Zensur: Evangelische Kirche beantwortet nur „zielführende“ Fragen

Lesezeit: ~ 3 Min.

Unter der Adresse fragen.evangelisch.de betreibt die Evangelische Kirche einen Online-Serivce zur Beantwortung Fragen rund um Religion und Glaube.

Besucher werden dort ausdrücklich dazu aufgefordert, Fragen einzureichen:

  • Frage stellen
    Ich bin Pfarrer bei evangelisch.de und bin gespannt auf Ihre Fragen zu den Bereichen Glaube, Kirche und Religion! (Quelle)

Stellt man nun eine Frage zu den Bereichen Glaube, Kirche oder Religion, bekommt man eine automatische Antwort mit einem Dank für die Frage und der Info des Pfarrers, dass er sie möglichst zügig beantworten würde.

red-42286_640Das trifft leider nicht immer zu. Bestimmte Fragen, obwohl respektvoll und sachlich formuliert, werden nämlich weder beantwortet, noch veröffentlicht. Das gleiche gilt für bestimmte Kommentare zu schon vorhandenen Antworten.

Auch auf mehrfache Nachfrage war bislang keine Antwort zu bekommen, warum, von wem und anhand welcher Kriterien Beiträge zensiert werden. Lediglich eine Vertretungs-Pfarrerin äußerte auf Nachfrage die Vermutung, dass meine Fragen vielleicht von der Redaktion als „nicht zielführend“ eingeschätzt werden könnten.

Eine frühere Diskussion mit ihr war allerdings sehr wohl zielführend. Das interessanteErgebnis: Die Pfarrerin räumte ein, dass es keinen Grund gibt, an Gott zu glauben und dass Religion nicht mehr als eine bestenfalls hoffnungsvolle Illusion bieten kann.

Leider fehlt auf der Webseite ein Hinweis, dass Beiträge, die sich an der realen, natürlichen Wirklichkeit orientieren (und die mit religiöser „Logik“ redlicherweise nicht befriedigend beantwortbar sind), nicht erwünscht sind und mitunter nicht bearbeitet werden.

Würde es sich um eine Science-Fiction- oder Märchenwebseite handeln, dann wären Beiträge aus der irdischen Wirklichkeit natürlich tatsächlich nicht unbedingt passend. Eine Institution wie eine christliche Kirche, die von sich behauptet, im Besitz einer übergeordneten Wahrheit zu sein, die zudem öffentlich so tut, als sei ihr erfundener Gott schon tatsächlich real in Erscheinung getreten und die meint, Behauptungen, in denen überirdische Fantasiewesen vorkommen, könnten irgendwie zur Beantwortung realer Fragen hilfreich sein, die sollte sich allerdings schon einer Konfrontation mit der natürlichen Wirklichkeit stellen.

Und wer den einzig wahren Gott an seiner Seite (bzw. über oder gar in sich) wähnt, der sollte sich seiner Sache doch eigentlich sicher genug sein, um auch mit kritischen Fragen und Kommentaren umgehen zu können – sollte man meinen.

Stattdessen ist die fragen.evangelisch-Redaktion nicht willens oder in der Lage, zum Beispiel diese Fragen zu beantworten:

Wenn Jesus „für die Menschen“ am Kreuz gestorben ist, heißt das, dass alle Menschen, auch rückwirkend, dadurch sündenfrei wurden? Wenn ja: Gilt das dann nur für Homo sapiens sapiens, oder auch für Neandertealer, Homo erectus und andere Vorgänger? Was ist mit den Menschen, die erst nach der Hinrichtung geboren wurden oder erst noch geboren werden?

Ist ein Menschenopfer überhaupt gültig, wenn der Geopferte drei Tage später wieder von den Toten aufersteht? Oder ist zu befürchten, dass Gott den Betrug durchschaut hat? Ist deshalb zu befürchten, dass Gott irgendwann wiedermal ein weiteres Menschenopfer verlangen wird, um den Menschen seine Liebe damit zu beweisen?

Und was ist das überhaupt für ein Gott, offenbar trotz Allmächtigkeit keine andere Möglichkeit hat, den Menschen seine Liebe in Form eines unvorstellbar grausamen Menschenopfers durch die von ihm angeordnete Hinrichtung eines Menschen, zu dem er ein Vater-Sohn-Verhältnis hat, zu beweisen?

Wohingegen zum Beispiel Fragen, ob verstorbene Haustiere auch in den Himmel kommen oder ob ein schlechtes Gewissen nach dem Bordellbesuch normal sei sehr wohl ausführlich – aus evangelischer Sicht und damit basierend auf der biblischen Scheinwirklichkeit – beantwortet werden.

Kommentare, in denen die Existenz Gottes damit „bewiesen“ wird, dass man Handystrahlen ja auch nicht sehen könne, werden veröffentlicht, die Antwort, dass man Handystrahlen (anders als Götter) ja probemlos nachweisen könne jedoch nicht.

Zwischenfazit:

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Holzweg

Offenbar möchte man in seiner Scheinwelt nicht gestört werden und besonders scheint man sich davor zu fürchten, dass Leser durch „nicht zielführende“ Beiträge vom erfundenen Ziel des Holzwegs abgebracht werden könnten. Dass leichtgläubige Menschen den Schwindel nicht durchschauen und auf die falschen Versprechen hereinfallen könnten, nimmt die Kirche offenbar billigend in Kauf.

Nachvollziehbar ist die Zensur kritischer Beiträge nur, wenn man bedenkt, dass nichts weniger als der Kirche Existenz davon abhängt, dass möglichst viele Menschen möglichst ein Leben lang dem vorgegebenen Holzweg in Richtung eines rein fiktiven Zieles („hoffnungsvolle Illusion“) folgen – kritische Beiträge, die Menschen von diesem Holzweg abbringen könnten, wären dann aus kirchlicher Sicht tatsächlich „nicht zielführend.“

Einige Antworten aus weltlicher Sicht auf fragen.evangelisch.de-Fragen  gibts hier auf AWQ.DE.

Wer es auch mal ausprobieren möchte: Einfach auf fragen.evangelisch.de gehen und dem Herrn Pfarrer mal eine Frage schicken! Erfahrungsberichte sind herzlich willkommen.

 

 

 

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