Bad Kissingen: Pfarrer gesteht erst nach Anklage wiederholten sexuellen Missbrauch

Lesezeit: ~ 3 Min.

Kommentar zu: Wem kann man vertrauen, wenn nicht einem Pfarrer?, Originalartikel verfasst von Paul Ziegler, veröffentlicht am 10.5.16 von infranken.de

Die lokalen Medien berichteten über die Aufdeckung eines Falles von sexuellem Missbrauch durch einen heute 80jährigen Pfarrer aus dem Raum Bad Kissingen. So auch der Online-Nachrichtendienst infranken.de. Dort heißt es:

[…] Der Fall: Eine Stadt in Polen. 1968. Der damals 32-jährige Pfarrer vergeht sich an einem damals 15 Jahre alten Teenager. Nicht einmal, das Ganze zieht sich über mehrere Jahre hin. Das Martyrium für die junge Frau endet erst, als der Geistliche Mitte der 1970-er Jahre nach Deutschland und die Diözese Würzburg kommt. 40 Jahre später, im Herbst 2014, meldet sich die Frau schließlich. Sie berichtet, klagt an.*

In diesem Zusammenhang von einem „Martyrium“ zu sprechen, zeugt entweder von Unwissen oder aber von besonderer Dreistigkeit (Hervorhebung von mir):

  • Märtyrer, auch Martyrer (von griechisch μάρτυς „Zeuge“ oder μαρτύριον „Zeugnis“, „Beweis“;[1] weibliche Formen Märtyrerin bzw. Martyrerin sowie Märtyrin bzw. Martyrin) sind Menschen, die um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen leiden, ggf. ihren gewaltsamen Tod erdulden. (Quelle: Wikipedia)

Es ist kaum davon auszugehen, dass die Geschädigte die Taten des Pfarrers um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen erlitten hatte, auch wenn er ihr das vielleicht erzählt haben könnte.

[…] „Er [der Täter] gab die sexuellen Übergriffe weitgehend zu“, stellte Keßler fest und sei des Weiteren während der Ermittlungen „sehr kooperativ gewesen.“

Er hat ja auch gar keinen Grund, nicht kooperativ zu sein. Aus strafrechtlicher Sicht dürfte der Fall verjährt sein, hier hat der weitgehend geständige Sexualstraftäter also kaum noch etwas zu befürchten.

Und jemand, der sein Leben lang gebetet hat:

„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach.
Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“,

ist sowieso so meilenweit von jeder Realität entfernt, dass er vermutlich wegen ein paar Vergewaltigungen vor vielen Jahren schon lange keine Gewissenskonflikte mehr hat (wenn er denn überhaupt jemals welche hatte).

Er hofft einfach auf „ein Wort“ seines erfundenen Gottes, und mehr kann und braucht er ja jetzt für die Heilung seiner kranken, unwürdigen „Seele“ sowieso nicht tun.

Und so erstaunt es auch nicht weiter, dass der Pfarrer trotz mündlichen Verbots weiter Messen zu Ehren seines Wüstengottes abhält, als wäre nichts gewesen. Auch vor einer Bestrafung im Jenseits braucht sich der Täter nicht zu fürchten, da er ja sehr wahrscheinlich nur zu gut weiß, dass jegliche christliche Vorstellung vom Jenseits sowieso nichts weiter als rein fiktiver Hokuspokus ist.

Beinahe wäre der Plan aufgegangen und beinahe jeder hätte den Pfarrer im Ruhestand so in Erinnerung behalten:

  • „…überall wo er wirkte, war er sehr beliebt, sehr umgänglich, gut gelaunter, heiterer Mensch, mit pastoralem Charme schaffte er Sympathie“ … „M.s besondere Liebe gehört den Schulkindern, ’seinen Ministranten‘ und auch den Seniorinnen und Senioren“ … „tritt auch schon mal für die Kinder als Nikolaus auf“ (Quelle)

Doppelmoral, Selbstgerechtigkeit, Ignoranz, Bigotterie, Scheinheiligkeit, Vertuschung und Heuchelei sind (natürlich nicht nur, aber eben gerade auch) in klerikalen Kreisen häufig anzutreffende Phänomene.

Während andere zweifelhafte Ideologien wenigstens keinen Anspruch auf besonders hohe moralische Standards erheben, erscheinen die gehäuft auftretenden Sexualstraftraten mit kirchlichem Zusammenhang besonders prekär, weil sich die Kirchen ja immer gerne als Moralwächter aufspielen und versuchen, sich ins Privatleben aller Menschen einzumischen, wo sie nur können.

[…] Gibt es für sie [die Geschädigte] finanzielle Entschädigung, oder Unterstützung bei Therapien oder Maßnahmen, die ihren körperlichen und geistigen Gesundheitszustand verbessern? „Das wird übernommen“, versprach Thomas Keßler, und das werde nicht aus Kirchensteuergeldern beglichen, sondern aus einem Fonds, der nicht aus Steuermitteln gespeist wird.

Nicht aus Steuermitteln, sondern aus welchen Mitteln…? Wie kam die Kirche zu diesen Mitteln? Wer legt die Höhe dieser Zahlung fest?

Keine Spaltung zulassen
Kaplan Paul Reder sprach in seinem Schlusswort von „Transparenz und Glaubwürdigkeit“ als einem wichtigen Signal für die Gemeinde.

Ohne die Anzeige der Geschädigten wäre der Fall – wie eine unbekannte Anzahl weiterer Fälle – niemals ans Licht gekommen. Würde die Kirche ihre Angestellten nicht zu einer völlig unnatürlichen und unmenschlichen zölibatären Lebensweise zwingen, hätte sie vermutlich auch weniger Sexualstraftaten vor ihrem Parallel-Kirchengericht zu verhandeln.

Ihre Glaub-Würdigkeit hat die Kirche sowieso schon längst verspielt: Weder die Kirche, noch ihre Götter, Göttersöhne oder Heiligen Geister sind es würdig, dass heute noch jemand an sie glaubt.

Das Auftauchen dieser Eisbergspitze dürfte wieder etliche Menschen zum Kirchenaustritt bewegen, die es bisher noch nicht geschafft hatten, sich von ihrer religiösen Indoktrination zu befreien. Somit wird nicht etwa eine Spaltung innerhalb der Kirchengemeinde, sondern die generelle Abwanderung, besonders nach Bekanntwerden solcher Fälle, zum eigentlichen Problem für die Kirchendiener: Mit jedem einzelnen Austritt verliert die Kirche an Macht und Geld.

Um noch die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Warum sollte man ausgerechnet jemandem vertrauen, der in einer um imaginäre Götter und Geister erweiterten Scheinwirklichkeit lebt und seinerseits auf die Unterstützung durch imaginäre Freunde vertraut? Gerade bei Menschen mit einem so schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität ist besondere Vorsicht geboten, nicht nur, was das Vertrauen angeht.

Weitere Quellen:

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.

**Das Teaserbild ist ein Symbolbild.

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1 Gedanke zu „Bad Kissingen: Pfarrer gesteht erst nach Anklage wiederholten sexuellen Missbrauch“

  1. Meine Mutter hat mich,ich glaube über die Diakonie in ein katholisches Heim gesteckt,ohne zu wissen was da vor sich geht.Sie wollte mir und meinem Bruder einen 6 Wöchigen Urlaub gönnen. Ich war 8 Jahre alt, mein Bruder 2,5 Jahre älter. Wenn man zum Beispiel Liedstrophen vergaß, gabs psycho. Du bist ja doof, hast keine Lust usw.vor allen anderen. Hab keine Lust mehr alle Einzelheiten zu schreiben. Wenn „die “ noch Leben, sagen sie ,das war zu der Zeit alles richtig,egal wie es mir damit geht.

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