Auferstehung now – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

Auferstehung now – das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 29.03.2024 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Wenn gläubige Kranke gesund werden, fühlen sie sich von Gott getragen. Und wenn nicht, hoffen sie eben auf Auferstehung und Ewigkeit.

Auferstehung now

Ob der heutige Titel einfach nur „jugendlich“ klingen soll oder ob es sich um eine subtile Hommage an die ähnlich klingende Kampagne „Katholizismus wow“ von Kardinal Ignatius Glick handelt, bleibt Frau Eicherts Geheimnis.

Guten Abend. Es ist Osternacht. Die Nacht, in der diese Drehung passiert vom Tod zum Leben. Jesus stirbt elendig am Kreuz – das war Karfreitag. Seitdem nur Totenstille. Doch heute Nacht soll das Wunder geschehen: die Auferstehung.

Auferstehung – jetzt? Inmitten der Kriege, Katastrophen, Krankheiten? Wie viele leiden, wie viele trauern. Auch jetzt. Heute Nacht. Wird am Ende trotzdem alles gut?

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Auferstehung now – Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht am 29.03.2024 von ARD/daserste.de)

Die Auferstehung, die in der biblisch-christlichen Mythologie (wie in zahlreichen früheren und späteren Göttersagen auch) beschrieben wird, scheitert auch dieses Jahr wieder nicht an den derzeitigen irdischen Umständen mit Kriegen, Katastrophen und Krankheiten.

Sondern daran, dass es sich bei einer „Auferstehung“ nicht um ein reales, tatsächliches, sondern um ein mythologisches, fiktives Ereignis handelt.

Oder, in Anlehnung an 1. Korinther 15,13-14: Es gibt keine Auferstehung von den Toten, auch Christus ist nicht auferweckt worden und deshalb ist eure Predigt leer und leer auch euer Glaube. That is all. Get over it.

Und ganz abgesehen von der fehlenden Plausibilität einer „Auferstehung“ an sich:

Wie kann man denn ernsthaft davon ausgehen, dass eine solche (oder irgendein anderes angebliches mythologisches Ereignis) möglicherweise tatsächlich irgendetwas bewirken könne, zum Beispiel, dass „am Ende trotzdem alles gut“ wird? Abgesehen freilich davon, was Menschen, die daran glauben, wegen dieser Glaubensgewissheit tun oder nicht tun?

Vermischung von irdischer Realität und religiösen Wunschphantasien

Wenn man als erwachsener, geistig gesunder und ansonsten vermutlich kritisch und vernünftig denkender Mensch im 21. Jahrhundert nicht in der Lage und/oder willens ist, zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn religiöse Phantasievorstellungen und irdische Wirklichkeit nicht übereinstimmen.

Schon allein, wie man es fertigbringt, sich jedes Jahr aufs Neue einzureden (und sich damit auch noch vor eine Kamera des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stellen), legendenhafte, nicht reale, sondern von Menschen ausgedachte mythologische Schilderungen seien etwas, was sich nicht nur irgendwann mal, sondern jedes Jahr aufs Neue ereignen würde, ist mir unerklärlich.

Noch verwirrter erscheint mir die Relevanz, die Gläubige ihren Glaubensmärchen zuschreiben:

Sie behandeln ihre Narrative ja nicht etwa wie zum Beispiel die Geschichte vom Osterhasen, der die Eier versteckt. Sondern so, als hätten die Legenden ausgerechnet der Religion, der sie angehören – anders als alle anderen magisch-mythologischen Phantasieerzählungen von Göttern, Geistern und Gottessöhnen, die sich Menschen schon zusammengesponnen hatten – nicht nur irgendeine, sondern gar die höchste Relevanz für ihr Leben. Das, worauf es ankommt, von dem alles für sie abhängt und das, was angeblich nur ihr Götterwesen zu bieten hat.

Dass die Auferstehungslegende ihres biblischen Gottessohns teilweise wortwörtlich von älteren Schilderungen anderer Halbgötter und Gottessöhne abgekupfert wurde, scheint Christen heute nicht mehr bewusst zu sein. Sie halten die angebliche Menschwerdung, Hinrichtung und Auferstehung ihres Gottes für ein Alleinstellungsmerkmal – und für einen untrüglichen Beleg dafür, dass ihre Religion die einzig wahre sein muss.

Theodizee – tut mir nicht weh

Weiter gehts mit einem weiteren gescheiterten Versuch, die sehr einfache Antwort auf die Theodizee-Frage (sie lautet: einen solchen Gott gibts nicht) zu bewältigen.

Frau Eichert erzählt von einem Youtuber, der im Verlauf einer letztlich tödlich endenden Krebserkrankung „zurück zum Glauben“ gefunden habe:

Er ist überzeugt: Gott wird ihn heilen.

Dann – die dritte Krebsdiagnose. Die Hoffnung wackelt. Philipp geht es richtig schlecht – und trotzdem: Er hält an Gott fest. Sagt, man „kann Gott eben nicht komplett erklären. Basta“.

Seine Freunde staunen über so viel Gottvertrauen. Denken: Jesus darf ihn doch nicht elendig verrecken lassen. Sie wollen sehen, dass Jesus jetzt für ihn da ist. Ihn heilt. Das Wunder – es bleibt aus. Philipp Mickenbecker stirbt.

Bis zum Schluss blieb er zuversichtlich. Er hatte seinen Frieden im Glauben gefunden. In seiner letzten Videobotschaft sagt er: „Und ich freue mich, Euch alle in der Ewigkeit wiederzusehen.“

An diesem Beispiel lässt sich gut nachvollziehen, wie der religiöse (Selbst-)betrug funktioniert:

Ein belastender, in Fall einer Krebserkrankung lebensbedrohlicher Faktor, raubt einem Menschen seine Hoffnung.

Zur Kompensierung dieser Hoffnungslosigkeit besinnt sich der Betroffene auf ein passend für seine Situation zurechtinterpretiertes Heilsversprechen seines Glaubens, zu dem er jetzt „zurückfindet.“

Ab sofort wird jedes noch so schwache Anzeichen von gesundheitlicher Verbesserung oder wenigstens Stagnation der Erkrankung zum eindeutigen Beweis für die Wirksamkeit des diesbezüglichen Bittgebetes, auf jeden Fall aber als Indiz für göttliches Wohlwollen uminterpretiert.

Die ausbleibende Heilung, auf die die Freunde des Erkrankten verständlicherweise nicht gerade verständnisvoll reagieren (welche Gründe sollte ein allmächtiges allgütiges Wesen schon haben, ihren lieben und lustigen Freund „elendig verrecken“[1]Frau Eichert scheint ein absonderliches Faible für derbe Formulierungen zu haben zu lassen) bringt den Gläubigen, der ja sowieso nichts mehr zu verlieren hat, nicht etwa dazu, seine gerade erst aufwändig renovierte religiöse Scheinwirklichkeitskulisse wieder einzureißen.

Erstmal entschuldigt er seinen Gott, indem er die Diskrepanz zwischen erhoffter/erbetener und ausbleibender göttlichen Hilfe mit dem eigenen Unvermögen begründet, die unergründlichen göttlichen Wege zu durchschauen.

„Ewigkeit“: Fiktive Hoffnung für hoffnungslose Situationen

Und als dann alles zu spät ist, flüchtet er sich einfach in die nächste Stufe des religiösen Heilsversprechens, die Religionen so erfolgreich gemacht haben: Die Vertröstung in eine jenseitige und zumindest in der religiösen Form rein fiktive, illusorische „Ewigkeit.“

Mit dem Konzept der himmlischen Ewigkeit spielt es letztlich überhaupt keine Rolle, wie die jeweils geglaubten guten Mächte das mit der wunderbaren Geborgenheit im Diesseits konkret in die Tat umsetzen – oder ob überhaupt.

Es reicht, sich einzureden, dass die Unterwürfigkeit noch überzeugend genug war, um in den Genuss zu kommen, vor dem verschont zu werden, was einem der liebe Gott bei mangelnder oder gar fehlender Unterwürfigkeit androht.

Und da der Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie ja auch allwissend sein soll, dürfte es genügen, diese Unterwürfigkeit zur Not auch nur rein gedanklich, aber eben gerade noch rechtzeitig vor Ende des irdischen Gastspiels Gott gegenüber wenigstens gedanklich zum Ausdruck gebracht zu haben.

Real life in Gänsefüßchen

Für ihn war auch der Himmel „real life“, ein Teil der Wirklichkeit. Ich kenne diesen inneren Frieden, seit ich selbst eine Krebsdiagnose zu verkraften hatte. Inmitten aller Sorge war ich getragen, bin nicht in ein Loch gefallen: GOTT sei Dank.

Danken Sie keinen Göttern, sondern sich selbst. Und den Menschen, deren Forschung Sie die diagnostischen und medizinischen Möglichkeiten verdanken, die Ihnen heute zur Verfügung stehen.

Dass in Wirklichkeit Sie selbst es waren, die sich inmitten aller Sorge selbst getragen hatte, können Sie ganz einfach feststellen, Frau Eichert:

Es spielt keine Rolle, womit Sie den Platzhalter „Gott“ füllen. Von wem hätten Sie sich wohl inmitten aller Sorge getragen gefühlt, wenn Sie zum Beispiel in einer Hindu-gläubigen Familie in Indien aufgewachsen wären? Oder als Sentinelesin?

Für den Effekt, den Sie hier als „inneren Frieden“ bezeichnen, ist es sogar völlig einerlei, ob es den von Ihnen geglaubten (oder irgendeinen) Gott tatsächlich gibt oder nicht. Denn dieser Gott verhält sich, sollte es ihn geben, exakt so, als gäbe es ihn nicht. Wie alle anderen Götter auch.

Übrigens: Auch Menschen, die an keine Götter oder Jenseitsfiktionen glauben, finden geeignete Mittel und Wege, mit schwierigen und auch mit aussichtslosen Situationen umzugehen.

Loch-Gott

Ich stelle folgende Vermutung an: Das Loch, in das Sie „GOTT sei Dank“ nicht gefallen waren, war erst dadurch entstanden, dass sich Ihr Gott nicht so verhalten hatte, wie Sie sich das von ihm erhofft hatten und wovon Sie bis zum Zeitpunkt Ihrer Krebsdiagnose vermutlich die meiste Zeit ausgegangen waren: Meinen Gott gibt es wirklich und ich bin ihm nicht egal.

Wenn Sie, was ich Ihnen von Herzen wünsche, den Krebs überwunden haben, werden Sie das vermutlich ebenfalls der Gnade Ihres Gottes zurechnen.

Quelle: Netzfund

Und wenn es dereinst doch zu Ende geht, switchen Sie einfach um vom Wunderheilungs- zum Ewigkeitsnarrativ. Als Zusatzjoker steht Ihnen dann noch die angebliche Unergründlichkeit göttlicher Wege zur Verfügung. Die Methode von Gläubigen zur Bewältigung der Sinnlosigkeit von Leid besteht aus der Hoffnung auf Unsinn.

Nach meiner persönlichen Einschätzung sind Gläubige im Umgang mit Leid wesentlich schlechter dran als Menschen ohne Götterglaube: Tröstlich können solche Vorstellungen ja nur so lange sein, wie man sie an der eigenen intellektuellen Redlichkeit und Vernunft vorbeischmuggeln kann. Gelingt das nicht mehr, verfliegt die illusorische Hoffnung genauso schnell wie der Rausch, nachdem die Schnapsflasche geleert ist.

Grundsätzlich ist gegen religiöse Realitätsflucht und -verweigerung natürlich erstmal nichts einzuwenden: Die Gedanken, und damit auch religiöse Gedanken sind (zumindest hierzulande und dank Aufklärung und Säkularisierung) heute freier denn je. Wem Leid erträglicher erscheint, indem man ihm mit „Es ist alles Gottes Wille“ einen (unsinnigen) Sinn andichtet, der möge das tun.

Irreführung zum eigenen Vorteil

Anders verhält es sich, wenn eine Berufschristin, deren Einkommen davon abhängt, dass noch genug Menschen ihren Gott wenigstens für so relevant halten, dass sie ihre Kirchenmitgliedschaft nicht beenden, mit solchen Gedanken in einer unmoderierten Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu Wort meldet.

Auch Philipps Freunde sind wieder aufgetaucht aus ihrer Trauer. Sie leben und glauben und tüfteln weiter. Philipps Auferstehungshoffnung hinterlässt Spuren.

Klar: Eine christliche Auferstehungshoffnung kann genauso Spuren hinterlassen wie eine hinduistische Hoffnung auf Wiedergeburt. Oder die Hoffnung der Pastafari auf die fürs Jenseits versprochene Stripperfabrik mit Biervulkan.

Menschen hatten und haben schon alle möglichen Phantasien entwickelt, die sie als hoffnungsvoll empfunden hatten.

Worin das jeweilige Heilsversprechen konkret besteht, ist dabei völlig irrelevant. Und so sind es, wie wir Frau Eicherts Formulierung entnehmen können, auch nicht die Auferstehung und deren angebliche Folgen an sich, die Spuren hinterlassen. Sondern nur die darauf bezogene Hoffnung eines Gläubigen, nachdem alle Hoffnung auf göttliche Hilfe im Diesseits dahin war.

Durch die öffentliche Verkündigung wird solcher Selbstbetrug, der als solcher unter Meinungs-, Glaubens-, Gedankenfreiheit fällt zum Betrug.

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Fußnoten

Fußnoten
1 Frau Eichert scheint ein absonderliches Faible für derbe Formulierungen zu haben

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5 Gedanken zu „Auferstehung now – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Geht es nur mir so, oder ist ein neuer Trend in der Werbestrategie der christlichen Religion auszumachen?
    Nächstenliebe, Klima, Menschenrechte – das war einmal. Zieht nicht mehr, ist schon längst von anderen besetzt und bei denen viel glaubwürdiger aufgehoben. Synodaler Weg passe´. Nicht nur aus Rom kommen andere Töne (siehe Schreiben „Dignitas infinita“), sondern auch vom Wort zum Sonntag (Höner, jetzt Eichert).
    Neuevangelisierung ist angesagt.

    Womit kann man also – vermeintlich – noch punkten in dieser heillosen säkularen Welt?
    Richtig, mit den alten Kamellen: mit Himmel und Hölle, Tod und ewigem Leben, Trost und Gerechtigkeit im Jenseits, wo alles Leid ein Ende hat. Die Sinnfrage ist wieder ganz oben auf der Liste der christlichen Umkehr-Strategen.
    Afrika ist das Vorbild, nicht Europa. Zurück in die Voraufklärung.
    Das wird zwar in Europa, Teilen Asiens/Ozeaniens und wohl auch in Amerika nicht mehr viel fruchten, aber versuchen muss man es ja trotzdem. Die Zeit ist auch – scheinbar – gerade günstig bei den vielen politischen und militärischen Verwerfungen.

    Ich bin zwar fest davon überzeugt, dass das säkulare Jahrtausend angebrochen ist, aber bis zu dessen Verstetigung wird noch einige Zeit vergehen und mancher Kampf
    noch ausgefochten werden müssen.

    Antworten
    • Vielleicht sollte man dem Vatikan mal nen findigen Unternehmensberater zur Seite stellen, selbst der CEO der CHURCH OF SATAN hat seit +2000 Jahren es nicht geschafft deren Marketingstrategie zu verbessern…

      …Vielleicht liegts aber auch nur am Produkt selbst?!

      Antworten
      • Da fallen mir die Brüder Grimm und Walt Disney ein. Die sind doch bestimmt im Himmel und hätten sicher jede Menge Zeit. Von denen könnte sich der liebe Gott doch coachen lassen.
        Allerdings schätze ich die Erfolgsaussichten trotzdem als recht gering ein, wie von Ihnen schon richtig vermutet.
        Der Volksmund hat dafür einen schönen Satz geprägt:
        Man kann einem Esel/Affe/Schwein einen Frack anziehen, es bleibt dennoch ein Esel/Affe/Schwein.

        Antworten
  2. Ich unterstütze Ihre Meinung zur Kehrtwende der Kirche im Predigen. Sie waren jetzt 2000 Jahre mit Tod, Hölle und Teufel unterwegs. In den letzten 100 Jahren wurde uns nur noch salbungsvoll das Geschwätz von der Nächstenliebe, der unendlichen Liebe erzählt.
    Jetzt also wieder Hölle, Teufel und Tod.
    Die Pascalsche Wette soll also nach Frau Eichers Meinung ihre Sekte retten.

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  3. Selbst tiefst gläubige Menschen/Christen, kommen ohne weltliche Hilfe nicht aus.
    Wenn das eigene Haus brennt, wird die Feuerwehr gerufen und nicht dafür gebetet, dass Gott einen ergiebigen, kräftigen Regenschauer schickt, der das Feuer löscht!

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