „Ansteckung“ als Bild für einen (rein natürlichen) Vorgang, bei dem sich jemand mit einer Glaubenslehre infiziert, dann wird es schon schwieriger mit verlässlichen Zahlen.

Als ein Parameter kann wohl die Kirchenaustrittsstatistik herangezogen werden. Und dann sind wir zumindest hierzulande auf einem Weg, der hoffen lässt:

  • So traten im Jahr 2018 insgesamt 216.078 aus der römisch-katholischen Kirche aus (Vorjahr 167.504). Die evangelische Kirche verlor im gleichen Zeitraum ca. 220.000 Mitglieder durch Kirchenaustritte (Vorjahr 197 207). Die Austritte aus beiden Kirchen summieren sich somit auf 436 078.
  • Insgesamt verloren die katholische und die evangelische Kirche jeweils knapp ein Prozent ihrer Mitglieder. Im Jahr 2018 gehörten noch ca. 53 % der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an. In wenigen Jahren (voraussichtlich 2021) wird der Anteil unter 50 % sinken.
    (Quelle: kirchenaustritt.de, abgerufen am 30.5.2020)

Aussagekräftig könnte in diesem Zusammenhang auch die Zahl der Gottesdienstbesucher sein:

  • Der durchschnittliche Kirchenbesuch in der katholischen Kirche sank von 9,8 auf 9,3 Prozent (2016:10,2)
    (Quelle: domradio.de, abgerufen am 30.5.2020)

Obowohl sie alle brav ihre Kirchensteuer zahlen, zählt das Produkt „Gottesdienst“ offensichtlich selbst unter Christen zu den Ladenhütern im Portfolio der katholischen Kirche.

Sinkende Nachfrage – außer bei Trauungen

Und unter der selben Quelle erfahren wir auch diese Zahlen:

  • Die Zahl der Trauungen in der katholischen Kirche hat leicht zugenommen – von 42.523 auf 42.789 (2016: 43.610). Bei den Taufen gab es einen Rückgang von 169.751 auf 167.787 (2016: 171.531).
  • Im vergangenen Jahr konnte die katholische Kirche 2.442 Eintritte (2017: 2.647) und 6.303 Wiederaufnahmen (2017: 6.685) verzeichnen. Die Zahl der katholischen Beerdigungen sank leicht von 243.824 auf 243.705 (2016: 243.323) und übersteigt damit die Zahl der Taufen und Eintritte um rund 67.300. (kna/Stand 19.07.2019)
    (Quelle: ebenda)

Damit ist zumindest die Zahl derer, die sich (aus welchen Gründen auch immer) für den Eintritt in die katholische Kirche entschieden haben für das Jahr 2018 bekannt.

Nicht bekannt ist jedoch, wie viele von denen diese Entscheidung tatsächlich selbst bzw. aus eigener Überzeugung getroffen haben. Interessant wäre es zum Beispiel zu erfahren, in welchem Verhältnis die relativ große Anzahl katholischer Trauungen zur Zahl der Eintritte und Wiederaufnahmen steht. Oder auch die Zahl derer, die diesen Schritt aus beruflichen Erwägungen getan hatten.

Wie in der Wissenschaft üblich, ermöglichen diese Werte nur eine Näherung bezüglich Pfarrer Welters Frage, die im Klartext lautet: Wie viele nicht ausgetretene, eingetretene oder wieder eigentretene Christen haben diesen Schritt tatsächlich aus religiöser Überzeugung getan?

Aufgrund der gerade kurz genannten Zahlen würde ich sagen: Die Heilig-Geist-Inzidenz ist viel, viel geringer, als es sich ein Berufsgläubiger wünschen würde. Seine Verbreitung hat das Christentum in erster Linie dem Schwert zu verdanken.

Virale Inzidenz vs. religiöse Inzidenz

Interessanterweise fällt Pfarrer Welter nun offenbar doch auf, dass sein Vergleich gehörig hinkt:

Die Pfingsterzählung berichtet von Feuerzungen und von Sturm und vom Aufbruch nach draußen; das steht ja zunächst mal genau gegen das, was die Pandemie uns aufnötigt, allen Lockerungen zum Trotz: Eher zuhause bleiben. Kontakte reduzieren. Mund-Nase-Schutz tragen. Räumlicher Abstand: das alles bleibt wichtig und hilfreich und notwendig!

Ah! COVID-19 ist ja eine ernst zu nehmende Virenerkrankung, deren Verbreitung es mit allen verfügbaren Mitteln einzudämmen gilt! Verursacht von einem Virus, das einen Weg gefunden hat, sich äußerst effektiv von Wirt zu Wirt verbreiten zu lassen.

Während der Glaube und vergleichbare Ideologien in Form von Ritualen, Narrativen und Memen weitergegeben werden. Von Mensch zu Mensch, von Generation zu Generation. Und, wie gerade schon kurz angedeutet, am effektivsten durch Gewalt bzw. Gewaltandrohung.

Wirksame Mittel und Impfstoffe

Anders als beim Corona-Virus verfügt die Menschheit aber beim Glauben über wirksame Mittel und Impfstoffe, um die Ausbreitung einzudämmen: Wissenschaft, Philosophie und Kunst. Kritisches, vernünftiges, rationales Denken und moderne humanistische ethische Standards, verbunden mit einem naturalistischen Weltbild sind die Grundlagen, die auch gegen irrationale Verschwörungsmythen helfen, wie wir gleich noch sehen werden.

Auch Pfarrer Welter scheint zu dämmern, dass er sich gerade ein bisschen verrannt hat. Deshalb gilt es, schnell zu korrigieren:

Pfingsten würde 2020 wohl ausfallen. Aber Einschränkung des Heiligen Geistes? Nein.

Ah! Ich möchte ja gar nicht, dass die Ausbreitung meines Glaubens eingedämmt wird! Mist!

Biblisches Alternativ-Narrativ

Zu Pfarrer Welters Glück bietet die Bibel auch hier ein Alternativ-Narrativ:

Neben der offensiven Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte gibt es auch eine viel stillere. Sie steht im Johannesevangelium. Obwohl sie den Corona-Maßnahmen auch widerspricht. Da trifft der Heilige Geist die Jesus-Jünger ganz leise: Jesus steht – trotz verrammelter Türen – mitten unter seinen Leuten und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist.“ Und dabei haucht er sie an, heißt es; klingt seltsam in Zeiten von Tröpfchen-Infektion und Virus-Aerosolen. Dabei hatten die Jünger sich doch in selbstgewählte Quarantäne begeben. Aus Angst. Aus Angst vor den Menschen da draußen – die hatten ja gerade ihren Lehrer und Meister ermordet.

Und dieser Jesus steht jetzt vor ihnen. Für ihn hat ein neues Leben begonnen. Und er haucht sie an – so wie ganz am Anfang der Bibel Gott einem Lehmklumpen das Leben einhaucht, so haucht Jesus ihnen jetzt das neue Leben ein. „Empfangt den Heiligen Geist.“ Ein Hauch nur, etwas Zartes, ganz Unauffälliges. Aber sehr wirkungsvoll.

Man mag es wieder kaum glauben: Es ist ein erwachsener, akademisch gebildeter und ansonsten vermutlich aufgeklärt denkender Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts, der hier von Lehmklumpen mit göttlich eingehauchtem Leben erzählt.

Ja, Herr Welter. Es klingt seltsam, was Sie erzählen. Nicht nur in Zeiten von Tröpfchen-Infektion und Virus-Aerosolen.

Ins Leben gehaucht

Wir sind ins Leben gehaucht. Das gilt.

Ja. Das gilt. Und zwar als Ausdruck menschlicher Hybris und religiöser Überheblichkeit. Verbunden mit einer geradezu wahnwitzigen Missachtung sämtlicher Erkenntnisse über das Entstehen von Leben.

Herr Welter, Sie wurden nicht ins Leben gehaucht. Sie wurden, wie alle anderen humanoiden Trockennasenaffen auch, ins Leben geb**st.

Säugetiere, und zu denen zählen biologisch gesehen auch die Menschen, entstehen durch die Besamung einer Eizelle. Natürlicherweise als Folge einer Kopulation zweier geschlechtsreifer Partner unterschiedlichen Geschlechts.

Und wenns um den Übergang von unbelebter Materie zum Leben geht, empfehle ich, mal das Kapitel chemische Evolution durchzugehen. Da wird nix gehaucht.

Heilig-Geist-Inzidenz

Und jetzt braucht es eine hohe „Heilig-Geist-Inzidenz“. Viele Menschen pro Bevölkerung, die an Jesus Christus glauben und wissen, dass er sie ins Leben gehaucht hat.

Geist-InzidenzWieso? Wozu?

Dass die Welt durch Verbreitung der biblisch-christlichen Ideologie keine bessere, friedlichere, gerechtere, gesündere wird, hat das Christentum über rund zwei Jahrtausende bewiesen. Und das, was die Welt tatsächlich besser, friedlicher, gerechter und gesünder machen kann, hat mit Vorstellungen von Hauchgöttern und ihren Geistern nichts zu tun.

Einzig ein Berufschrist, dessen berufliche Existenz davon abhängt, dass noch irgendwer an seinen Gott glaubt und bereit ist, dessen selbst ernannten Vertretern einen nicht unerheblichen Teil seines Geldes zu überlassen, muss natürlich ein berechtigtes und durchaus nachvollziehbares Interesse daran haben, dass sich noch genug Leute finden, die er von seinem, an sich sehr cleveren Geschäftsmodell (der Vertrieb von hochpreisigen, hoffnungsvoll erscheinenden Illusionen, die freilich auch bei anderen Anbietern zu haben sind) überzeugen kann.

Was braucht es in der Krise?

Hohe Geist-Inzidenz braucht es auch und gerade angesichts einer für viele tödlichen Pandemie.

Mit dieser Aussage suggeriert Pfarrer Welter zunächst, der Glaube an seinen Gott sei in irgendeiner Art und Weise wirksam oder hilfreich „angesichts einer für viele tödlichen Pandemie.“

Der spannenden Frage, inwieweit Religion zur Krisenbewältigung taugt, gehen die Kollegen vom Ketzerpodcast in diesem hörenswerten Segment auf den Grund.

Matthias und seine Mitketzer nennen gute Gründe, die dafür sprechen, dass Atheisten vermutlich besser mit Krisen zurechtkommen als Gläubige. Denn auch in Krisen bewährt sich ein möglichst realitätskompatibles Weltbild. Zumal die Enttäuschung wegfällt, die eine irreale Hoffnung mit sich bringen kann, wenn die Dinge doch nicht so laufen wie erbeten und (von Gott) erhofft.

Mit dem heiligen Geist auf der Suche nach der Wahrheit

Anders als andere Heilsverkäufer scheint Pfarrer Welter aber wohl doch nicht behaupten zu wollen, göttliche Be-Geisterung sei ein wirksamer Schutz gegen Viren. Wie er es stattdessen meint, erklärt Welter – Achtung, jetzt bitte genau lesen – so:

Menschen, die in der Lebenskraft des HEILIGEN Geistes gegen Ungeist und Dummheit vorzugehen wissen. In einem Geist, der hilft, dass sie die Wirklichkeit verstehen oder es wenigstens versuchen, statt Verschwörungstheorien zu folgen.

The irony hits so hard that it hurts, würde der Brite wohl sagen.

Pfarrer Welter macht sich hier die Mehrdeutigkeit des Begriffes „Geist“ zunutze. Bis gerade eben meinte er damit noch das dritte Drittel eines eifersüchtigen Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegottes, den sich ein paar clevere selbsternannte Priester in der Bronzezeit zur einfacheren Führung eines primitiven Wüstenvolkes ausgedacht hatten. Und der später zum allmächtigen und allgütigen Gott mit tripolarer Persönlichkeit weiterentwickelt wurde.

Es ging um einen Geist, der laut biblischer Mythologie schon mal ein uneheliches Kind mit einer Jungfrau zeugt, wenn eine göttliche Abstammung konstruiert werden muss. Und der bevorzugt immer dann ins Spiel kommt, wenn wiedermal irgendetwas geschehen sein soll, was nicht mit der irdischen natürlichen Wirklichkeit übereinstimmt.

Immer wenn es schwurbelig wird…

Einfachen HerzensUnd ausgerechnet in der Lebenskraft DIESES „heiligen Geistes“ solle man nun gegen „Ungeist und Dummheit“ vorgehen? Wie weit muss man sich von Realität und Vernunft schon entfernt haben, um sich mit einem solchen intellektuellen Offenbarungseid vor eine Kamera des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu stellen?

Schon allein die Verwendung von nebulös-religiösen Wortgirlanden wie „…in der Lebenskraft… vorzugehen wissen“ ist immer ein starkes Indiz für Geschwurbel oder, wenns noch schlimmer wird, für Bullshit.

Der Glaube an Geister ist das genaue Gegenteil von „Wirklichkeit verstehen oder es wenigstens versuchen.“

A propos Ungeist: Ob ein Geist ein Geist oder ein Ungeist ist, liegt, genauso wie die Differenzierung von Glaube und Aberglaube, im Auge des Betrachters. Un- und Aber- sind dabei eigentlich immer nur die Geister und Glauben der Anderen. Und niemals die eigenen.

Und wenn mit Geist jetzt doch nicht mehr der HEILIGE Geist gemeint gewesen sein soll (schließlich ist nur noch von „Geist“ die Rede), sondern eine Einstellung oder Haltung, dann löst sich bei der empfohlenen realitätsorientierten Weltanschauung jeder göttliche Geist sofort in Form einer rein menschlichen Einbildung oder Wunschvorstellung in existentielles Nichts auf.

Zärtlicher Hausbesuch

Es braucht diesen Geist, der zugleich zart ist und mich zuhause besucht, wenn ich eingeschlossen und beschränkt lebe. Einen Geist, den Jesus Christus den „Mutbringer“ nennt.

Nur der Form halber: Im biblischen Text ist an der Stelle, um die es hier geht (Johannes 14,26) von „Beistand“ die Rede. Die Übersetzung „Mutbringer“ hat sich der Alttestamentler Fridolin Stier ausgedacht.

Natürlich sei es Pfarrer Welter und allen anderen gegönnt, zuhause eingeschlossen und beschränkt auf zärtlich hauchenden Geister-Hausbesuch zu warten. Immernoch besser, als Menschen dazu zu animieren, sich und Andere durch religiöse Zusammenkünfte zu gefährden. Wenn die eigene und die Gesundheit der Mitmenschen nicht Grund genug ist, persönliche Kontakte vorübergehend mal einzuschränken – bitteschön.

Aber wie kommt er darauf, ausgerechnet eine Realitätsflucht gar zum essentiell erforderlichen („Es braucht…“) Gegenmittel zu Verschwörungen und Dummheit zu erklären?

Mutbringer Mensch

Quelle: Netzfund
Quelle: Netzfund

Es mag ja sein, dass er seinen heiligen Geist braucht, wenn ihm zuhause langweilig ist und er sich mutlos fühlt. Wobei der Glaube an imaginäre Freunde oder beschützende Teddybären eigentlich ab einem gewissen Alter hätte nachlassen bzw. ganz verschwinden sollen.

Aber welches „es“ braucht sonst noch ausgerechnet diesen Geist, auf den Pfarrer Welter so sehnsüchtig wie vergeblich wartet? Einen Geist, dessen Aufgabe laut biblischer Mythologie vorrangig darin besteht, Menschen zu magisch-esoterischen Überzeugungen zu verleiten? Dinge für wahr zu halten, die bis zum Beweis des Gegenteils nicht wahr sind?

Man wendet sich doch auch nicht an Pumuckl®, wenn man herausfinden möchte, ob es Kobolde wirklich gibt…

Es ist einmal mehr die Menschheit selbst, die man aus guten Gründen als „Mutbringer“ bezeichnen kann. Und keine religiöse Phantasievorstellung. Denn wenn jemand wirksame Mittel gegen (nach biblisch-christlicher Auffassung ja ebenfalls vom lieben Gott geschöpfte) Viren entwickeln kann, dann sind es die Menschen selbst.

Einmal mehr zeigt sich im heutigen „Wort zum Sonntag“, wie entbehrlich der religiöse Beitrag zu gegenwärtigen Themen ist.

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