Kommentar zu: Wort des Bischofs: Europa – selbst wenn der Haussegen schief hängt!

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Kommentar zu: Wort des Bischofs: Europa – selbst wenn der Haussegen schief hängt!, verkündet von Rainer Woelki, veröffentlicht am 26.06.2016 von domradio.de

Quelle: domradio.de

Brexit! Die Briten verlassen die Europäische Union. Kardinal Woelki meint:*

Was kann jemand, der in einer um erfundene Götter, Geister und Gottessöhne erweiterten Scheinwirklichkeit lebt, zu politischen Fragen im 21. Jahrhundert beitragen?

In einer Scheinwirklichkeit, in der es als besonders tugendhaft gilt, an Dingen wider jede Vernunft, Logik, gegen besseres Wissen, das gute Gewissen und gegen die intellektuelle Redlichkeit feszuhalten? Erwartungsgemäß nicht viel wirklich Hilfreiches, sondern, wie in diesem Beitrag, zum Beispiel ein Zitat eines „großen“ englischen Märtyrers:

„Vertrauen wir fest auf Gott, dann können wir sicher sein, dass wir nicht enttäuscht werden!“

Das Vertrauen auf eine von Menschen erdachte Fiktion gehört für jeden klar denkenden Menschen ganz bestimmt zu den Vorgehensweisen, die am allerwenigsten zur Lösung realer Probleme beitragen können. Abgesehen davon passt der Verweis auf Thomas Morus so gar nicht zur heuchlerischen Selbstbemitleidung Woelkis anlässlich der Spaltung seiner Kirche:

Gerade als katholische Kirche wissen wir nach der Abspaltung der Anglikanischen Kirche vor fast 500 Jahren, wie schmerzlich es ist, wenn Brüder und Schwestern getrennte Wege gehen.

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Thomas Morus

Noch schmerzlicher als getrennte Wege zu gehen ist es nämlich, verfolgt und verbrannt zu werden, was derselbe Thomas Morus, dessen festes Gottvertrauen Herr Woelki als Lösungsvorschlag nennt, seinerzeit mit Anhängern der Reformation veranlasst hatte (Hervorhebung von mir):

  • […] Als Katholik setzte er [Thomas Morus] sich konsequent für die Autorität des Heiligen Stuhls ein. Gleichzeitig focht er mit der Feder für ein humanes Miteinander der Menschen. Dies hinderte ihn allerdings nicht daran, in seiner Funktion als Lordkanzler Anhänger der Reformation verfolgen und verbrennen zu lassen, wenn diese entgegen ihrer eigenen Zusage sich erneut mit protestantischen Schriften beschäftigten – denn erst Wiederholungstätern drohte Strafe.
    (Quelle: Wikipedia)***

Lasst uns gemeinsam ein Haus aufbauen, in dem Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zuhause sind.

Interessant. Ausgerechnet ein katholischer Kirchenoberdiener preist die Errungenschaften von Aufklärung und Humanismus an. Fehlt nur noch, dass er diese Werte als christliche Werte bezeichnet… Diese Werte wurden gegen den erbitterten, brutalen Widerstand des christlichen Klerus von mutigen Männern und Frauen oft unter Lebensgefahr nach und nach durchgesetzt.

Für eine moderne Ethik der Weltbevölkerung des 21. Jahrhunderts braucht es Herrn Woelkis unsympathischen Provinz-Wüstengott aus der Bronzezeit nicht mehr. Religiös-dualistische Moralismen aus dem Vormittelalter taugen nicht als Grundlage für Gesellschaftsordnungen, in denen die Würde des Menschen an oberster Stelle steht und kein erfundener Gott, der bis zum Beweis des Gegenteils nicht existiert und dessen angeblicher Wille bei Bedarf völlig beliebig definiert werden kann.

[…] Wenn wir in unserem europäischen Haus unsere gemeinsamen christlichen Werte als wichtige leuchtende, tragfähige Bausteine einbauen, dann ist mir um die Zukunft Europas nicht bange.

Auch das ist eine interessante Formulierung, die einiges über Herrn Woelkis Selbstverständnis aussagt. Nachdem Herr Woelki mit Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Kunst, Musik und Wissenschaft tatsächlich bedeutsame Werte genannt hat, möchte er schnell noch irgendwie seine angeblich christlichen Werte unterbringen.

Statt sich für die Errungenschaften von Aufklärung und Humanismus zu bedanken und dafür, dass diese auch die Glaubensfreiheit garantieren, preist Herr Woelki seine angeblichen christlichen Werte gar als „leuchtende, tragfähige Bausteine“ an, wegen derer ihm um die Zukunft Europas nicht bange sei.

Wünschenswert wäre eine realistische Selbsteinschätzung – Herr Woelki soll auch weiterhin im europäischen Haus mit seinen religiösen Bauklötzchen aus der Kinderzeit der sozio-kulturellen Entwicklung der Menschheit spielen können. Und natürlich soll auch ein Herr Woelki seine Ansichten und Ideen aus seiner religiösen Scheinwirklichkeit zum Besten geben können, allerdings ohne staatliche, milliardenschwere Subventionierung und Sonderprivilegierung seiner Institution.

Damit könnte sogar Herr Woelki an Glaubhaftigkeit gewinnen, wenn er fordert:

Lasst uns jetzt erst recht ein Haus Europa aufbauen, in dem sich nicht alles nur um die Wirtschaft dreht.

Wohlgemerkt: Das sagt einer, der sein fürstliches Gehalt vom Staat bezieht, der mietfrei wohnt und der über Dienstwagen samt Chauffeur verfügt und der damit unmittelbar und höchstpersönlich von der Wirtschaft profitiert, die er hier kritisiert.

Das finde ich nicht nur äußerst heuchlerisch, sondern dreist, besonders wenn man bedenkt, dass seine „Leistung“ darin besteht, einen auf religiösen Fiktionen basierenden und damit für die reale Wirklichkeit unnützen Standpunkt („Vertrauen wir fest auf Gott…“) öffentlich zu verkünden. Und so wundert es mich nicht, dass auch dieses Bischofswort Herrn Woelki wieder einen veritablen Shitstorm eingebracht hat.

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