Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Wie und wo ausruhen?

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Wie und wo ausruhen?, veröffentlicht am 23.01.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Pfarrer Buß hat in einer biblischen Wunderschilderung einen Nebensatz gefunden, der ihm passend für einen Impuls zum Thema „Ausruhen“ erscheint. Was er wohl zur Erholung empfiehlt?

„Ich habe nicht einmal Zeit gehabt, um etwas zu essen, so viel war zu tun.“ Diesen Stress-Satz kennen Sie vielleicht, und die Freunde Jesu, so können wir immer mal im Evangelium lesen, sind in einer ähnlichen Situation. Da hatte Jesus sie fortgeschickt, um zu predigen und zu heilen. Und jetzt kommen sie zurück, sind voll von Erlebtem, Schönem und Schwierigem, das sie unterwegs erfahren haben. Wir stellen uns vor, wie sie da bei Jesus stehen und erzählen, durcheinanderreden, atemlos und aufgeregt.

Und Jesus sagt zu ihnen: „Jetzt ruht euch erst mal aus!“

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Wie und wo ausruhen?, veröffentlicht am 23.01.21 von osthessennews.de)

Wenn sogar Jesus seinen Anhängern eine Pause gönnt, dann ist das natürlich ein guter Grund, auch selbst mal ein bisschen zu entspannen. Zumindest scheint Herr Buß das für ein überzeugendes Argument zu halten.

Dass es in der hier zitierten Geschichte eigentlich um etwas ganz anderes und viel Erstaunlicheres geht als um Ausruhen, spielt dabei offenbar keine Rolle.

Ausruhen in der Bibel

Es erscheint unwahrscheinlich, dass diese Aufforderung des Anführers einer jüdischen Weltuntergangssekte zum kollektiven After-Work-Ausruhen über mehrere Generationen mündlich bis zur ersten schriftlichen Fixierung tatsächlich so überliefert worden war.

Der Kontext legt vielmehr die Vermutung nahe, dass es sich dabei eher um eine Einfügung handeln dürfte, die die eigentliche Wundergeschichte plausibler erscheinen lassen soll.

In dem Text geht es nämlich eigentlich um den sensationellen Zaubertrick, mit dem Jesus aus nur zwei Fischen und fünf Broten schnell mal ein Abendessen für 5000 Leute zaubert.

Um dem Einwand von Kritikern vorzugreifen, dass Jesus ja vielleicht einfach nur seine Leute losgeschickt haben könnte, um schnell noch weitere Nahrungsmittel einzukaufen, musste man das Wunder an einem Ort irgendwo abseits der Zivilisation geschehen lassen.

Der anonyme Geschichtenschreiber mit Pseudonym Markus brauchte irgendeinen Grund, warum Jesus mit seinen Followern am Abend eines arbeitsreichen Missionierungstages nochmal über den See juchee und raus aufs Land gefahren war.

Jesus has left the building…

In dieser Legende wird berichtet, dass die Menschen so heiß auf die Apokalypse-Verkündigungen von Jesus und seinen Leuten waren, dass sie der Sekte sofort und zu Tausenden in den Feierabend gefolgt waren. Offenbar zur Überraschung des eigentlich doch allwissenden Halb- bzw. Drittelgottes Jesus. Der seinen Jungs ja versprochen hatte, sie an ein einsames Plätzchen zum Ausruhen zu bringen. Und nicht zu einem Picknick mit 5000 Spontan-Gästen.

Mit erzählerischen Ausschmückungen wie diesen kann man einer an sich trivialen und belanglosen Geschichte (bzw. hier den Verkündigungen von Jesus und seinen Leuten) zusätzliche Relevanz andichten.

Und dass es sich um Ausschmückungen und Übertreibungen handelt, kann man unter anderem auch daraus schließen, dass die in der Bibel geschilderten wundersamen Vorkommnisse ganz sicher auch nochmal irgendwo außerbiblisch belegt worden wären. Wenn sie denn tatsächlich so aufsehenerregend und außergewöhnlich stattgefunden hätten wie in der Bibel beschrieben.

Die gesamte Geschichte klingt, wie so viele andere biblischen Mythen und Legenden auch, eigens so konstruiert, dass die Rahmenhandlung möglichst plausibel und das Wunder dann umso wundersamer erscheint.

Chillen mit Jesus: Fehlanzeige

Meme Jesus AusruhenWarum das zweite Drittel eines allwissenden Gottes offenbar keinen einsamen Ort kannte, zu dem es seine Anhänger hätte einladen können, ohne dass dort dann doch plötzlich 5000 Leute anwesend waren, die zudem offenbar vergessen hatten, sich etwas fürs Abendessen mitzubringen, scheint zu den Fragen zu gehören, die bei der Ausgestaltung der Legende nicht so ganz berücksichtigt worden waren.

Was der Evangelist wohl sagen würde wenn er erführe, dass im Jahr 2021 ein Stadtpfarrer aus seinem unerhört außergewöhnlichen biblischen Wunderbericht, bei dem ja offensichtlich sogar die Naturgesetze kurzzeitig außer Kraft gesetzt worden sein mussten einen banalen und trivialen Nebensatz aus der Ramenhandlung herauspickt, das eigentliche Wunder aber mit keinem Wort erwähnt?

Starke biblische Argumente für Ausruhen

Dabei hätte Herr Buß für seinen Aufruf, immer mal eine Pause einzulegen einfach die Stellen aus der Bibel zitieren können, in denen die Pausezeiten und deren Einhaltung genau und unmissverständlich geregelt sind:

  • Sechs Tage darf man arbeiten; der siebte Tag aber ist Sabbat, heilige Ruhe für den HERRN. Jeder, der am Sabbat arbeitet, hat den Tod verdient.
    (2. Mose 31,15 EU)
  • Der HERR sprach zu Mose: Der Mann [den die Gemeinde beim Stöckesammeln im Wald am Sabbat erwischt hatte, Anm. v. mir] hat den Tod verdient. Die ganze Gemeinde soll ihn draußen vor dem Lager steinigen. Da führte die ganze Gemeinde den Mann vor das Lager hinaus und steinigte ihn zu Tode, wie der HERR es Mose geboten hatte.
    (4. Mose 15,35-36 EU)

Wenn jemand das Alte Testament, aus dem diese Anordnung stammt (wie auch viele Legenden und Mythen, ohne die das Neue Testament einschließlich „Erlösung“ durch vorübergehende Todesfolterung keinen Sinn ergeben würde) aus irgendwelchen Gründen entgegen der dogmatischen Vorgabe nicht als genauso göttlich inspiriertes und deshalb ewig wahres „Wort Gottes“ anerkennen möchte (zum Beispiel, weil da so viele furchtbare, absurde und unmenschliche Dinge drin stehen), den kann man an Lukas 16,17 erinnern. Also an die Stelle, an der Jesus alles nochmal ausdrücklich und wortwörtlich alles bekräftigt, was im „Alten Testament“ steht.

Was gilt heute noch vom „Wort Gottes“ – und was nicht?

Zurück zu Herrn Buß. Der pickt sich lieber einen unverfänglichen Nebensatz aus dem Zusammenhang, als dass er auf die in der Bibel vorgesehene Strafe für das Nichteinhalten der „heiligen Ruhe“ hinweist.

Ich fände es interessant, mal etwas zu den Werten zu erfahren, an denen sich Herr Buß im Allgemeinen und bei er Auswahl von Bibelstellen im Speziellen orientiert:

Welche Werte sind das und woher kommen sie?

Warum sollen zum Beispiel die „10 Gebote“ noch gelten und das mit der „Erbsünde“ noch relevant sein, während das Lynchen von Leuten, die Stöckchen sammeln statt ihren Gott anzuhimmeln heute nicht mehr praktiziert wird? Genausowenig wie, entgegen biblischer Anweisung, weder auf das Tragen von Kleidung aus Mischgewebe, noch auf das Stutzen von Bärten und auch nicht auf den Verzehr von Krustentieren verzichtet wird?

Beten zur Erholung?

Dem Hl. Franz von Sales (1567–1622, Fürstbischof von Genf, Ordensgründer, Mystiker und Kirchenlehrer) wird folgender Ratschlag zugeschrieben: „Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit für das Gebet – außer, wenn du viel zu tun hast. Dann nimm dir eine ganze Stunde Zeit.“

Obwohl Franz von Sales berufsbedingt sicher länger als eine halbe oder auch eine ganze Stunde am Tag mit Beterei befasst war, schien das seiner Gesundheit nicht zuträglich gewesen zu sein:

  • Durch seine rastlose Tätigkeit litt seine [Franz von Sales, Anm. v. mir] Gesundheit. Immer stärker wurde sein Wunsch, das Bischofsamt abzulegen und sich in eine Einsiedelei zurückzuziehen, um Gott mit dem Rosenkranz und der Feder zu dienen. Dieser Traum ging aber nicht mehr in Erfüllung. Im Spätherbst 1622 begleitete Franz trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustandes den Herzog von Savoyen nach Avignon zu einem Treffen mit König Ludwig XIII. Auf der Rückreise erlitt er in Lyon einen Schlaganfall. Franz starb im Alter von 55 Jahren am 28. Dezember 1622.
    (Quelle: Wikipedia)

Die Frage, inwieweit Beten überhaupt erholsam ist, mag jede*r für sich selbst beantworten. Fest steht, dass sich die Inhalte der Gebete durch die „gebetsmühlenartige“ Wiederholung in die Hirne der Betenden einbrennen.

Diese Methode der Verstärkung von Glaubensgewissheiten durch ständige Wiederholung kann so stark wirken, dass es manche Menschen ein Leben lang nicht schaffen, sich wieder davon zu befreien. Selbst dann, wenn ihnen eigentlich bewusst ist, dass das, was sie glauben absurder Unsinn ist.

Eine Nebenwirkung von Beten soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Solange Menschen mit Beten beschäftigt sind, treiben sie keinen anderen, womöglich noch gröberen Unfug.

Wie zum Beispiel selbst nachzudenken. Und (sich) kritische Fragen bezüglich der zu glaubenden Behauptungen zu stellen.

Pfarrer Buß und AWQ empfehlen: Bibellesen!

Ganz am Schluss rückt Herr Pfarrer Buß dann noch damit heraus, worum es ihm vermutlich eigentlich geht:

Das Evangelium lädt uns ein, das tägliche Schaffen und Wirken zu unterbrechen. Es lädt uns ein, bei und mit Jesus zu sein, in ihm den Guten Hirten zu suchen, der uns hilft loszulassen und wieder zu Atem zu kommen.

Nicht nur das Evangelium, sondern auch jedes beliebige andere Buch lädt uns ein, das tägliche Schaffen und Wirken zu unterbrechen.

Man muss vermutlich schon katholischer Priester sein, um als Leitfaden für Erholung ausgerechnet die Bibel auszuwählen und zu empfehlen.

Wenns denn aber tatsächlich das am meisten überschätzte Buch der Welt sein soll, dann bietet unser Bibelprojekt bibelblind.de einige Bibelstellen zum Einstieg ins unbegleitete und unzensierte Bibelstudium.

A propos Loslassen:

In der Bibel zu lesen, ist ja bekanntlich eine der sichersten und effektivsten Möglichkeiten, sich vom christlichen Glauben zu befreien. Weshalb die katholische Kirche Laien den Besitz und die Lektüre der Bibel mit drastischen Strafen bis hin zur Ermordung verboten hatte, solange sie noch die Macht dazu hatte.

Wem die Bibel zu grausam, zu absurd und in weiten Teilen einfach nur zu langweilig und in der Gesamtaussage (Mk 16,16) irrelavant erscheint, der findet hier einige Empfehlungen von Büchern.

Wenn man täglich eine halbe Stunde Zeit für die sowieso un- bzw. widersinnige Anbetung eines imaginären Himmelswesens spart, hat man in 60 Jahren schon mal deutlich mehr als ein Jahr Zeit gewonnen. Zeit, die man stattdessen bewusst und nach ganz persönlichen Vorlieben nutzen kann. Zum Beispiel zur eigenen Erholung. Und da gibt es mit Sicherheit entspannendere (bzw. spannendere und interessantere) Möglichkeiten als ausgerechnet die biblische Mythen- und Legendensammlung.

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