Kommentar zu NACHGEDACHT 92: „Gott ist barmherzig“

Lesezeit: ~ 11 Min.

Kommentar zu NACHGEDACHT 92: „Gott ist barmherzig“, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 12.10.2014 von osthessen-news.de

Vorbemerkung 1: Der Kommentar zu diesem Artikel fällt ausnahmsweise mal etwas umfangreicher aus, weil es hier zum Verständnis erforderlich ist, ein paar wichtige, wissenschaftliche Grundlagen zu kennen. Also: Am besten eine Tasse Tee bereitstellen und ein bisschen Zeit nehmen, es lohnt sich, versprochen!

Vorbemerkung 2: In diesem Kommentar muss ich leider 3 1/2 Mal das Wort „BULLSH*T“ verwenden, weil ich kein anderes Wort weiß, das treffender das beschreibt, worum es geht. Die Verwendung dieses Kraftausdruckes bitte ich zu entschuldigen.

Bei einem wirklich guten Abendkrimi sagte ein Mann, der in seiner Rolle in vielfacher Weise Böses getan hatte, dass Gott barmherzig sei. Mir lief es kalt den Rücken runter, da der Mann immer fröhlich so weitermachen würde, da ihm ja Gott sowieso in seiner unendlichen Liebe all seine Taten verzeihen würde. Ist das christlich gesehen so gedacht? Wir können die Barmherzigkeit Gottes immer vorschieben, wenn wir Böses tun?*

Natürlich können wir das. Keiner der Götter, die sich die Menschheit seit Beginn ihrer Existenz bis jetzt ausgedacht hat, hatte jemals Einwände, egal, ob in seinem Namen und vermeintlichen Auftrag geliebt, getötet oder weggesehen wurde. Einmal mehr sehen wir an dieser Einleitung, dass „Böse“ und „Gut“ ziemlich willkürliche, rein subjektive Bewertungen sind, die nichts darüber aussagen, ob etwas oder jemand ethisch oder unethisch ist.

Wenn der „Bösewicht“ zum Beispiel ein religiös indoktrinierter Spinner ist, könnte es durchaus sein, dass aus seiner Sicht (und aus der Sicht seiner Religionsführer) alle seine Morde an Nicht- oder Andersgläubigen das beste waren, was er überhaupt jemals hätte tun können. Genauso, wie wir die Barmherzigkeit Gottes immer vorschieben können, wenn wir Böses tun, können wir auch behaupten, dass es ein Zeichen für die Existenz Gottes sei, wenn wir (oder andere) Gutes tun. Beide Zuordnungen sind völlig beliebig und beide sind sachlich schlicht falsch, weil es keinen realen Zusammenhang zwischen (un-)ethischem Verhalten und einem von Menschen erdachten Gott gibt.

Dürfen wir Gottes unendliche Liebe als Generalentschuldigung für alles benutzen – nimmt Gott dieses Ausnutzen so einfach hin?*

Wie schon mehrfach angedeutet gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott und selbst wenn, ist er bis jetzt noch niemals in belegbarer Form in Erscheinung getreten und spielt deshalb auch keine Rolle für unser Dasein oder für sonstwas. Aufgrund dieser permamenten, konsequenten Abwesenheit ist es ihm auch reichlich egal, welche Werte oder was auch immer ihm die Menschen, die sich ihn ausgedacht haben, in den Mund legen (bzw. ins Buch schreiben, das sie irreführenderweise „Wort Gottes“ nennen).

Ich kann es Ihnen nicht sagen, denn im Studium lernte ich einmal mehr, dass Gott ein großes Geheimnis ist, das wir als Menschen womöglich nie begreifen.*

Womöglich deshalb, weil es ihn nicht gibt. Das Fliegende Spaghettimonster ist ebenfalls ein großes Geheimnis, allerdings ein wesentlich symphatischeres als der Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird. Auch das Pinkfarbene, unsichtbare Einhorn ist nur sehr schwer vorstellbar und ein großes Geheimnis, das wir als Menschen womöglich nie begreifen.

Macht aber nichts, wir können ja trotzdem dran glauben. Ganz ungeheimnisvoll, sondern ganz einfach mathematisch nachvollziehbar ist zudem die Tatsache, dass es bei der Vielzahl an Göttern, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, höchst unwahrscheinlich ist, dass man tatsächlich an den wirklich „richtigen“ Gott glaubt.

Wir können uns Gott nur annähern, über ihn nachdenken und nachsinnen, was denn hier eigentlich los ist mit dieser grausamen Welt, die in meinem Glauben von einem unendlich liebenden Schöpfer geschaffen wurde.*

Dieser scheinbare Widerspruch löst sich schnell in Wohlgefallen auf, wenn Sie so ehrlich zu sich sind, dass Sie sich eingestehen, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts auch nur ansatzweise dafür spricht, dass die Welt von einem Schöpfer, noch dazu von einem „unendlich liebenden“ „geschaffen“ wurde. Wenn Sie sich mal, zum Beispiel an einem grauen Novembertag, mit dem aktuellen Wissensstand zur Entstehungsgeschichte des Lebens auf der Erde befassen (und zwar nicht mit archaischen Mythen und Märchen, sondern mit dem aktuellen Stand des Wissens, der wesentlich plausibler, spannender, faszinierender und vorallem wahrscheinlicher ist als jeder Ihrer Schöpfungsmythen), dann werden Sie nicht nur herausfinden, dass es keinen Schöpfer, sondern auch keine „grausame“ Welt gibt.

Weder die Welt, noch die Evolution oder sonst etwas ist per se „grausam“. Grausam ist ein Attribut, mit dem Menschen zumeist ein besonders unethisches Verhalten bezeichnen. Im ganzen Universum und damit auch in der irdischen Natur gibt es nichts, was grausam ist – es gibt allerdings sehr wohl Dinge, die wir als grausam empfinden. Wenn ein männlicher Löwe den Nachwuchs der Weibchen seines Rudels tötet, dann wirkt das aus menschlicher Sicht „grausam“, aus Sicht der Natur ist es „ganz normal“, weil der Löwe damit die Wahrscheinlichkeit steigert, dass er seine Gene erfolgreich (und vorallem möglichst bald nach der Machtergreifung) an die nächste Generation weitergeben kann.

Und ich kann ihnen sagen:*

Wen meinen Sie?

Dass Gott alle Menschen gleichsam liebt, ist zwar ein schöner Gedanke, allerdings auch ein unglaublich unverständlicher: Liebte Gott auch Hitler, liebt er auch Amokläufer, Kinderschänder und sonstige Verbrecher, die Leben auslöschen und Liebe unmöglich machen?*

Auch dieser scheinbare, künstlich von Ihrer Religion geschaffene Widerspruch ist recht einfach zu durchschauen, wenn man die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung zu Rate zieht und wenn man sich die Zeit nimmt, sich wenigstens ganz oberflächlich mal mit dem Thema „Willensfreiheit“ auseinanderzusetzen: Diese wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse belegen nämlich, dass der Mensch zwar eine gewisse (meist sogar recht umfangreiche und wenig eingeschränkte) Handlungsfreiheit hat: Niemand hindert mich daran, mir eine Tasse Kaffee zu holen oder ein Buch zu lesen, ich habe die Freiheit, mich für oder gegen eine solche Handlung zu entscheiden.

Anders sieht es im wichtigen Bereich der Willensfreiheit aus. Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass jede Entscheidung, die uns als „freie Entscheidung“ vorkommt, schon Sekundenbruchteile, bevor sie uns bewusst wird, durch neuronale Vorgänge in unserem Unterbewusstsein bereits gefallen ist. Mit anderen Worten: Jede Entscheidung hat unser Unterbewusstsein schon getroffen, bevor sie uns bewusst wird. Jetzt stellt man sich natürlich berechtigterweise die Frage, wie denn das Unterbewusstsein zu einer Entscheidung findet. Auch diese Frage ist einfach zu beantworten, wenn man sich den Aufbau und die Funktionsweise des Gehirns einmal näher (vereinfacht) anschaut. Wenn man die Größe der Gehirnareale auf ein Längenmaß umrechnen würde, würden 11 Kilometer auf das Unterbewusstsein, aber nur 15mm auf das Bewusstsein (assoziativer Kortex) entfallen.

Das Unterbewusstsein, auf das wir normalerweise keinen direkten, bewussten Zugriff haben, ist also vereinfachend gesagt wie eine riesige Festplatte, auf der alle Informationseinheiten (sogenannte Meme bzw. Memplexe, was eine Anhäufung von Memen bezeichnet) abgespeichert sind. Hier spielt wirklich alles rein, was uns als Individuum ausmacht: Wahrgenommenes, Erfahrenes, Gelerntes, aber auch Verdrängtes und eigentlich Vergessenes, sowie Vererbtes und natürlich auch Krankheiten und neuronale und andere Schäden aller Art. Unser Unterbewusstsein hat somit eine ganz individuelle Prägung aus unzähligen Quellen, die bis zum Tod stattfindet. Man geht davon aus, dass es genau diese Prägung ist, die letztlich unsere Gedanken, unsere Wertevorstellung, aber auch unsere Entscheidungen und damit unser bewusstes Handeln steuert.

Wichtig ist noch zu bemerken, dass die Wissenschaft davon ausgeht, dass es keinen anderen Weg zu einer Entscheidung geben kann, als den beschriebenen. Das heißt: Kein Mensch kann sich über die Prägung seines Unterbewusstseins hinwegsetzen und anders entscheiden, als es ihm seine Prägunung ermöglichen würde. Selbst wenn wir uns „in letzter Sekunde“ entscheiden, uns doch nicht an der Nase zu kratzen, so ist auch diese scheinbar ganz spontane Entscheidung schon Millisekunden vorher von unserem Unterbewusstsein getroffen worden.

Mit diesem Wissen ist es jetzt recht einfach und vorallem logisch schlüssig nachzuvollziehen, dass Menschen, die sich unserer Auffassung nach „böse“ verhalten, genauso von der Prägung ihres Unterbewusstseins „gesteuert“ werden wie alle anderen auch. Und da leuchtet es ein, dass die Bezeichnung „böse“ natürlich nicht geeignet ist, um das Verhalten eines Menschen zu bewerten, ganz einfach, weil je nach Prägung des Unterbewusstseins „böse“ von Mensch zu Mensch oder auch von Gruppe zu Gruppe eine völlig unterschiedliche Bedeutung haben kann.

Ganz offensichtlich wird das zum Beispiel, wenn wir uns in das Unterbewusstsein eines religiös motivierten Selbstmordattentäters hineinversetzen. Dessen Unterbewusstsein wurde wahrscheinlich von einem fanatisch-fatalistisch-fundamentalistischen Wertesystem geprägt, in dem es das „beste“ überhaupt ist, sich und möglichst viele Un- oder Andersgläubige in die Luft zu sprengen. Was besseres gibts in dieser Vorstellung nicht. Deshalb ist es aus Sicht dieses Menschen das beiweitem beste, was er sich und seinem vermeintlichen Gott tun kann. Menschenrechts-, Humanismus- oder Grundgesetz-Memplexe dürften in diesem Gehirn kaum vorhanden sein.

Diese Erkenntnis rechtfertigt natürlich in keinster Weise unethisches Verhalten, im Gegenteil: Ein Selbstmordattentat ist nicht deswegen schlimm, weil es gegen das subjektive Wertesystem irgendeiner bestimmten Religion verstößt, sondern weil es gegen die ethische Grundregel „verhalte dich fair deiner Umwelt und deinen Mitmenschen gegenüber“ verstößt. Die eigenen und die gleichberechtigten Interessen anderer sind nämlich die höchsten Werte, nicht irgendwelche willkürlich von Religionsführern festgelegten Gut-Böse-Dualismen. Deshalb ist auch „die Freiheit des Menschen“ unantastbar und nicht „das Gesetz Gottes.“

Auch ein gewalttätiger, menschenverachtender Diktator oder ein Mörder ist nicht deshalb „böse“, weil er gegen eine bestimmte religiöse Moralvorstellung verstoßen hat, sondern weil er sich unvorstellbar unethisch verhalten hat (eine Erkenntnis, die solche Taten in keinster Weise relativiert oder rechtfertigt!). Aus seiner Wahrnehmung und Sichtweise, die er aufgrund der Prägung seines Unterbewusstseins haben musste, sah sich zum Beispiel Hitler allen Ernstes in der Nachfolge von Jesus (was ihm auch Symphatie seitens der Kirche einbrachte) und wähnte sich tatsächlich als der, der das Werk Jesu auf Erden vollenden würde. Wäre sein Gehirn vielleicht nur geringfügig anders geprägt gewesen, hätte das vielleicht gereicht, um der Menschheit unendlich viel Leid zu ersparen.

Dieses Phänomen, dass sich zum Beispiel gewalttätige Massenmörder wie zum Beispiel Kriegsverbrecher später keiner Schuld bewusst sind, taucht immer wieder auf und führt zur Frage, ab wann bei einer solchen Prägung vom Einfluss einer Krankheit auszugehen ist.

Um jetzt wieder auf die Frage aus dem letzten Zitat zurückzukommen: Sollte es aller Wahrscheinlichkeit und jeder Vernunft zum Trotz tatsächlich doch einen Schöpfer geben, dann müsste dieser in seiner Funktion als Schöpfer ja eigentlich wissen, wie die von ihm erschaffenen Trockennasenaffenart Mensch neuronal funktioniert. Desweiteren müsste er wissen, dass sich diese Menschen zwar höchst unethisch und unfair verhalten können, dass sie in all ihren Entscheidungen aber ausschließlich auf die Prägung ihres Unterbewusstseins angewiesen sind.

Somit hängt es auch nicht vom freien Willen des Menschen ab, ob er sich für oder gegen Gott entscheidet, sondern ausschließlich davon, von welchen Memplexen sein Unterbewusstsein dominiert wird. Ein Gott hätte deshalb gar nicht das Problem, sich überlegen zu müssen, wen er liebt und warum und wofür – er würde wissen müssen, dass sich seine Schöpfung nur so verhalten kann, wie sie es kann und nicht anders.

In diesem Kontext fällt mir ein Begriff ein, den ja viele gern abschaffen würden, weil sie ihn zu stark wörtlich nehmen: das Fegefeuer.*

Nach dem kleinen Exkurs zur aktuellen Hirnforschung ist es wie ein Schlag ins Genick, jetzt mit einem Hirngespinst wie dem Fegefeuer konfrontiert zu werden. Man fühlt sich direkt zurück ins Vormittelalter gebeamt. Egal, ob ich den Begriff „Fegefeuer“ wörtlich oder in einem beliebigen übertragenen „Sinne“ sehe, es ändert sich nichts an der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit dieser rein von Menschen ersonnenen Fiktion.

Fegefeuer bedeutet nicht ein brodelnder Kessel, in dem unsere Haut verkohlt.*

Woher wissen Sie das so sicher?

Nein, systematisch-theologisch ausgelegt bedeutet Fegefeuer „verwandelt werden“.*

Und real-wissenschaftlich ausgelegt bedeutet Fegefeuer in etwa „Unvorstellbar grausame Psychofolter für Menschen im Diesseits durch Androhung unvorstellbar grausamer Folter im Jenseits, mit der Menschen angeblich nach nicht bekannten Wertmaßstäben für ihre eingeredete „Restschuld“ büßen, die sie vom Leben noch mit in den Tod genommen haben.“ Was bedeutet denn Fegefeuer liberal-theologisch ausgelegt?

In dem Moment, in dem eine Seele dort hinein gerät, entscheidet sich alles: Will ich zu Gott oder will ich es nicht. Will ich also in den Himmel oder will ich in die Hölle.*

Es deutet nichts, und zwar absolut nichts auf die Existenz einer Seele hin, die unabhängig vom Körper existieren könne. Desweiteren gibt es nach wie vor keinen einzigen wissenschaftlich belegten Beweis dafür, dass es überhaupt ein „Leben“ nach dem Tod gibt. Natürlich existieren die Atome, aus denen unser Körper zur Zeit des Todes gerade bestand, im Universum weiter, allerdings ist nicht davon auszugehen, dass darüberhinaus irgendetwas, was unsere Persönlichkeit auf Erden ausgemacht hätte und deshalb irgendwie unsere wie auch immer geartete Restschuld zum Verbüßen mit ins Jenseits nehmen könnte, nach unserem Tod weiter existiert (das Einzige, was von „uns“ übrig bleibt, sind bestenfalls Erinnerungen an uns, und auch damit ist es spätestens vorbei, wenn es niemanden mehr gibt, der sich an uns erinnert.). Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass eine „Seele“ ins „Fegefeuer“ gerät, die dann sogar noch in der Lage sein soll, darüber zu entscheiden, ob sie zu „Gott“ will oder nicht.

Sie denken jetzt, keiner kann so blöd sein und in die Hölle wollen?*

Ja, das denke ich, beziehungsweise denke ich genaugenommen nur die ersten 8 Wörter dieser Frage.

Ja, aber ganz so einfach ist es dann doch im christlichen Glauben nicht.*

Was nicht weiter wundert, wenn man sich bewusst macht, dass der christliche Glaube (wie jeder religiöse Glaube) nichts weiter als eine Fiktion ist und dass es trotz Theologiestudium praktisch unmöglich ist, sich ein surreal-sadistisches Gedankenkonstrukt wie das Fegefeuer so zurechtzubiegen, dass man nach der Behauptung seiner Existenz noch als ernstzunehmendes Mitglied der (wenigstens teilweise) aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gelten kann.

Das Fegefeuer ist dahingehend eine wirkliche Qual, da man in diesem Moment Gottes Liebe in ihrer reinsten Form begegnet. Und man selbst wird sich seiner Unvollkommenheit bewusst, die Lebenslügen kommen hervor.*

Eine fast schon wieder interessante Vorstellung. Würde da auch die Lebenslüge hervorkommen, dass zum Beispiel jemand sein Leben lang an den falschen Gott geglaubt hat?

Das stelle ich mir wirklich qualvoll vor.*

Ich stelle es mir wirklich qualvoll vor, wenn jemand so einen (jetzt verwende ich ganz ausnahmsweise doch mal einen Kraftausdruck, ich kann nicht anders und bitte um Nachsicht) BULLSH*T wirklich (oder auch nur irgendwie beliebig abstrakt interpretiert) glaubt.

Man wird geläutert – entschuldigen Sie die Bildhaftigkeit – bis auf die Knochen. Und dann erst müssten wir Ja sagen – Ja zu der Liebe, die uns dort anblickt, die wird selbst niemals im Leben umsetzen konnten.*

Dazu wäre es hilfreich gewesen, wenn uns Gott mal angedeutet hätte, was er unter Liebe versteht, anstatt die Interpretation von „Gut“ und „Böse“ einer bestimmten Trockennasenaffenart zu überlassen, die sich nichtmal selbst einig darüber ist, ob es ein Zeichen von besonderer Liebe ist, wenn man zum Beispiel die Tochter umbringt, die sich zu westlich verhalten hatte. Pikanterweise führt vom Fegefeuer ja kein Weg in die Hölle, was im Umkehrschluss heißt, dass jede sich dort befindliche Seele so lange gefoltert wird, bis sie sich zu Gott bekennt. Kann es ein stärkeres Zeichen für Barmherzigheit geben als die Androhung zeitlich unbegrenzter Folter?

Ich weiß nicht, wie schwer oder leicht es dann ist, Ja oder Nein zu sagen. Und wenn unser Ja nicht ernst wäre, dann würde Gott das bestimmt merken. Jedenfalls würde bei einem Ja ein Umwandlungsprozess einsetzen. Wir würden in die Liebe Gottes aufgenommen werden, hineingenommen in die „visio beatifica“ – in den Anblick der Glückseligkeit – in den Himmel.*

Ich versuche gerade, mich in Ihre Gedankenwelt zu versetzen und überlege, was man einem Menschen angetan haben muss , damit er einen solchen (sorry, nochmal der Kraftausdruck) BULLSH*T wirklich glaubt. Und was das mit einem Menschen macht.

All diese Erläuterungen meinerseits fußen auf dem christlichen Glauben, den ich hier wiedergegeben habe.*

Und so wundert es mich nicht, dass Sie sich vorsorglich mal von diesem (zum letzten Mal, versprochen!) BULLSH*T wenigstens etwas distanzieren. Kümmern Sie sich denn auch im Diesseits um die Seelen im Fegefeuer, wie Ihnen Ihre Kirche das empfiehlt?

Was der eigentliche Grund für die Terrorisierung von Menschen in Form von solchen Horrorgeschichten sein dürfte, kann man im „Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche“ (KKKK Nr. 211) von 2005 (nicht etwa von 1005!) nachlesen. Dort heißt es (Hervorhebung von mir):

  •  „Wie können wir den Seelen im Purgatorium (= Fegefeuer, Anm.d.Red.) helfen?
    Kraft der Gemeinschaft der Heiligen können die Gläubigen, die noch auf Erden pilgern, den Seelen im Purgatorium helfen, indem sie Fürbitten und besonders das eucharistische Opfer, aber auch Almosen, Ablässe und Bußwerke für sie darbringen.“

Wer sich mit der Kriminalgeschichte des Christentums befasst, der wird staunen, welch kräftig sprudelnde Geldquelle der Ablasshandel über lange Zeit für die Kirche darstellt(e). Heutzutage kann man die Zeit im Fegefeuer schon damit verkürzen, indem man dem Papst auf Twitter folgt. Noch Fragen?

Alle diese Erläuterungen sind Denkmodelle, um sich Unerklärliches zu erklären, um Fragen beantworten zu können.*

Diese Denkmodelle sind nicht nur vollkommen fern von jeglicher Vernunft, Realität und Sinnhaftigkeit, sie zeugen vielmehr davon, mit welchen ungeheuren Lügen und Psychofolter Religionen alles vergiften mit dem Ziel, Menschen zu unterdrücken, sie von sich abhängig zu machen und sie so davon abzuhalten, sich ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden, selbständig zu denken und vorallem alles tun, um im DIESSEITS ein glückliches, erfülltes und erfüllendes Leben zu leben. Die Vorstellung eines Wahngedankens wie den des Fegefeuers als Denkmodell zu bezeichnen ist eine Beleidigung für alle Denkmodelle. Weder erklärt es irgendwas, noch beantwortet es Fragen.

Der Mann aus dem Krimi würde im Denken des christlichen Glaubens also spätestens nach seinem Tod mit seinen Taten konfrontiert werden.*

Fegefeuer: Logik des Grauens
Fegefeuer: Programm des Grauens

Ich denke, ich habe in diesem Kommentar ausführlich dargelegt, warum auch diese Behauptung nichts weiter als blanker, naiver, BULL… (na, Sie wissen schon) ist.

Nachbemerkung 1: Gott existiert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Wenn er es doch tut, spielt es keine Rolle für unser irdisches Dasein, weil noch niemals ein Gott beweisbar in Erscheinung getreten ist. Damit ist jeder Gott eine ausschließlich von Menschen erdachtes Gedankenkonstrukt, dem alle beliebigen Attribute zugeordnet werden können – sogar Barmherzigkeit, auch wenn die allermeisten biblischen Schilderungen zumindest den Christengott als alles andere als barmherzig beschreiben.

Nachbemerkung 2: Alle meine Aussagen erheben nicht den Anspruch, der „Weisheit letzter Schluss“ zu sein, vielmehr handelt es sich dabei um meinen aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand. Die Zukunft wird zeigen, ob alle Aussagen tatsächlich genau so zutreffen, oder ob es möglicherweise eines Tages neuere Erkenntnisse geben wird, die die Sichtweise verändern oder erweitern. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass meine Ausführungen um Lichtjahre näher an der Realität liegen als die mythologischen Horrorvisionen, die in diesem Artikel ausgerechnet unter der Überschrift „Gott ist barmherzig“ zum Besten gegeben wurden.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle Zitate stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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