Zu diesem Zitat von Jean Meslier:
…hatte ein Facebook-User angemerkt, dass diese Aussage sachlich falsch und völliger Unsinn sei.
Auf Nachfrage erklärt er seine Einschätzung wie folgt:
Der Bruder des Glaubens ist der Zweifel. Glaube und Zweifel bedingen sich gegenseitig. Glaube wird dadurch gestärkt indem man ihn hinterfragt. Thomas wird Didymus, Zwilling, genannt. Gemeint sind mit den Zwillingen der Glaube und der Zweifel. Der Mensch wird nicht zum blinden naiven Gauben aufgefordert, sondern diesen mit Verstand zu erforschen. Das Christentum widerspricht keinen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Jochen Wirtz via Facebook)
Interessanterweise setzt der Diskutant „Vernunft und gesunden Menschenverstand“ offenbar mit „Glaubenszweifel“ gleich.
Schauen wir uns die Argumente mal kurz (so kurz wie gemäß Brandolinis Gesetz möglich) im Einzelnen an:
Glaube und Zweifel
Der Bruder des Glaubens ist der Zweifel. Glaube und Zweifel bedingen sich gegenseitig.
Glaube im religiösen Sinn bedeutet, Behauptungen von „Heiligen Schriften“ und ihren Priestern für wahr zu halten. Für diese Form des unbedingten Zustimmens hat das Christentum mit Amen sogar einen eigenen Begriff. Was sich hier gegenseitig bedingen soll, erschließt sich mir nicht.
Neben der Ansicht, Glaube und Zweifel würden sich gegenseitig bedingen, existiert in anderen christlichen Ausprägungen auch die Überzeugung, Glaubenszweifel sei eine außerordentliche schwere und nicht entschuldbare Sünde:
Das Kirchenrecht aus dem Jahre 1983 besagt, dass wenn eines Getaufter, der ein Dogma leugnet oder auf einen Zweifel an einer definitiv von der Kirche als geoffenbart erklärten Glaubenswahrheit beharrt, sich die Exkommunikation als Tatstrafe (CIC, can 1364, § 1) zuzieht.
(Quelle: kathpedia.com: Zweifel)
Würde sich die katholische Kirche an ihre selbst gegebenen theologischen „Gesetze“ halten, würde sie sich damit unmittelbar den Ast absägen, auf dem sie es sich gemütlich gemacht hat.
Für die Behauptung, der Zweifel sei der „Bruder des Glaubens“ findet sich im Christentum schon mal kein Konsens: Manche Christen sehen das so, andere anders. Biblisch lässt sich – wie immer – jeder beliebige Standpunkt „begründen.“
In dem zitierten Kirchenrecht wird ja das Beharren auf Zweifel mit Ausschluss auf der Gemeinschaft bestraft. Zulässig ist der Zweifel nur, wenn der dem Zweck dient, den Jochen nun nennt:
Zweifel ja, aber nur als Glaubensbooster
Glaube wird dadurch gestärkt indem man ihn hinterfragt.
Und hier haben wir genau den Rahmen, in dem eine Hinterfragung von Glauben durch den Gläubigen ausschließlich stattfinden darf: Zur Stärkung seines Glaubens.
Eine solche, nicht ergebnisoffene Hinterfragung ist weder vernünftig, noch ist sie mit einem gesunden Menschenverstand vereinbar. Ein klarer Punkt für Meslier.
Ein Zweifel zum vorgefassten Zweck der Glaubensverstärkung ist ein Selbstbetrug. Ein Antrainieren des Bestätigungsfehlers, mit dem sich Gläubige gegen die Art von Zweifel immunisieren, die ihr Glaubenskonstrukt ins Wanken oder gleich zum Einsturz bringen würden.
Der Selbstbetrug ist schon allein daran zu erkennen, dass es für diesen Effekt völlig egal ist, womit der Platzhalter „Gott“ gefüllt wird.
Ausgerechnet der ungläubige Thomas…
Thomas wird Didymus, Zwilling, genannt. Gemeint sind mit den Zwillingen der Glaube und der Zweifel.
Die biblische Thomas-Legende dient genau diesem Zweck: Zweifel zum Schein zulassen – um sie dann mit angeblichen Beweisen auszuräumen und den Betroffenen noch tiefer in die Glaubenssackgasse zu locken.
Der Mensch wird nicht zum blinden naiven Gauben aufgefordert, sondern diesen mit Verstand zu erforschen.
Das Gegenteil ist der Fall. Bekanntes Beispiel:
»Wahrlich ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, so werdet ihr nimmermehr ins Himmelreich eingehen.
(Matthäus 18.3 MENG)
Selig, die nicht sehen und doch glauben!
…und dann natürlich noch die Antwort des Gottessohns aus der biblisch-christlichen Mythologie auf den Zweifel des „ungläubigen Thomas“:
Jesus erwiderte ihm: »Weil du mich gesehen hast, bist du gläubig geworden. Selig sind die, welche nicht gesehen haben und doch zum Glauben gekommen sind!«
(Johannes 20,29 MENG)
Auch hier lassen die anonymen Bibelschreiber ihren Gottessohn unzweifelhaft klar stellen:
Handfeste, überprüfbare Beweise gibts, wenn überhaupt, nur im Ausnahmefall und dann zur Demonstration göttlicher Macht zu Werbezwecken.
Ansonsten sind Hinterfragen und Überprüfungen gefälligst zu unterlassen. Stattdessen soll einfach geglaubt werden, was die „Heiligen Schriften“ und ihre Priester behaupten.
…und schließlich:
Das Christentum widerspricht keinen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Vorab: Mir ist kein einziger wissenschaftlicher Aspekt bekannt, in dem eine vom Christentum angebotene (bzw. per Dogma unter Strafandrohung verordnete) Behauptung die am wenigsten falsche und bis zum Beweis des Gegenteils beste und deshalb allgemein anerkannte Antwort auf irgendetwas ist.
Und das, obwohl das biblisch-christliche Glaubenskonstrukt jede Menge Existenzaussagen beinhaltet, die sich inwischen als schlicht falsch erwiesen haben. Ein schwacher Trost für alle, die von der Kirche ermordet wurden, weil sie die angemaßte kirchliche Autorität nicht anerkannt hatten.
Zurück zur Behauptung, das Christentum widerspräche keinen wissenschaftlichen Erkenntnissen:
Es scheitert schon an den Prämissen
Um auf diese Behauptung näher eingehen zu können ist zunächst zu klären, wer oder was mit „das Christentum“ hier konkret gemeint sein soll: Das, was in der Bibel steht? Die auf diesen Behauptungen beruhende Religion? Oder persönliche Interpretationen der Menschen, die sich als Christen bezeichnen? Und die bei Bedarf anderen Christen mit anderen als ihrer persönlichen Glaubensinterpretation einfach absprechen, „echte“ Christen zu sein?
Aber auch ohne eine solche Differenzierung können wir feststellen, dass das Christentum auf behaupteten Prämissen beruht, die wissenschaftlichen Erkenntnissen natürlich diametral und unrettbar widersprechen.
Christen verfügen über eine breite Palette an Tricks, um die Diskrepanz zwischen Glaubensaussagen und wissenschaftlicher Erkenntnis zu bewältigen – oder zumindest, um das unangenehme Gefühl abzufedern, das die damit verbundene kognitive Dissonanz mit sich bringt.
Das reicht vom einfachen Ignorieren über den „Lückenbüßer-Gott“ bis hin zur Masche, religiöse Fiktion in wissenschaftlich klingende Sprache zu verpacken, um dem Publikum (und sich selbst) so Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln.
Zweifel bedeutet: es gibt (mindestens) zwei Möglichkeiten, die bezweifelte Aussage zu bestätigen oder zu verwerfen. Wenn ich von vornherein weiß, dass ich nur eine der Möglichkeiten zulasse und der Zweifel meinem Glauben nichts anhaben kann, dann ist es kein Zweifel.
Dann ist es eine Strategie, mir meinen Glauben immer wieder zu bestätigen und dabei jeden echten Zweifel auszuschließen – mithin Selbstbefriedigung.
Wenn ich eine solche Strategie brauche, dann lauert da aber irgendwo ein echter Zweifel, den ich mir auf keinen Fall bewusst machen darf, denn dann müsste ich darüber nachdenken und mein Glaube wäre real gefährdet.
Es gibt keinen grösseren Widerspruch als den zwischen Religion und Wissenschaft.
Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass die Sprache der Theologie, die ja das pseudowissenschaftliche Sekret der Religion ist, von – wie es im Juristendeutsch heisst – von „unbestimmten Rechtsbegriffen“ nur so wimmelt. Und das ist noch euphemistisch ausgedrückt.
Das gesamte Glaubenskonstrukt – übrigens nicht nur der christlichen Religion – definiert sich mit Hilfe völlig wissenschaftsfremder oder im Interesse der Theologie verhunzter Begriffe, auch Worthülsen genannt. Schaut man sich theologische Abhandlungen an, so erkennt man sofort, auf welch schwammige, unausgegohrene Nomenklatur diese rekurrieren.
Dies ist nicht erstaunlich, da die Religion ja unmissverständlich nicht an die Vernunft und den Verstand appelliert, sondern einzig an das Gefühl, an das Gemüt, an das Gewissen, an das Glaubenmüssen.
Wo soll da noch Raum für Wissenschaft bleiben?
Und der „Zweifel“ ist da nur einer dieser schillernden, rabulistischen Begriffe, die in der Begriffswelt der Theologie zu einer vieldeutigen, beliebig instrumentalisierbaren Vokabel degradiert wird, die nichts, aber auch gar nichts mit dem Skeptizismus der wissenschaftlichen Methodik zu tun hat.
Daher auch meine dringende Empfehlung, mit der ich mich Herrn Edmüller anschliesse: Theologie raus aus der Uni.
Die Wahrscheinlichkeit der Existenz ist bei allen Göttern und Göttinnen mathematisch und logisch exakt gleich groß. Nun meine Frage: Wie kommt ein Gläubiger auf die völlig absurde Idee, dass ausgerechnet sein Lieblingsgott existiert und alle anderen nicht?
Der Zweifel ist der Feind der Religionen und hat bei diesen auch immer zu Kriegen, Mord und Totschlag geführt.
Um einmal Dieter Nuhr zu zitieren im Hinblick auf den muslimischen Glauben: Wer zweifelt, detoniert nicht.
In den Kommentaren von Doris Köhler und Udo Schneck und im Beitrag selbst wird schon das meiste gesagt, was ich auch denke. Hervorzuheben in meinen Augen ist die Feststellung „Ein Zweifel zum vorgefassten Zweck der Glaubensverstärkung ist ein Selbstbetrug.“
Was mich immer wieder irritiert, ist, wie der Begriff Glaube da verwendet wird; denn es ist ja zunächst mal nicht die Gesamtheit des Glaubens(gebäudes) Objekt des Zweifels, sondern einzelne Glaubensaussagen. Und es ist auch nicht die geistige Tätigkeit des Glaubens, diese ist als Einschätzung einer Wahrscheinlichkeit unumgänglich. So ist n.m.M. der Satz „Vernunft und Glaube widersprechen sich (nicht)“ unsinnig. Vernunft ist eine ganz andere Kategorie als Glaube. Vernunft ist eine METHODE mit der man versucht, die Wahrscheinlichkeit einer (Glaubens-)Aussage zu beurteilen und das ERGEBNIS dieser Prüfung ist dann u.U. Glauben. Oder auch Nichtglauben.
Ratzinger, der „Große Theologe“, demnächst vielleicht schon Heiliger und Kirchenlehrer, verglich Zweifel mit „Salzwasser, das man sofort ausspucken müsse“ plädierte also für den Selbstbetrug, bzw. verordnete ihn den Gläubigen.
Dagegen gilt der Zweifel in der Wissenschaft als unverzichtbares Hilfsmittel, um sich der Wahrheit bestmöglich anzunähern. Ja es gilt sogar, über den Zweifel hinausgehend, die Suche nach der Falsifizierung einer Aussage als Königsweg der Wissenschaft.
Zu Udo Schnecks Kommentar, dass „das Christentum auf behaupteten Prämissen beruht, die wissenschaftlichen Erkenntnissen natürlich diametral und unrettbar widersprechen.“ möchte ich noch ergänzen, dass die Prämissen des Christentums in sich widerprüchlich und unglaubwürdig sind. Als Beispiel soll hier mal die krass irre Egozentrink genügen, dass der „Schöpfer“ von ALLEM nur einen einzigen Sohn lediglich in das winzige Palästina gesandt haben soll um die ganze Menschheit zu „erlösen“. Und wie widersprüchlich ist es, dass dieser „Allmächtige“, der angeblich nur ein Wort zu sagen braucht, um ein Universum zu erschaffen, so grobschlächtige Mittel braucht wie z.B. eine Sintflut oder die Kreuzigung seines Sohnes. Zum anderen besteht das Christentum in wesentlichen Teilen aus Geheimnissen, heiligen und allerheiligsten. Und Geheimnisse kann man nun mal noch nichtmal nicht glauben. Schon ihnen irgendwelche Eigenschaften zuzuordnen ist unsinnig.