Gedanken zu: Das Gebet um den Heilligen Geist

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gedanken zu: Das Gebet um den Heilligen [sic!] Geist – Impuls von Stadtpfarrer Buß, veröffentlich am 1.6.22 von osthessennews.de

Darum geht es

Mit seinem heutigen „Impuls“ liefert Stadtpfarrer Stefan Buß ein Musterbeispiel für das, was man unter dem Begriff „Cargo-Kult“ versteht.

Unsichtbar – und trotzdem da

Um die vermeintliche Wirkweise des „heiligen Geistes“ zu erklären, vergleicht Herr Buß diese mit der Funktion eines Navigationssystems:

[…] Ich denke, Gott hat dem Menschen immer etwas zu sagen, nur hört er es nicht bzw. nimmt es nicht immer wahr – wie beim GPS-Signal. Wenn ich unterwegs bin, ist dieses Signal ständig um mich herum, doch ich merke nichts davon, spüre es nicht mal.

Erst ein Navigationsgerät (Navi) kann mit den Informationen etwas anfangen und kann mir diese „übersetzen“; ohne Navi sind diese Informationen für mich wertlos.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Das Gebet um den Heilligen Geist – Impuls von Stadtpfarrer Buß, veröffentlich am 1.6.22 von osthessennews.de)

Hier liefert Herr Buß schon direkt den Knackpunkt, der seine ganzen weiteren Ausführungen ad absurdum führt.

Denn denken, also genauer: sich ausdenken oder vorstellen kann man alles Beliebige. Erst wissenschaftliches Vorgehen trennt gewissermaßen die fiktive Streu vom realen Weizen:

Ein Gerät gibt es dafür nicht…

Es wäre cool, wenn es für das Reden Gottes auch so ein Gerät geben würde … und hier kommt der Heilige Geist ins Spiel. Ein Gerät gibt es dafür nicht, aber Gott sorgt schon dafür, dass wir ihn verstehen – der Heilige Geist ist ihm dabei behilflich.

Ja, das wäre natürlich wirklich cool, Herr Buß. Denn sobald es auch nur einen einzigen tatsächlich validen Nachweis für die Existenz des von Ihnen behaupteten Gottes gäbe, bräuchte ja niemand mehr an diesen Gott zu glauben. GPS funktioniert ja auch völlig unabhängig davon, ob jemand daran glaubt oder nicht.

Für Sie wäre das ebenfalls cool, Herr Buß. Sie könnten dann endlich aufhören, Menschen absurde Märchen als Wahrheit zu verkaufen. Und könnten sich stattdessen mit sinnvolleren Botschaften und besseren Argumenten für Ihre Anliegen an Ihr Publikum wenden.

Da Sie Ersteres aber hauptberuflich tun, wäre es vielleicht doch nicht so cool, wenn Ihr Gott tatsächlich, also nachweislich existieren würde.

Schließlich ist es eine unverzichtbare Voraussetzung Ihres Glaubens, dass der von Ihnen verkündigte und vertriebene Gott nicht existiert. Oder dass er sich zumindest genau so verhält, als gäbe es ihn nicht.

Frag doch mal den Buß: GPS für Dummies

Und nun erklärt Pfarrer Buß, wie er sich die Parallelen zwischen (funktionierendem) Navigationssystem und (fiktivem) „heiligem Geist“ konkret vorstellt:

Es gibt viele Parallelen zum Navi, z. B. wenn ich das Navi einschalte, macht es zunächst eine Standortbestimmung. Wenn der Heilige Geist zu mir reden darf, ich mir für ihn Zeit nehme, passiert Ähnliches: Mir wird gezeigt, wo ich stehe, was mich vielleicht von ihm trennt. Ich bin selbst dafür verantwortlich, ob die Verbindung nach „oben“ funktioniert oder nicht. Habe ich dem Navi einen guten Platz gegeben, aber ich habe es leise gestellt und vielleicht noch das Display verdeckt, nützt es mir gar nichts, obwohl es perfekt funktioniert und besten Empfang hat. Ebenso muss ich den Kontakt mit dem Heiligen Geist suchen, mir Zeit nehmen, um das Reden Gottes wahrzunehmen.

Der Nutzen des Navis hängt auch stark vom verwendeten Kartenmaterial ab: Ist es veraltet, ist die Funktion eingeschränkt; es braucht immer wieder ein neues update. Auch der Glaube eines Menschen braucht immer wieder Auffrischung – durch das Lesen in der Bibel, durch Gebet oder einen Gottesdienstbesuch. Habe ich nicht auf das Navi geachtet, bin drauflosgefahren, dann sagt das Navi „Bitte wenden!“. So ist auch der Heilige Geist, er zeigt mir den Weg der Umkehr, egal wie oft ich ihn bereits ignoriert habe.

Was Herr Buß hier so ausführlich beschreibt, ist im Grunde nichts anderes als ein so genannter „Cargo-Kult.“

Was es damit auf sich hat, verdeutliche ich anhand einer Textstelle aus dem sehr lesenswerten Buch „Die Befreiung des Denkens – Auswege aus Unwissenheit und Aberglaube“ von Martin Meter am Ende dieses Beitrages.

Hä?

Möge der Hl. Geist, um den Christen in diesen Tagen beten, sie erfüllen für den Weg des Lebens als Kraft von oben, als Beistand Jesu.s [sic!] den Menschen von heute bringen.

Quelle: https://www.facebook.com/godlessindixie/

Oder anders formuliert, aus Sicht des Pfarrers: Möge es uns Priestern gelingen, in diesen Tagen noch ausreichend viele Schäfchen dazu zu bringen, uns unsere katholischen Cargo-Kult-Phantasien abzukaufen.

Nebenbei bemerkt: Bei Sätzen wie diesen frage ich mich einmal mehr, ob irgendwer nochmal drüberliest, was Herr Buß da so alles zum Besten gibt.

Andererseits: Für eine Aneinanderreihung von hohlen Phrasen scheinen Satzbau, Sinnhaftigkeit und eine klare Formulierung offensichtlich sowieso keine große Rolle zu spielen…

Eine solche Gleichgültigkeit dem Wahrheitsgehalt und der Sinnhaftigkeit der eigenen Aussagen gegenüber bezeichnet man gemäß der Definition des Philosophen Harry Frankfurt als „Bullshitting.“

Cargo-Kult damals und heute

Und jetzt nochmal zurück zum Cargo-Kult: Auch wenn Herr Buß zwar eine gewisse Vorstellung davon zu haben scheint, wie man ein Satelliten-gestütztes Navigationssystem nutzt, und auch, wenn er keine heiligen Holzkopfhörer baut, um die vermeintlichen Signale seines „Hl. Geistes“ empfangen zu können, erinnern seine Ausführungen über vermeintliche Parallelen zwischen GPS und „Hl. Geist“ trotzdem stark an die Insulaner, die genau das taten, um mit ihren Ahnen in Kontakt zu treten:

Um zu verstehen, was das wissenschaftliche Denken ausmacht, kann man zunächst ein Beispiel betrachten, an dem deutlich wird, was Wissenschaft nicht ist. Ein solches Negativbeispiel ist der sogenannte „Cargo-Kult“ der kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden war. Während des Kriegs waren Truppen der US-Armee auf einer Inselgruppe in der Südsee stationiert. Die Ureinwohner beobachteten, wie Flugzeuge der US-Armee landeten und wertvolle Fracht (engl.: cargo) lieferten, von der die Ureinwohner auch einen Teil bekamen.

Da sie zuvor nicht mit allzu viel Technik in Berührung gekommen waren, erschienen ihnen die reichhaltigen Frachtlieferungen als übernatürliches Wunder. Sie nahmen an, die Amerikaner würden die Fracht von ihren Ahnen erhalten. Wer sonst sollte über einen derartigen Reichtum verfügen, wenn nicht die ehrwürdigen, mächtigen Ahnen? Die Flugplätze mussten also eine rituelle Stätte sein, die dazu diente, die Lieferungen der Ahnen zu beschwören.

Als 1945 der Krieg endete,

kamen keine Flugzeuge mehr, die Lieferungen blieben aus. In der Hoffnung, dennoch weiter die begehrte Fracht zu erhalten, ahmten die Ureinwohner die Gepflogenheiten der Amerikaner nach: Sie bauten Landebahnen mit Fackeln (als Leuchtfeuer); sie bauten eine Hütte (als Tower), in der ein Ureinwohner (als Fluglotse) mit „Kopfhörern“ aus Holz saß, aus denen mehrere Bambusstäbe (als Antennen) herausragten. Diese Aktivitäten und der damit zusammenhängende Glaube wird als „Cargo-Kult“ bezeichnet.

Rein äußerlich gesehen ahmten die Ureinwohner das Verhalten der Amerikaner sehr gut nach. Aber die ersehnte Fracht kam trotzdem nicht. Was hatten sie bloß falsch gemacht? Warum ließen sich die Ahnen nicht mehr beschwören? Die Ureinwohner hatten mit ihrem Cargo-Kult einen entscheidenden Denkfehler gemacht, nämlich eine voreilige Schlussfolgerung. Sie verließen sich blind auf die Annahme, die begehrte Fracht könne nur von den Ahnen stammen. Alle anderen Möglichkeiten schlossen die Cargo-Kult-Anhänger von vornherein aus. Sie hielten ihre Annahme, ihren Glauben an die mächtigen Ahnen, irrtümlich für Wissen. Damit beraubten sie sich selbst der Gelegenheit, hinter die wirklichen Ursachen der Frachtlieferungen zu kommen, nämlich Technik und Wissenschaft.

Cargo-Kult-Wissenschaft

Anmerkung: Im nächsten Abschnitt geht der Autor auf das Phänomen Cargo-Kult in Hinblick auf die Wissenschaftlichkeit ein. Auch wenn die Theologie keine Wissenschaft ist, gilt das Geschriebene trotzdem auch für religiöse Cargo-Kulte.

In Anlehnung an den Cargo-Kult und seine falsche Auffassung der Ursachen bezeichnet man irrtümliche Annahmen, die an den wahren Ursachen vorbeigehen, als „Cargo-Kult-Wissenschaft“, als „Pseudowissenschafft“ oder „Scheinwissenschaft“. Gemeint ist damit etwas, das bei oberflächer Betrachtung wie Wissenschaft aussieht, aber tatsächlich gar keine ist. Um nicht den gleichen Fehler zu machen wie die Ureinwohner, ist es wichtig, echte Wissenschaft von Pseudowissenschaft zu unterscheiden. Aber wie kann man diese Unterscheidung zuverlässig vornehmen? Woran erkennt man echte Wissenschaft?

Bestimmt nicht an irgendwelchen Oberflächlichkeiten: Cargo-Kult-Wissenschaft macht, oberflächlich gesehen, durchaus den Eindruck einer richtigen Wissenschaft. Es kann komplizierte Regeln und ein eigenes, beeindruckendes Fachchinesisch geben; es kann Jahre dauern, bis man die Regeln und die Fachsprache einigermaßen beherrscht. Es kann ehrfurchtgebietende, komplizierte Gerätschaften geben, deren Zweck sich nur Eingeweihten erschließt. Die Cargo-Kult-Wissenschaft kann sogar eine gewisse innere Logik aufweisen – solange man die entscheidenden Fakten außer Acht lässt.

Was der Cargo-Kult-Wissenschaft aber fehlt, ist die angestrebte Wirkung – die kann sich höchstens durch Zufall einstellen, aber nicht als Erfolg des angewandten Cargo-Kults. Die Cargo-Kult-Wissenschaft bietet kein echtes Verständnis der zugrundeliegenden Zusammenhänge; sie liefert keine zutreffenden Erklärungen, sondern nur scheinbare Erklärungen. Deshalb funktioniert sie nicht. Cargo-Kult-Wissenschaft beruht auf Scheinwissen, d.h. auf Annahmen, die auf den ersten Blick plausibel erscheinen, die aber falsch sind. Dieses Scheinwissen führt dann zu Scheinproblemen. Das sind scheinbar sinnvoll gestellte Fragen, denen aber eine falsche Annahme zugrunde liegt und die im Rahmen der zugrundeliegenden, falschen Annahme nicht sinnvoll beantwortet werden können.

Der Fehler liegt nicht erst in den Antworten,

sondern er ist bereits fest in die Frage eingebaut. Ein detailliertes Scheinproblem des Cargo-Kults könnte zum Beispiel lauten: „Wie viele Antennen müssen die Holzkopfhörer haben, damit die Flugzeuge mit all den schonen Dingen bei uns landen?“ Diese Frage geht stillschweigend davon aus, dass es mit einer bestimmten Anzahl von Bambusstäbchen (als Antennenimitate) möglich ist, die ersehnten Flugzeuge herbeizurufen. Aber genau diese stillschweigende Annahme, diese Hypothese ist falsch; sie macht das Problem zum Scheinproblem. Es ist ganz egal, wie viele Bambusstäbchen ich an ein hölzernes Kopfhörerimitat ohne jede Elektronik anbringe, ich werde damit niemals irgendwelche Funksprüche von Flugzeugen empfangen.

Es gehört eben mehr als nur die äußere Form dazu, damit es funktioniert: In diesem Fall geht es u.a. um Stromkreise, Verstärker, Schwingkreise und Resonanzfrequenzen. Wenn man, wie die CargoKult-Anhänger, von solchen Dingen nichts weiß – wenn man die tieferen Zusammenhänge nicht kennt – dann läuft man Gefahr, sich mit dem Scheinproblem ewig im Kreis zu drehen und eine sinnlose, zum Scheitern verurteilte Cargo-Kult-Wissenschaft zu betreiben, die auf falschen Hypothesen beruht, falsche Fragen stellt und zu falschen Schlussfolgerungen führt.

Um das Problem wirklich zu klären,

muss man die von der Frage unterstellten, falschen Hypothesen verwerfen. Sobald man das tut, fällt die Frage als unsinnig sich zusammen. Die Cargo-Kultwissenschaft hält Scheinprobleme für echte Probleme und versucht, sie zu lösen, ohne den falschen Bezugsrahmen (den Glauben an die Ahnen) zu verlassen: unsinnige Fragen, die zu unsinnigen Antworten führen. Um also nicht in die Falle der Cargo-Kultwissenschaft zu tappen, muss man unter die Oberfläche dringen und zu einem tieferen Verständnis der Probleme gelangen. Nur so lassen sich die falschen Annahmen, die falschen Hypothesen zuverlässig ausschließen.

(Quelle: Martin Meter: „Die Befreiung des Denkens – Auswege aus Unwissenheit und Aberglaube“, Seite 30-32, Tectum-Verlag 2018; Absätze und Zwischenüberschriften von mir)

Fazit: Bullshit

Pfarrer Buß hat vermutlich freilich gar nicht die Absicht, falsche Hypothesen zuverlässig auszuschließen.

Es dürfte ihm schlicht egal sein, ob seine Impulse und deren stillschweigend angenommenen oder behaupteten Prämissen mit der Wirklichkeit übereinstimmen oder nicht.

Und genau das ist mit Bullshit gemeint.

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3 Gedanken zu „Gedanken zu: Das Gebet um den Heilligen Geist“

  1. Dazu folgende Bemerkungen:

    1. In der Presse kann man regelmäßig lesen, wohin ein Navi seine naiven Nutzer geschickt hat: In einen Teich, auf ein Zuggleis, auf eine Skipiste … Wer checkt eigentlich das religiöse Navi des Herrn Buß – und wie geht das?

    2. Was ist beim Navi des Patriarchen Kyrill und seiner russich-orthodoxen Kriegshetzertruppe schiefgelaufen – oder auch nicht? Wie kann da überhaupt etwas schieflaufen, wenn es doch die direkte Verbindung zur christlichen Kommandozentrale ist? Programmierfehler durch einen Erzengel? Und warum zeigt das Navi der ukrainischen Christenoberen was ganz anderes an? Fragen über Fragen … AWQ!

    3. Woher weiß Herr Buß eigentlich, dass er dem Navi eines heiligen Drittelgespenstes folgt und nicht Opfer eines satanischen Schabernacks (Skipiste!) wird? Ich verfolge seine diversen Ausführungen hier auf awq.de schon länger und habe den starken Verdacht, dass Skipisten, Teiche und Gleise sein natürliches Habitat darstellen.

    Antworten
  2. Zitat:

    „Der Nutzen des Navis hängt auch stark vom verwendeten Kartenmaterial ab: Ist es veraltet, ist die Funktion eingeschränkt; es braucht immer wieder ein neues update. Auch der Glaube eines Menschen braucht immer wieder Auffrischung – durch das Lesen in der Bibel, durch Gebet oder einen Gottesdienstbesuch.“

    Da redet der Kerl tatsächlich von veraltetem Material und empfiehlt dann ein 2000+ Jahre altes Märchenbuch aus der Bronzezeit.
    Das ist fast so, als hätte ich Probleme mit Windows10 und empfehle ein „Update“ auf MS-DOS!!!

    Kannste dir nicht ausdenken…“Kopf auf Tischplatte knall“

    Antworten
    • Mann o Mann o Mann, Herr Buß mal zwei Fragen:
      1. Wieviel Prozent Alkohol hat Ihr heiliger Geist?
      2. Ist es Kirsch-Geist oder Hochmoor-Geist?

      Meine dringenden Empfehlungen für Sie wären:
      1. Hände weg von jeglichem Geist!
      2. Benutzen Sie heiligen Verstand!
      3. Schmeißen Sie Ihre Navi in die Mülltonne!
      4. Hören Sie endlich auf Ihre Zuhörer für dumm zu verkaufen.

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