Kommentar zu: Risiko eingehen und Schweinehund überwinden – 150 Jugendliche feiern den Weltjugendtag unter dem Motto „Barmherzigkeit“

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Kommentar zu: Risiko eingehen und Schweinehund überwinden – 150 Jugendliche feiern den Weltjugendtag unter dem Motto „Barmherzigkeit“, Artikel veröffentlicht am 22.03.16 von Osthessennews, Verfasser nicht genannt

Achtung: Dieser Beitrag enthält Original-Bibelzitate, die auf nicht religiös indoktrinierte Menschen verstörend (oder gestört) wirken könnten.

150 Jugendliche aus verschiedenen Regionen des Bistums Fulda versammelten sich am Palmsonntag in der Bischofsstadt, um gemeinsam mit Bischof Heinz Josef Algermissen den diözesanen Weltjugendtag zu feiern.

Unter dem Motto „Barmherzigkeit – macht die Herzen weit!“ setzten sich die jungen Erwachsenen mit der fünften der so genannten Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu auseinander. […]*

Fassade der katholischen Kathedrale St. Salvator, Fulda; von Zairon (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons
Fassade der katholischen
Kathedrale St. Salvator, Fulda
Der hier aus der so genannten Bergpredigt herausgepickte Satz findet sich im Matthäusevangelium, nicht aber im Lukasevangelium, das dem ursprünglichen Wortlaut nähersteht. Beim Makarismus (Seligpreisung) der Barmherzigkeit handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit nicht um eine authentische Aussage von Jesus, sondern um eine spätere Ergänzung.

Der Satz, um den es geht, lautet: „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.“ (Quelle: Mt5,7, Einheitsübersetzung)**

Auf den ersten Blick erscheint ein Aufruf zur Barmherzigkeit natürlich sinnvoll und unverdächtig. Niemand wird ernsthaft in Frage stellen, dass sich Menschen bedürftigen Menschen gegenüber generell barmherzig verhalten sollen. Doch die Sache hat einen Haken.

Der „Haken“ an diesem Satz ist der Grund, warum sich Menschen laut Bergpredigt mitmenschlich verhalten sollten. Denn nicht etwa, weil Mitmenschlichkeit dem grundlegendsten Standard einer humanen Ethik entspricht, sondern um ihrerseits selbst vor einer angeblichen göttlichen Strafe verschont zu bleiben („…denn sie werden Erbarmen finden.“)

Auch die anderen in der Bergpredigt geforderten Verhaltensweisen sollen nicht der Mitmenschen wegen, sondern zur Erlangung angeblicher göttlicher Heilsversprechen und Vermeidung göttlicher Strafen befolgt werden (vgl. Quelle: Mt5,3-12, Einheitsübersetzung):

…denn das Reich Gottes ist euer.
…denn ihrer ist das Himmelreich.
…denn sie werden das Erdreich besitzen.
…denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
…denn sie werden Gott schauen.
…denn sie werden Gottes Kinder heißen.
…denn ihrer ist das Himmelreich.
…denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.
…es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden.

Wer jetzt argumentiert, dass es ja egal sei, warum sich jemand ethisch korrekt verhält (ob um der Mitmenschen oder um des Himmelreichs willen), der übersieht dabei ein wichtiges Detail. Denn natürlich sollten sich alle Menschen fair und mitmenschlich verhalten, nicht nur die Anhänger eines bestimmten Gottes. Und natürlich sollten sich Menschen ihrer Mitmenschen wegen mitmenschlich verhalten und nicht, um einer angeblichen göttlichen Strafe zu entgehen oder weil ihnen ein angeblicher Gott eine angebliche Belohnung im Jenseits in Aussicht stellt.

Dazu kommt, dass diese Aufforderungen gar nicht allen Menschen, sondern nur den armen und notleidenden Israeliten galten. Aus den biblischen Erzählungen geht hervor, dass Jesus keineswegs einen Weltfrieden anstrebte (wozu auch, wo doch das Jüngste Gericht angeblich kurz bevorstand und das damalige Weltbild nichts mit der Realität zu tun hatte), sondern lediglich den Mit-Angehörigen seiner Religion (andere hatten ja sowieso keine Hoffnung auf Erlösung) Tipps geben wollte, wie diese sich in ihrem eigenen Interesse verhalten sollten.

Jesus hatte nur verkündet, dass das Jüngste Gericht ganz kurz bevorstand und da wäre es ja durchaus sinnvoll gewesen, schnell noch ein paar Pluspunkte zu sammeln. Er konnte weder wissen, dass er sich mit seiner Apokalypse-Prophezeiung schlicht geirrt hatte (bis heute ist noch kein Gott jemals seriös belegbar auch nur ein Mal irgendwie in Erscheinung getreten) und auch nicht, dass es rund 2000 Jahre später Menschen geben würde, die zwar auf den Mond fliegen, weltweit Daten und Waren austauschen und über Atomwaffen verfügen, gleichzeitig aber noch ernsthaft diese vormittelalterlichen Moralismen, basierend auf jenseitiger göttlicher Belohnung und Bestrafung für bedeutsam halten.

Eine moderne, humane Ethik für die Weltbevölkerung des 21. Jahrhunderts kann nicht von den Moralismen einer vormittelalterlichen Endzeitsekte und deren Nachfolgern abgeleitet werden. Selbst wenn sich mit viel Phantasie, selektiver Lesart und unredlicher Umdeutung Parallelen zwischen diesen Moralismen und modernen ethischen Standards darstellen lassen mögen, darf faires, mitmenschliches Verhalten nicht von religiösen Heilsversprechen oder Bedrohungen abhängig sein. In einer modernen Ethik steht die Würde des Menschen an oberster Stelle und kein Gott.

[…] Für sie sei Barmherzigkeit eine tiefe Liebe, die man weitergeben müsse. Sie warb dafür, im anderen die Gegenwart Gottes zu sehen.

Diese Aussage der „barmherzigen Schwester Maria vom Orden des heiligen Vinzenz von Paul“ bestätigt genau das oben Dargestellte: Nicht etwa die Bedürftigkeit des Mitmenschen, sondern eine illusorische Gegenwart eines erfundenen Gottes ist für sie der Anlass, sich mitmenschlich zu verhalten. Verdient der „andere“ nicht Barmherzigkeit um seiner selbst Willen, oder nur, weil jemand die angebliche Gegenwart seines fiktiven Gottes in ihm sieht?

[…] „In dieser Zeit der Unbarmherzigkeit und Brutalität, braucht es in der christlichen Nachfolge Werke der Barmherzigkeit, die immer eine große menschliche Leistung sind“, sagte Algermissen zu Beginn der Feier in der Michaelskirche.

Ausgerechnet die christliche Nachfolge ist wahrlich kein überzeugender Grund für mitmenschliches Verhalten. Was hier als „große menschliche Leistung“ dargestellt wird, ist in Wirklichkeit einer der grundlegendsten Standards ethisch-humanen Verhaltens, den zahllose andere Volksgruppen und Kulturen in ihren Gesellschaftsordnungen festgelegt hatten und haben. Nächstenliebe ist keine christliche Erfindung.

Er (Bischof Heinz Josef Algermissen) erinnerte an die acht Säulen, die die Rotunde der Kirche tragen. Sie stehen für die acht Seligpreisungen, von denen eine lautet: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“ (Matthäus 5,7). Damit gehöre die Barmherzigkeit zum Fundament des christlichen Lebens.

Da stellt sich die Frage, warum Herr Algermissen ausgerechnet diese Aussage zum „Fundament des christlichen Lebens“ zählt und nicht zum Beispiel diese Aussagen von Jesus, die sich genauso in der Bibel finden lassen (Hervorhebungen von mir):

  • Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet. (Quelle: Mt10:21-22, Einheitsübersetzung)
  • Gott hat gesagt: Ehre Vater und Mutter!, und: Wer Vater oder Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden. (Quelle: Mt15,4, Einheitsübersetzung)
  • Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter. (Quelle: Lukas 12:51-53, Einheitsübersetzung)

Dabei lasen die Jugendlichen die Lukaspassion und beteten in verschiedenen Sprachen für die Anliegen der Welt.

Völlig gleich, in welchen Sprachen zu einem Gott gebetet wird: Noch niemals hat irgendeiner der über 3000 Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben, seriös nachweisbar ein Gebet erhört und daraufhin das Geschehen verändert. Und selbst wenn es, entgegen jeder Vernunft, Logik und Wahrscheinlichkeit doch eine außerirdische Macht geben sollte, die sich für die Anliegen der Welt zuständig fühlt, so ist es selbst nach religiöser „Logik“ vollkommen unlogisch, einen angeblich allmächtigen Gott um irgendetwas zu bitten. Die Unwirksamkeit von Gebeten ist inzwischen auch wissenschaftlich bestätigt.

In seinem Grußwort im Marianum erinnerte Bischof Algermissen an die örtliche Nähe von Auschwitz und Krakau. „Die beiden Orte zeigen, wozu der Mensch fähig sein kann: zu Wunderbarem und zu Teuflischem“, so der Bischof.

In dieser Aussage kommt eine schier unerträgliche Arroganz, Verlogenheit und Heuchelei zum Ausdruck. Diente doch ausgerechnet eine, angeblich von Jesus erzählte Geschichte als Legitimation für den systematischen Genozid, wie er auch in Auschwitz betrieben worden war. Da steht nämlich schwarz auf weiß, wer die Bösen und wer die Gerechten sind (Hervorhebungen von mir):

  • Er [Jesus ] antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel.Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre! (Quelle: Mt13:37-35, Einheitsübersetzung)

Schon allein mit diesem Satz war es auch Christen möglich, eventuell noch vorhandene ethische Bedenken zu ignorieren, sich als „gerechter Nachfolger Jesu“ zu fühlen und durch die Verbrennung der „Bösen“ diese Prophezeiung in die grausame Tat umzusetzen. Nicht im Namen des Teufels, sondern im Namen des Herren wurde der Massenmord an den Andersgläubigen durchgeführt.

Dieses Beispiel zeigt erschreckend deutlich, wie einfach es ist, mit biblischen Aussagen praktisch alles zu rechtfertigen – von Barmherzigkeit bis zum Massenmord. Erscheint ein Verhalten im Nachhinein als nicht mehr zur aktuellen Moral passend, wird es einfach dem Teufel zugeschrieben und schon ist die religiös-dualistische Gut-Böse-Welt scheinbar wieder in Ordnung.

Er ermutigte die jungen Pilger sich beiden Wirklichkeiten zu stellen und so zum Aufbau einer besseren Welt in Liebe und Frieden beizutragen.

Warum ermutigte er die jungen Pilger nicht einfach dazu, sich der wirklichen, realen Wirklichkeit zu stellen? Wie gerade dargestellt, eignen sich die beliebig umdeutbaren und selektierbaren religiösen Ideen heute nicht mehr als Grundlage für den „Aufbau einer besseren Welt in Liebe und Frieden“ – dazu waren sie ohnehin auch nie gedacht.

[…] Er bat darum, dieses Kreuz in Ehren zu halten und es im Gebet zu pflegen, da schon so viele Menschen in den vergangenen Jahren ihre Nöte und Sorgen in Vertrauen auf die Jugendlichen mit diesem Kreuz verbunden haben.

Wie schon an anderer Stelle ausführlich dargestellt, wurde noch kein Gebet jemals von irgendeinem Gott erhört in der Form, dass dieser Gott daraufhin nachweislich irgendwie irgendetwas unternommen hätte oder sonstwie in Erscheinung getreten wäre. Außer dem menschlichen Wunsch, dass dies so sein möge, gibt es keinen einzigen Anhaltspunkt für eine solche Annahme.

Wer seine Nöte und Sorgen ausgerechnet mit der symbolischen Darstellung eines unvorstellbar brutalen Todesfolterungsgerätes mit Jugendlichen verbindet (?), würde außerhalb des religiösen Umfeldes sicherlich mit dem Vorwurf eines totalen Realitätsverlustes konfrontiert werden.

In seiner Katechese ermutigte Jugendpfarrer Thomas Renze die Jugendlichen, sich die Barmherzigkeit Gottes in der Beichte neu schenken zu lassen. Sie sei ein Geschenk. „Gott verzeiht, ohne zu fragen. Er streckt uns beide Hände aus und will, dass wir an seinem Herzen ruhen. Er will das Leben mit uns teilen und sehnt sich danach uns zu vergeben“, so Renze.

Natürlich kann man sich einen Gott ausdenken und diesem Gott dann irgendwelche Eigenschaften zuweisen, wenn man möchte. Wer aber anderen Menschen – speziell Jugendlichen und Kindern gegenüber – so tut, als handle es sich bei diesen Fiktionen tatsächlich um etwas Bedeutsameres als zum Beispiel Grimms Märchen, der täuscht diese Menschen.

Besonders leichtgläubige und zur Kritiklosigkeit erzogene Menschen könnten einer solchen Aussage auf den Leim gehen und denken, es gäbe tatsächlich einen Gott, von dem sogar auch noch bekannt sein soll, was er wolle und wonach er sich sehnen würde. Für diese Menschen stellt es dann auch meist kein Problem dar, dass es vollkommen unlogisch ist, einen angeblich allmächtigen Gott um irgendwas zu bitten. Außer die Sicherung des eigenen Broterwerbes kann ich keinen Grund für eine solche vorsätzliche Irreführung finden.

Der liebevolle, verzeihende Gott ist bis zum Beweis des Gegenteils nichts weiter als eine rein menschliche, irreale Wunschprojektion und darauf sollte bei jeder einzelnen Aussage über irgendwelche angebliche Eigenschaften dieses Gottes ausdrücklich hingewiesen werden. Für unsere reale Wirklichkeit ist es völlig unerheblich, wonach sich ein angeblicher Gott angeblich sehnt, ob er verzeiht oder nicht. Wer behauptet, Gott würde verzeihen (oder sonst irgendwas tun oder nicht tun), und dabei so tut, als handle es sich bei diesen Behauptungen um irgendetwas Reales, der lügt, und das war nach dem Alten Testament sogar schon in der Bronzezeit verboten.

[…] Sie konnten sich die Barmherzigkeit durch Gott persönlich neu schenken lassen und haben sie zugleich an andere weitergeben.

In Wirklichkeit konnten sie sich bestenfalls vorstellen oder sich es wünschen, etwas von Gott persönlich neu geschenkt bekommen zu haben.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs erwähnten Artikel von Osthessennews, Verfasser nicht genannt.

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