Das Wort zum Wort zum Sonntag: Die Lügen der Tröster

Lesezeit: ~ 9 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Die Lügen der Tröster, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 18.02.2023 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Nicht die außergewöhnlichen göttlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Handlungen seines Gottes sind für Herrn Höner von Bedeutung. Sondern die rein menschliche Reaktion des Gottessohns – wie sie wohl auch bei allen anderen Menschen in dieser Situation zu erwarten wäre.

Die Zusammenfassung der Hönerschen Anekdotensammlung übernimmt heute aus Zeit- und Relevanzgründen ChatGPT:

In heutigen „Wort zum Sonntag“ reflektiert der Autor, dass die besten Tröster oft diejenigen sind, die ähnliche Erfahrungen wie man selbst gemacht haben. In Zeiten von Krisen und Unsicherheit helfen keine einfachen Ratschläge oder Sprüche, sondern es ist wichtig, den Schmerz anzunehmen und mitzufühlen. Der Autor verweist auf die christliche Vorstellung von einem mitfühlenden Gott als echten Trost in schwierigen Zeiten.

Zusammenfassung von ChatGPT

Mit anderen, eigenen Worten: Dreieinhalb Minuten banale, unverfängliche Anekdötchen, um zu der trivialen Erkenntnis zu kommen, dass in manchen Situationen Mitfühlen wichtiger sein kann als konkrete Lebenshilfe.

Deshalb werfen wir direkt noch einen Blick auf den religiösen Aspekt der heutigen Sendung. Der bei einer Kirchenreklamesendung natürlich nicht fehlen darf:

…und vor Jesus…?!

[…] „Keiner spürt es so wie du“ – das war mal der Slogan einer Baumarktkette. „Keiner spürt es so wie du“. – Ein Grundsatz in der Seelsorge. Zum ersten Mal „umgesetzt“, als Jesus auf die Welt kommt.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag: Die Lügen der Tröster, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 18.02.2023 von ARD/daserste.de)

Mit solchen Aussagen wie dieser („Zum ersten Mal ‚umgesetzt‘, als Jesus auf die Welt kommt“) befeuert Herr Höner das Narrativ, die in den biblischen Mythen und Legenden beschriebenen Ereignisse seien gar der Ursprung von mitmenschlichem Verhalten und Empathie.

Was tatsächlich dabei herausgekommen war, ist in der 10bändigen „Kriminalgeschichte des Christentums“ nachzulesen.

Gott merkt…?!

Nachdem sich Herr Höner bis hierher zumindest noch im Bereich der irdischen, menschlichen Realität aufgehalten hatte, wechselt er jetzt mit der gewohnt schlafwandlerischen Selbstverständlichkeit hinüber in seine mythologisch erweiterte religiöse Phantasiewirklichkeit:

Gott merkt, er muss Mensch werden, damit er das Leben so spürt wie wir. Mit seinen Schönheiten und seinem Schmerz.

Wie passt diese ad hoc-Behauptung zur Vorstellung einer allmächtigen, allwissenden Entität?

Ein Gott, von dem behauptet wird, er sei nichts weniger als der Schöpfer des Universums, des Lebens und des ganzen Restes und verdiene deshalb höchste Verehrung und tiefste Unterwerfung, musste also erstmal irgendetwas merken, um dann in Menschengestalt das Leben so zu spüren zu können wie seine bevorzugte Trockennasenaffenart!?

Gott als Under-Cover-Boss?

Wie wohl die Gedankengänge aussehen müssen, um zu so einer Aussage kommen zu können?

…und Gott so: „Verdammt, da fällt mir gerade auf, dass ich trotz meiner Allmacht und Allwissenheit ja gar nicht weiß, wie es sich anfühlt, das Leben, das ich erschaffen habe selbst zu spüren. Also paare ich am besten einfach mal selbst mit einem Teenager-Weibchen und finde dann als Mensch heraus, wie die so ticken! Danach kann ich ja das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und mir den so entstandenden Halbgott als Menschenopfer für mich selber zu Tode quälen lassen, wegen der Schmerzerfahrung… …oder wenigstens so tun als ob. Das verkaufe ich den Trockennasenaffen dann noch als meinen Liebesbeweis. Runde Sache!“

…oder wie!?

Wenn Halbgötter weinen…

„Und Jesus gingen die Augen über“ (Joh 11,35) heißt es in einer Geschichte. Jesus weint über einen verstorbenen Freund. Gott weint. Er tröstet den Schmerz nicht weg, er durchlebt ihn mit. Es klingt verrückt: Kein starker Gott, der alles kann, tröstet mich und hat mich persönlich zu einem religiösen Menschen gemacht, sondern ein Gott, der mitfühlt, der lacht und weint. Für mich ein echter Trost. Vielleicht auch für Sie. Kommen Sie behütet durch die Nacht!

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag: Die Lügen der Tröster, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 18.02.2023 von ARD/daserste.de)

Mitfühlen, lachen und weinen sind Regungen von empfindungsfähigen, sozialen Lebewesen. Und das kann natürlich tatsächlich ein echter Trost sein.

Kein „echter“ Trost, sondern nur eine Einbildung, Wunschphantasie – oder auch ein schlichter Betrug – hingegen sind Götter. Egal, welche menschlichen Eigenschaften man ihnen zuschreibt: Sie werden dadurch kein bisschen realer. Das zeigt sich schon daran, dass es für den Effekt völlig egal ist, wer oder was mit „Gott“ gemeint sein soll.

Gott als Tröster: Betrug – oder Bullshit

Wenn ein Mensch vor rund 2000 Jahren gelebt haben sollte, dessen Biographie als Vorlage für den biblischen Gottessohnmythos gedient haben könnte, dann handelte es sich dabei um einen Menschen. Und nicht um einen Halb- oder Drittelgott, wie in der Bibel behauptet.

Wer wider besseres Wissen etwas anderes behauptet, der lügt (wie immer bis zum Beweis des Gegenteils). Und wem es egal ist, ob die Behauptung stimmt, der erzählt Bullshit.

Beides nichts, was man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Kosten der Allgemeinheit präsentiert bekommen möchte.

Mit der Vermenschlichung ihres magischen Himmelswesens (das sich ja per Definition der menschlichen Erkenntnis entzieht) in Form der biblisch-literarischen Kunstfigur Jesus Christus haben sich die Christen eine Möglichkeit geschaffen, ihrem Gott menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.

Wenn Götter zu Menschen gemacht werden – und umgekehrt

Und so wird – schwupps – aus dem weinenden, mitleidenden Mensch Jesus ein weinender, mitleidender Gott Jahwe. Damit Letzterer auch mal spürt, wie sich das so anfühlt. Woher sollte er das auch sonst wissen können, der allmächtige Allwissende.

Wie man eine solch bizarre Vorstellung als geistig gesunder Erwachsener im 21. Jahrhundert und aufgewachsen in einem Industriestaat mit Schulpflicht tatsächlich, also wirklich echt als tröstlich empfinden kann, erschließt sich mir beim besten Willen nicht.

Herr Höner scheint nicht zu bemerken, dass seinen Ausführungen zufolge Gott überhaupt keine Rolle spielt, wenn es um menschliche Eigenschaften wie Empathie und Altruismus geht.

Herr Höner hat seine Gottesvorstellung offenbar komplett „entgöttlicht“ und seinen Gott zum Menschen gemacht. Nicht die angeblich göttlichen, sondern die rein menschlichen Eigenschaften sind es, die er an seinem Gott schätzt und als tröstlich empfindet.

Da frage ich mich, was denn jetzt eigentlich noch fehlt, um die offenbar gar nicht mehr geglaubte und benötigte Bibelgott-Phantasie einfach ganz zu streichen und sich stattdessen gleich an menschlichen Vorbildern zu orientieren?

Und da gibt es ja jede Menge – aus allen Epochen, allen Kulturen und praktisch allen Weltanschauungen.

Ausgerechnet den biblischen Romanhelden Jesus halte ich jedoch für einen höchst frag- und kritikwürdigen Protagonisten.

Alle in den biblischen Jesuslegenden geschilderten Ereignisse und beschriebenen Personen sind nur Mittel zu dem einen Zweck, die uneingeschränkte Überlegenheit und absolute Macht des geglaubten Gottes zu bestätigen.

Worum geht es hier eigentlich?

So auch in der heute von Herrn Höner zitierten Geschichte aus dem Johannesevangelium (zitiert aus Johannes 11 EU):

  1. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, sieh: Der, den du liebst, er ist krank.
  2. Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.

Nicht nur in Bezug auf Papageien, sondern auch in Bibellegenden herrscht nicht immer Konsens darüber, was Menschen unter „tot sein“ verstehen:

  1. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.
  2. Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden.
  3. Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf.
  4. Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben.
  5. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen.

Nachdem der Gelegenheitsheiler Jesus also zuerst die Krankheit als nicht tödlich diagnostiziert hatte, war Lazarus dann doch gestorben. Oder, wie Jesus es formuliert hatte: Eingeschlafen. Um ihn, Jesus, den Gottessohn zu verherrlichen. Oder so ähnlich.

Wie schon oben kurz beschrieben, dienen alle biblischen Jesuslegenden der Überhöhung und Absolutierung des „einzig wahren“ Glaubens:

  • 17 Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. […]
  • 21 Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
  • 22 Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
  • 23 Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
  • 24 Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag.
  • 25 Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt,
  • 26 und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?
  • 27 Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Schlafen oder Sterben, Aufwecken oder Auferstehen…

Einmal mehr zeigt sich hier, wie wichtig es ist, ein möglichst klare und eindeutige Sprache zu verwenden. Denn damit kann man Missverständnisse vermeiden. Und Hochstapler entlarven, die sich gerne mit Ausreden wie: „Aber das habe ich doch ganz anders gemeint…!“ herauszureden versuchen.

  1. Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
  2. Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert.
  3. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!
  4. Da weinte Jesus.
  5. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!

Der dramaturgische Kniff ist nicht schwer zu durchschauen: Wenn der Gottessohn weint, weil der befreundete Bruder seiner Affaire (bzw. Affairen, wenn man Marias Schwester Marta mitzählt, vgl. Joh 11,5) gestorben ist, dann soll damit „bewiesen“ werden, dass dieser Gottessohn zweifellos ein „richtiger“ Mensch mit eindeutig menschlichen Eigenschaften gewesen sein muss.

Und natürlich auch, um sicherzustellen, dass Lazarus eben nicht nur eingeschlafen, sondern tatsächlich gestorben war.

Um das gleich folgende Auferweckungswunder noch wundersamer erscheinen zu lassen, lässt der anonyme Autor mit Pseudonym Johannes Marta sogar noch darauf hinweisen, dass der Leichnam nach nunmehr vier Tagen schon angefangen habe zu riechen. So wird auch dem einfältigsten Schäfchen klar: Jetzt kann, wenn überhaupt, nur noch ein Wunder helfen! Solche sprachlichen Tricks sind in der Bibel immer wieder anzutreffen.

Fun Fact am Rande: Obwohl unzählige Legenden über angeblich Mensch gewordene Gottessöhne existieren, glauben und behaupten Christen gerne, dass die Menschwerdung ausgerechnet ihres Gottes ein unzweifelhafter Beweis für dessen Existenz und Gnade sei. Diese Überzeugung wird durch viele biblische Narrative gestützt, in denen dem Gottessohn menschliche Eigenschaften angedichtet werden.

…na wartet, euch werde ich’s zeigen!

Und jetzt kommt ein spannendes Detail: Wäre Jesus von der Trauer der Maria tatsächlich so berührt gewesen, hätte er Lazarus ja auch aus eigenen Stücken auferwecken können. Zumal er sich ja vorab zumindest schon von Marta deren „Rechtgläubigkeit“ hatte bestätigen lassen.

Aber nein – erst, als die Juden seine magische Superpower in Frage stellen, bleibt dem Gottessohn nichts übrig, als seine Göttlichkeit unter Beweis zu stellen:

  1. Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?
  2. Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war.
  3. Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagte zu ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.
  4. Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
  5. Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.
  6. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.
  7. Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!
  8. Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!

Das ganze Herumgeeiere des Jesussohns lässt vermuten, wie verzweifelt der Autor versucht haben muss, der Story auf Biegen und Brechen irgendeine Kontinuität zu verleihen.

Eigentlich geht es um Judenbekehrung

…und schließlich erfahren wir noch, worum es in dieser Geschichte eigentlich geht:

  1. Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und zugeschaut hatten bei dem, was Jesus getan hatte, wurden an ihn gläubig;

Wie viele andere Bibelgeschichten soll auch diese Legende zeigen, dass Jesus, seine Taten und Aussagen so außergewöhnlich und bedeutsam gewesen sein müssen, dass sogar Juden ihren bisherigen Glauben für diese Lehre aufgaben.

Das von Herrn Höner hervorgehobene Weinen des Gottessohns ist dabei nichts weiter als ein Element, um die Dramatik zu steigern und die anschließende göttliche Machtdemonstration in Form deiner angeblichen Erweckung eines Toten noch außergewöhnlicher erscheinen zu lassen.

Kommen wir jetzt nochmal zurück zu den Ausführungen von Herrn Höner. Und dazu, wie er mit diesem Text umgeht.

Jetzt weenta wieda…[1]frei nach Max Goldt

Von einer Geschichte, in der der Sohn seines Gottes mal eben die Naturgesetze außer Kraft setzt und einen stinkenden Leichnam nach vier Tagen Postmortalität wieder zum Leben erweckt, findet Herr Höner einzig die menschliche Regung, nämlich das Weinen des Gottessohnes aus Mitleid mit der Schwester des Verstorbenen für tröstlich und deshalb erwähnenswert.

Nochmal: Die unerhört außergewöhnliche und geradezu un-glaubliche Vorstellung, der geglaubte Gott sei in der Lage und unter Umständen (zum Beispiel, wenn er provoziert wird) auch willens, seine Macht unter Beweis zu stellen, indem er einen zweifellos Toten wieder zum Leben erweckt findet Herr Höner indes nicht erwähnenswert. Sondern nur die rein menschlichen Gefühle des Gottessohnes – solange er sich rein menschlich verhält.

Alles, was in dieser Geschichte mit Gott zu tun hat, spielt dabei für Herrn Höner erstmal überhaupt keine Rolle.

Wie oben schon geschrieben: Statt jetzt diesen offensichtlich obsolet gewordenen Gott einfach zurück zu den tausenden anderen Gottheiten in die Bedeutungslosigkeit zu schicken, macht Herr Höner das genaue Gegenteil:

Er dichtet die von ihm gelobten menschlichen Eigensschaften seinem Gott an. Und kreiert sich so eine Vorstellung von einem Gott, der deshalb tröstlich wirkt, weil er sich mitmenschlich – und eben ausdrücklich nicht göttlich – verhält.

Ein mitfühlender und mitleidender Gott ist genau das, was Herr Höner eigentlich anprangert: Eine Lüge des Trösters.

Der Pfarrer projiziert positive menschliche Eigenschaften auf ein magisch-mythologisches Phantasiewesen. Um sich dann selbst damit zu belügen, dass dieses Wesen – explizit nicht wegen seiner göttlichen, sonder wegen seiner menschlichen Eigenschaften – ein „wahrer Tröster“ sei.

Und ganz nebenbei liefert er so auch noch ganz elegant und „über Bande gespielt“ eine Begründung und Entschuldigung dafür, dass sein allmächtiger allgütiger Gott noch niemals irgendein Leid tatsächlich gemindert oder verhindert hat:

Wenn unter Menschen manchmal Mitfühlen und -leiden wichtiger ist als aktives Handeln oder gute Ratschläge, dann ist das bei Gott eben auch so.

Ja, kann man natürlich machen. Aber warum sollte man das tun?

Mir fallen zwei plausible Gründe ein:

Entweder: Enttäuschung über erhofftes, aber nicht erhaltenes Mitgefühl von realen Menschen. In diesem Fall könnte ein Psychologe oder Psychotherapeut sicher weiterhelfen. Nicht einer, der sich um „Seelen sorgt.“ Sondern einer, der Menschen dabei unterstützt, mit sich selbst und mit ihrer Umwelt klar zu kommen.

Oder, als zweiter möglicher Grund, wenn das Einkommen davon abhängt, dass noch ausreichend viele Leute den angepriesenen Gott (genauer: die Leute, die ihn anpreisen und vertreiben) für relevant, glaubwürdig, zumindest aber für finanziell unterstützenswert halten.

Weder der erste, noch der zweite Grund rechtfertigen es aus meiner Sicht jedoch, dass einem davon Betroffenen Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Verfügung gestellt und das Ganze von der Allgemeinheit bezahlt wird.

Etwas anderes wäre es, wenn religiöse Themen nicht in Form von unmoderierten Verkündigungen, sondern zum Beispiel im Rahmen einer moderierten Gesprächsrunde im Fernsehen besprochen werden würden.

Answers without questions

Nach über 300 von mir kommentierten „Wort zum Sonntag“-Sendungen weiß ich, dass zu jeder Sendung Fragen entstehen. Fragen, die im Sendeformat einer rein einseitigen religiösen Verkündigung, genauso wie auch in Gottesdiensten, freilich nie gestellt werden können.

Und die deshalb nicht nur ungefragt, sondern (bis auf die Handvoll Antworten der Verkündenden auf Nachfragen per E-Mail) auch unbeantwortet bleiben.

Das hat zur Folge, dass es religiösen Verkündern völlig egal sein kann, inwieweit das, was sie verkünden mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Oder ob es auch noch bei Licht betrachtet wirklich so ethisch wertvoll ist, wie sie es gerne darstellen.

Das Ergebnis sind dann Verkündigungen wie die heutige, in der Herr Höner die Lügen der Tröster anprangert, offenbar ohne zu bemerken, dass die Behauptung eines Tröster-Gottes genau eine solche Lüge darstellt.

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Fußnoten

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1 frei nach Max Goldt

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8 Gedanken zu „Das Wort zum Wort zum Sonntag: Die Lügen der Tröster“

  1. „Zum ersten Mal ‚umgesetzt‘, als Jesus auf die Welt kommt“
    Ein kleiner Flecken namens Judäa oder Galiläa ist aber nunmal „nicht die Welt“ ! Von den Zuständen auf anderen Teilen der Erde hat er „nichts geahnt, nichts geahnt“ ! (Kardinal Meisner zum Missbrauch durch Kleriker in seiner Diözese).

    „Und nicht um einen Halb- oder Drittelgott, wie in der Bibel behauptet.“
    Nach Adam Riese wäre das ein Sechstel-Gott.

    „ihrem Gott menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.“
    Gerade die „Leidens“-Geschichte strotzt nur so von plumpen Antropomorphismen. Die Dreifaltigkeit scheint da komplett auseinandergefallen. Allein die extrem weinerliche Rede vom Vater, der seinen EINGEBORENEN Sohn opfert. ER hätte ja wohl auf allen Erdteilen noch eine Unmenge Jungfrauen schwängern können, bzw. vom Heiligen Geist „überschatten“ lassen können. Hätte durchaus auch mal eine Tochter dabei rausspringen können.

    „Herr Höner hat seine Gottesvorstellung offenbar komplett „entgöttlicht“ und seinen Gott zum Menschen gemacht. Nicht die angeblich göttlichen, sondern die rein menschlichen Eigenschaften sind es, die er an seinem Gott schätzt und als tröstlich empfindet.“
    GENAU !
    Überhaupt bleiben Gläubige beim Denken von ALLmacht, ALLwissenheit und ALLgüte gern auf halbem Weg stehen: da Gott etwas mächtiger ist als ICH ist ER ALLmächtig, da Gott ein bisschen mehr weiß als ICH ist ER ALLwissend, da Gott etwas gütiger ist als ICH ist ER ALLgütig. Und schon ist das Theodizee-Problem vom Tisch. Mehr kann und darf man von IHM schließlich nicht verlangen !

    „25 Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, 26 und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?“
    Ja was denn nun ? Stirbt man, wenn man an IHN glaubt oder stirbt man nicht ?

    „verhindern können, dass dieser hier starb?“
    Sicher hat er von Lazarus Tod „nichts geahnt, nichts geahnt“. Aber warum WEINT die Heulsuse denn ? Er weiß doch, dass er ihn gleich wieder aufwecken wird ! Oder hat er auch davon noch „nichts geahnt, nichts geahnt“.

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  2. Noch schlimmer wirds, wenn man dies menschliche Mitgefühl, die Fähigkeit zu Trauer und Freude diesem so bezeichneten „Gott“ zugesteht.
    Dann darf es einen auch nicht verwundern, dass eben dieser „Gott“ sich köstlichst darüber amüsiert, wie die von ihm fehlbar erschaffenen auf ewig in der Hölle leiden…
    Welch göttliche Genugtuung, welch herrlicher Sadismus, preiset die Gnade der gütigen Peitsche…

    Ich geh mal kurz aus Mitgefühl kotzen!!!

    Was auf/für die Ohren?! : Suffocation -Jesus wept- AAAArrrrghhh!!!

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  3. Ist es nicht rührend, wie der Gottessohn menschelt?
    Er ergrimmt und erbebt innerlich zweimal – so in der Luther-Übersetzung -, und dann weint er auch noch. Krokodilstränen? 😉
    Das war es doch, was die Christen brauchten: Einen Gott zum Anfassen, und dabei ein Tausendsassa.
    An sich eine geniale Idee.

    Dass jedoch von ihm ausserbiblisch fast nichts bekannt ist, ausser dass ein gewisser Unruhe stiftender Wanderprediger, den seine Anhänger Christos nannten, und der von den Juden bzw. den Römern gekreuzigt wurde wie viele zur damaligen Zeit, stört aber gläubige Christen nicht im geringsten. Auch dass selbst in der Bibel keine Beschreibung seiner Person zu finden ist, also niemand weiss, wie er ausgesehen hat, stört ebenfalls nicht.

    Noch weniger stört der Widerspruch, dass lt. Bibel einerseits dermassen viele und sensationelle Wunder durch ihn gewirkt wurden einschliesslich der Totenerweckung anderer und seiner eigenen Person mit anschliessender Himmelfahrt, und andererseits ausserbiblisch davon nichts, aber auch rein gar nichts überliefert ist, wo doch Geschichtsschreiber wie Flavius Josephus, Tacitus, Plinius, Sueton etc. von Jesus wussten und auch – allerdings nur beiläufig – geschrieben, auch sehr detailliert über alles Mögliche, doch viel weniger Erstaunliches berichtet haben, aber leider nichts über Brotvermehrung, Über-Wasser-Laufen, Toten-Erweckung, unzählige Heilungen Unheilbarer etc. etc., wo doch lt. Bibel Tausende davon Zeuge waren.

    Bei diesen offensichtlichen Hirngespinsten, die immer noch als wahr geglaubt werden, kommt es nun auf ein weiteres Hinrgespinst nicht mehr an:
    Jesus als Erfinder des echten Trostes!
    Und dann auch noch die zitierte Bibelstelle als Nachweis dafür! Ausgerechnet!
    Wo ist denn da der Trost?
    Ganz einfach: die Totenerweckung.

    Wie einfach doch Trösten geht! 😉

    By the way: Was wäre eigentlich aus dem Christentum geworden ohne die ganzen Wunder?

    Antworten
  4. Was sind das für Menschen, die Trost und Halt in einem Fantasie-Wesen suchen, der sie nach ihren Vorstellung dann auch prompt in die Arme schließt und mit ihnen kuschelt!

    Antworten
    • Kleine Kinder mit Teddys/Barbypuppen/imaginären Freunden?!

      Steht ja schon im grossen Märchenbuch: Wer so naiv und formbar ist und sich verhält wie ein kleines Kind, darf weiter mit nem imaginären Freund kuscheln.
      Wer das allerdings ist, bzw. sein soll, wird aber von anderen festgelegt…
      …und wer nicht kusche(l)n will, der wird verb(r)annt!!!

      Welch grenzenlose Liebe (nicht)!

      Antworten
    • Dieses durch religiöse Ideologie geschaffene Fantasiewesen bedient aber die Sehnsucht der Menschen oder jedenfalls vieler Menschen nach dem ewigen, liebevollen, sorgenfreien, friedlichen Wohlfühlen im Paradies, möglichst noch mit Jungbrunnen und Schlaraffenland, oder was auch immer die Wunschträume seit Menschengedenken sein mögen.
      Diese Versprechungen der Religion üben immer noch eine starke Attraktivität auf viele Menschen aus, selbst wenn sie mit Angst, Unterwerfung und Strafandrohungen erkauft werden müssen.

      Dass aber immer mehr Menschen mit Hilfe von Bildung, Wissenschaft und der Fähigkeit, Widersprüche als solche zu erkennen, das Unechte, das Perfide, das Obskure der Religion durchschauen, ändert zwar nichts an ihren Wunschträumen, aber es schmälert stetig die Macht und den Einfluss des institutionellen Glaubens.
      Das tröstet mich wiederum. 😉

      Antworten
  5. Also, das muss dann wohl so gewesen sein: Nachdem Jahwe die ganze Menschheit bis auf Noah & Team ertränkt, zahlreiche Kinder in Ägypten umgebracht und „seine“ Israeliten mehrmals zum gründlichen Völkermord motiviert hatte wunderte er sich, warum diese von ihm konzipierten und erschaffenen Menschen-Memmen da ständig weinen, herumjammern oder nicht aus dem Nörgeln herauskommen. Und da kam ihm die Idee mit Jesus und der Menschwerdung: „Mal ausprobieren, das interessiert mich jetzt echt ….“ Der Rest ist Legende.

    Antworten

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