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REGION NACHGEDACHT 105

Schuldig in allen Belangen - Gedanken von Christina LEINWEBER

11.01.15 - „Ich will endlich aus dem 0-8-15 Deutschland raus, ab in den Süden.“ – Dieses Statement gab ein fünfundzwanzigjähriger Mann im Radio zum Besten, als er gefragt würde, was sein Ziel für 2015 sei. Ich empfand sein Zitat als Empörung. So langweilig ist es hier nun auch nicht. Und ist woanders wirklich alles besser? Gibt es dort nicht auch Probleme, nur andere? Meine Heimatzufriedenheit sollte aber nicht lange andauern, sie fiel noch am selben Tag wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Verantwortlich dafür war das Abendprogramm eines öffentlich rechtlichen Senders. Ich begann einen Dreiteiler anzuschauen, der mir die Geschichte Deutschlands und der ganzen Welt einmal mehr ins Gedächtnis rufen sollte. Der Mehrteiler behandelte die Entwicklung eines kleinen Dorfes: Von den ersten Stunden nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Mauerbau durfte der Zuschauer die schreckliche Geschichte nachempfinden, die unser Land gezeichnet hat.

Mir wurde oft speiübel – barbarische Verhältnisse unter Menschen. Grausame Tötungen. Und leider stammte die Idee des Films nicht aus der reinen Fiktion, sondern aus der Realität von vor siebzig Jahren. Als ich das Thema zum ersten Mal im Unterricht behandelt hatte, habe ich mich wirklich gefragt, wie Menschen hier bleiben konnten und einfach auf diesem Boden weiter gelebt haben. Unser Lehrer hat auf die Frage geantwortet: „Dann müsse man die ganze Welt verlassen, jeder Fleck Erde wurde schon mit Blut getränkt.“ Weise Worte.

Im Zusammenhang mit diesem Film ist ein Zitat gefallen: „Untilgbare Schuld.“ Ja, ich glaube, was damals geschah, kann niemals wieder gut gemacht werden. Schuldig in allen Belangen. Wir Menschen heute müssen damit leben, dass wir die Erben solcher Gewalt sind. Und noch viel schlimmer: Die Gewalt hat seitdem lange noch kein Ende genommen. Sie geht weiter. Die Welt ist kein schönerer Ort siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges geworden.

Und woran liegt das? Warum ist der Mensch böse und nicht nur gut? Darauf gibt es womöglich keine befriedigende Antwort. Allerdings gibt es Erklärungsmodelle. Einen Ansatz, die böse Seite des Menschen zu verstehen, möchte ich Ihnen nächste Woche näher erläutern. Bis dahin entlasse ich Sie mit dem Gedanken daran, dass der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz einmal sagte: „Wir leben in der besten aller möglichen Welten.“ Hoffentlich hat er Recht. (Christina Leinweber) +++

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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 105 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++


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