Die drei Geschenke: Christliche Ideologie für Kinder

Lesezeit: ~ 5 Min.

Die drei GeschenkeEine Kollegin hatte mir die Geschichte Die drei Geschenke mitgebracht, weil ich mich ja auch immermal mit Gott beschäftigen würde. Die Geschichte gibt es hier auch online.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein harmloses Märchen. Ein kleiner Junge wird auf wundersame Weise in die biblische Krippe versetzt und unterhält sich mit dem Christkind. Da dies in Wirklichkeit nicht möglich ist und eine Unterhaltung mit einem vor rund 2000 Jahren Neugeborenen ja auch reichlich unrealistisch ist, dürfte dem Leser klar sein, dass es sich bis hierher um ein Märchen handelt. Kinder können ab einem gewissen Alter meist schon sehr gut zwischen einer wundersamen Märchen- und der richtigen Wirklichkeit unterscheiden.

Warum ich aber doch ein paar Zeilen zu der Geschiche „Die drei Geschenke“ notiere, hat mit dem Dialog zwischen dem Jungen und dem „Christuskind“ zu tun. Denn die oberflächlich betrachtet harmlose und belanglose Geschichte vermittelt einige Dinge, die ich für frag- und kritikwürdig halte. Besonders dann, wenn man bedenkt, dass diese Geschichte ja für Kinder gedacht ist.

Gruselige Vorstellung: Vollständige Gedankenkontrolle

Das „Christuskind“ in der Geschichte ist ein allwissendes Wesen. Es scheint jedes noch so kleinste, privateste Detail, ja sogar jeden Gedanken des Jungen zu kennen. Allein schon die Vorstellung, dass es irgendwen oder irgendetwas gibt, der oder das alle meine Gedanken kennt, finde ich befremdlich. Gerade für Kinder könnte die Behauptung, ein solches Wesen würde tatsächlich existieren und die privaten Gedanken kontrollieren, geradezu beängstigend sein.

Gäbe es dieses allwissende Wesen wirklich, wären die Gedanken keineswegs frei. Sondern kontrolliert – vom Christkind. Und aus meiner Sicht spielt es gar keine Rolle, wie man sich die Beziehung dieses Wesens zu einem selbst vorstellen soll. Allein schon die Vorstellung, dass irgendwer oder etwas alle meine Gedanken kennt ist nicht nur völlig absurd, sondern auch ein (freilich nur behaupteter) Eingriff in meine persönliche, private Gedankenwelt.

Aus dem Märchen geht weiter hervor, dass dieses Christuskind offenbar in einer bestimmten Beziehung zu dem Jungen steht. Denn es fordert das Kind auf, ihm „die drei Geschenke“ in Form seiner Lügen, seines Trotzes und des Bösen, was er getan hat, zu bringen. Das Christuskind verspricht dem Jungen:.

„Und wenn du zu mir kommst, will ich dir helfen; ich will dich annehmen in deiner Schwäche, ich will dir immer neu vergeben, ich will dich an deiner Hand nehmen und dir den Weg zeigen. „Willst du dir das schenken lassen?“ Und der Junge schaute, hörte und staunte …. (Quelle: weihnachtsstadt.de)

Die drei Geschenke: Lügen, Trotz und „das Böse“

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass es sich bei der Geschichte ja offensichtlich nur um ein Märchen handelt. Allerdings tun Christen ja gerne so, als handle es sich bei ihren Märchen um wahre, reale Tatsachen.

Ein Junge, der in eine geschnitzte Krippe gebeamt wird – das ist natürlich nur ein Märchen. Das gibts ja in Wirklichkeit gar nicht. Geht es aber um Gott oder seinen Sohn und deren angebliche Eigenschaften und Absichten, so bestehen Christen in der Regel darauf, dass man diese Geschichten als reale Tatsachen zu akzeptieren hat. Und tut so, als sei das alles wahr und real.

Das allwissende Christuskind bietet dem Jungen an, ihm seine Sünden zu vergeben und ihm „den Weg“ zu zeigen. Dem Leser wird also suggeriert, es gäbe da ein allwissendes Wesen. Eines, das auch noch befähigt und willens ist, Menschen zu verzeihen, wenn sie sich falsch verhalten haben.

Welche Maßstäbe verwendet das Christkind?

Unklar ist, ob dieses Wesen dieselben Maßstäbe anwendet, um „gutes“ von „bösem“ Verhalten zu unterscheiden. Und unklar ist auch, warum das Christuskind in seiner Funktion als zweites Drittel eines allmächtigen, allgütigen Gottes nicht einfach dafür sorgt, dass sich die Menschen so verhalten, wie es dieser Gott gerne hätte.

Doch in der irdischen, natürlichen Wirklichkeit ist das Verzeihen eines imaginären Wesens wertlos. Es spielt schlicht keine Rolle, ob ein fiktiver Gottessohn „Sünden“ verzeiht oder nicht. Wer sowas glaubt, betrügt sich selbst.

Folgen kann eine solche realitätsferne Vorstellung allerdings schon haben. Negative Folgen. Wenn jemand ernsthaft meint, dass ihm ein „Gottessohn“ praktisch jedes Fehlverhalten verzeiht, dann kann dies durchaus zu einer verzerrten Einschätzung des eigenen Verhaltens in Bezug auf Fairness und Recht haben. Egal was ich mache, Gott verzeiht mir, wenn ich ihn nur darum bitte – ein möglicherweise fataler Fehlschluss.

Denn in der irdischen natürlichen Wirklichkeit geht es um das Verhältnis von Lebewesen untereinander. Ausnahmslos alle bisher von Menschen erdachte Götter halten sich nämlich komplett aus der Erden Lauf heraus.

Wertloses Geschenk

Wer einen Fehler begangen hat, sollte überlegen, wie er den entstandenen Schaden wieder gut machen kann. Statt imaginäre Freunde um Vergebung zu bitten. Der Weg, auf den das Christuskind den Jungen führen möchte, ist ganz offensichtlich ein Holzweg.

Wäre es nicht viel sinnvoller und vor allem realer, Kindern faires und selbstverantwortliches Verhalten zu vermitteln? Oder auch, dass es durchaus menschlich ist, nicht perfekt zu sein? Und dass man diejenigen um Vergebung bitten muss, denen man durch sein Verhalten geschadet hat? Indem man den Fehler eingesteht, sich entschuldigt und versucht, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen?

Oder, dass es der Mitmenschen wegen angebracht ist, sich fair zu verhalten. Und nicht, weil ein Märchen-Christkind irgendetwas als „böse“ bewertet. Und sich die drei Geschenke wünscht, die in dieser Geschichte beschrieben werden.

Welche Ziele verfolgen Menschen, die Kindern suggerieren, es gäbe ein allwissendes, überirdisches Wesen, das ihre geheimsten Gedanken kennt und ihnen Fehlverhalten verzeihen kann, wenn man es nur anerkennt?

Was aus irgendwelchen Gründen in diesem Kindermärchen ganz fehlt, ist der Umstand, dass für die Vergebung von Sünden laut christlicher Lehre dieses kleine, liebe Christuskind auf Wunsch seines eigenen Vaters am Kreuz zu Tode gefoltert werden musste. Eine christliche „Wirklichkeit“, über die auch ein verharmlosendes Märchen nicht hinwegtäuschen kann.

Psychologische Interpretation

Ein Kind/ der Mensch möchte natürlich, dass es/er so angenommen wird wie es/er ist. Fehlleistungen und Fehlverhalten möchte man am liebsten ungeschehen machen. Aber ein Jesuskind kann einem das nicht abnehmen. Genauso könnte man das seinem Teddybär erzählen.

Dem Traumfänger wird eine ähnliche Wirkung zugeschrieben:

  •  Es wird dabei angenommen, dass die guten Träume durch das Netz gingen, die schlechten im Netz hängen blieben und später durch die Morgensonne neutralisiert würden.“(Quelle: Wikipedia)

Allerdings lässt sich das für Kinder sogar besser verstehen, so dass auch heute über vielen Kinderbetten dieses indianische Kultobjekt „seine Dienste tut“. Aber hier weiß jedes Kind, dass es eine Geschichte ist.

Gott verzeiht nicht alle Sünden

Nach kirchlichem Verständnis gibt es aber auch Todsünden. Und die verzeiht Gott nicht.

  • Nach der Lehre der katholischen Kirche zieht die (schwere) Sünde den zweiten Tod, die Höllenstrafe nach sich, wenn man ohne vollkommene Reue und Buße stirbt. Die Vergebung der Todsünde kann nur im Bußsakrament oder durch vollkommene Reue (d. h. Reue aus Liebe zu Gott) erreicht werden. Die vollkommene Reue muss den Wunsch enthalten, das Bußsakrament und die Absolution (s. u.) zu empfangen. Auch der Empfang der heiligen Kommunion ist als unwürdig verboten. In der persönlichen Beichte spricht die Kirche durch den Priester in persona Christi den Sünder kraft göttlicher Vollmacht von seinen Sünden los: Er erteilt die Absolution. Hier genügt auch eine nur unvollkommene Reue (d. h. Reue aus Furcht vor Gottes Strafe) für die wirksame Wiederherstellung der Taufgnade. (Quelle: Wikipedia)

Wertvolles Geschenk

Die Geschichte vom frechen Hund - CoverWer eine Geschichte sucht, in der faires Verhalten kindgerecht und ganz ohne allwissende, sprechende Säuglinge dargestellt wird, dem sei das Kinderbuch „Die Geschichte vom frechen Hund“ von Helge Nyncke und Michael Schmidt-Salomon empfohlen.

Der Freche Hund wird von allen gefürchtet. Denn vor seinen Frechheiten ist niemand sicher. Aber eines Tages hat der Freche Hund ein Problem…

Nach dem provozierenden „Ferkelbuch“ haben Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke nun gemeinsam ein Buch gemacht, das Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren grundlegendes ethisches Verhalten vermitteln soll. Anknüpfend an die Erkenntnisse über die „Evolution der Kooperation“ wird Kindern gezeigt, dass ein fairer Umgang mit anderen letztlich auch Vorteile für einen selbst bringt.

Ein Buch für alle Eltern, die ihren Kindern soziales Verhalten vermitteln wollen, ohne dabei auf Konzepte von Schuld oder schlechtem Gewissen zurückzugreifen.
(Quelle: alibri-verlag.de)

*Der als Zitat gekennzeichnete Abschnitt stammt aus der genannten Quelle, abgerufen am 28.1.2017
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