Fasten-Kampagnen der EKD 2018: Bitte lasst uns auch mitspielen!

Lesezeit: ~ 12 Min.

Während die Karnevalisten die Fastenzeit nutzen, um sich von den Strapazen der Session zu erholen, treten die Kirchen in diesen Wochen regelmäßig mit allerlei Aktionen in Erscheinung, die irgendwas mit Fasten zu tun haben sollen.

So auch dieses Jahr. Auf ihrer Webseite stellt die evangelische Kirche Rheinland drei dieser Fasten-Aktionen vor. Und ruft zu Klimafasten, Autofasten und „7 Wochen ohne Kneifen“ auf.

Alle diese Kampagnen sollen Menschen dazu bewegen, ihr eigenes Verhalten in den Wochen zwischen Fasching und Ostern kritisch zu überdenken. Und ggf. (wenigstens vorübergehend) zu ändern.

Dieser Beitrag wurde auch vom Ketzerpodcast zum Nachhören veröffentlicht:

Interessante Umkehrung…

Hierbei lässt sich eine interessante Umkehrung erkennen: Früher war es die Autorität der Kirche, die Menschen dazu brachte, in der Fastenzeit zum Beispiel auf Fleischkonsum zu verzichten.

Und zwar nicht aus irgendwelchen tatsächlich sinnvollen Gründen wie etwa Klimaschutz oder als Zeichen gegen Massentierhaltung. Sondern quasi einfach nur aus reiner Schikane. Zur Selbstdemütigung. Gott zuliebe.

Und in erster Linie: Um das anschließende Fastenbrechen als umso befreiender und beglückender erscheinen lassen zu können.

Das Prinzip funktioniert bis heute: Künstliche Verknappung kann die Markenbindung und damit auch die Kaufbereitschaft enorm steigern.

Seit der Kirche diese Autorität abhanden gekommen war, sehen immer weniger Menschen noch einen Sinn darin, irgendetwas zu tun oder zu lassen, um damit einen vermeintlich göttlichen Willen zu erfüllen. Schon gar nicht, wenn es, wie beim Fasten, für sie mit Verzicht oder Einschränkung verbunden ist.

Bei immer weniger Menschen funktioniert das christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept überhaupt noch. Weil ein halbwegs aufgeklärter, ansonsten vernünftig denkender Mensch ein solch absurdes Afterlife-Himmel-Hölle-Spielchen nicht mehr ernsthaft für wahr halten kann.

Nun gibt es aber freilich tatsächlich gute Gründe, das eigene Konsumverhalten kritisch zu überdenken. Und es ggf. auch (nachhaltig, nicht nur für 7 Wochen) zu verändern.

Das scheinen auch die Kirchenvertreter mitbekommen zu haben. Deshalb drehen sie den Spieß einfach um. Und nutzen tatsächlich gültige und begründbare Argumente, um dann noch schnell irgendwie ihren Schöpfergott samt zugehöriger Wüstenmythologie mit hineinzuschmuggeln.

Wie ein Kleinkind, das zwar schon im Auto vorne sitzen, aber sicherheitshalber noch seinen Teddy mitnehmen möchte.

…vom autoritären Schiedsrichter zum geduldeten Mitspieler

So funktioniert das Wort zum SonntagDas lässt sich frelich nicht nur bei Aktionen rund um Fasten, sondern generell beobachten. Nach dem gleichen Schema funktioniert zum Beispiel auch die Verkündigungssendung „Wort zum Sonntag“:

Prangere einen Missstand an, vertrete einen halbwegs vernünftigen, möglichst Mainstream-kompatiblen Standpunkt und sage am Schluss: „…und dieses Verhalten ist übrigens auch das, was Gott von uns verlangt.“ Dazu noch einen passenden Halbsatz aus der Bibel herausgepickt, und fertig ist die christliche Verkündigung.

Früher hatte der angeblich göttliche Wille noch als Begründung und zur Legitimierung zum Beispiel von bestimmten Verhaltensregeln völlig ausgereicht:

„Deus lo vult“ – „Gott will es“ war jahrhundertelang Grund genug, Angriffs- und Eroberungskriege anzuzetteln und ungezählte Menschen zu verfolgen, auszubeuten, zu vertreiben und zu ermorden. Und Theologen lieferten stets gerne ein paar jeweils passend herausgepickte und entsprechend umgedeutete Bibelstellen samt passender theologischer Auslegung dazu.

Für die heutigen Durchschnitts-Wischiwaschi-Christen spielen die angeblich göttlichen, in Wirklichkeit von Menschen erfundenen Willensbekundungen in ihrer Lebenswirklichkeit praktisch keine Rolle mehr. Bei denen ist Gott ein lieber Gott und will immer das, was sie selbst wollen.

Dabei kommt den Verkündigern ein Umstand zugute: Ganz offensichtlich haben die Durchschnittschristen heute so wenig Ahnung von ihren biblischen Mythen und Legenden, dass niemandem mehr auffällt, was für textliche Winkelzüge und Tricksereien angewendet werden, um aus der hauchdünnen brauchbaren Legierung biblischer Texte noch etwas herauszukratzen, das sich irgendwie zumindest scheinbar in einen sinnvollen Zusammenhang mit der Wirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhunderts bringen lässt. Vermutlich interessiert es aber auch einfach niemanden mehr.

Anders lässt sich die Wahl des Mottos zum diesjährigen „Klimafasten“ kaum erklären.

Fasten 2018: „Klimafasten“ nach biblischem Vorbild?

Wobei schon der Begriff „Klimafasten“ unglücklich gewählt erscheint: Fasten bedeutet eine Beschränkung oder einen Verzicht. Als Erdenbewohner haben wir kaum Chancen, aufs Klima zu verzichten.

Der Begriff Klimafasten ist also in etwa so sinnvoll wie zum Beispiel Schwerkraftfasten. Wobei ich bis jetzt noch von niemandem erfahren habe, der je von seinen diesbezüglichen Fasten-Erfahrungen berichtet hätte…

Gemeint ist vermutlich „Fasten für das Klima“, was hier biblisch begründet werden soll.

Exemplarisch sei hierzu die Bibelstelle genannt, mit der die Aktion „Klimafasten“ startet:

So viel du brauchst …
„Als sie alles Gesammelte maßen, da hatten die Vielsammler keinen Überschuss und die Wenigsammler keinen Mangel; sie hatten gerade so viel heimgebracht, wie jede Person brauchte.“
2. Mose 16,18 (Quelle: klimaschutz-ekvw.de, KlimafastenBroschuere2018_WEBklein.pdf)

6 Tage zu Fuß...Diese wunderlich-naive Vorstellung von (offenbar göttlich veranlasster) gerechter Verteilung erscheint in einem anderen Licht, wenn man den umgebenden Text berücksichtigt, aus dem dieser Satz herausgepickt worden war:

So viel du brauchst…

Die Israeliten waren also zu 40 Jahren Umherirren in der Wüste verdonnert worden. Offenbar war den anonymen Verfassern dieser Geschichte aufgefallen, dass so ein Volk ja auch mal Hunger bekommt, wenn es vier Jahrzehnte in einer Wüste herumläuft. Einer Wüste, die sich, nebenbei bemerkt, in weniger als einer Woche zu Fuß durchqueren lässt.

Fun Fact am Rande: Dieses Narrativ taucht auch in etlichen Donald Duck™-Taschenbüchern auf. Immer wieder mal verschlägt es dort die Protagonisten in eine Wüste, die interessanterweise meist schon in Sichtweite von Entenhausen zu beginnen scheint und aus der es dann unter geheimnisvollen Umständen zunächst keinen Ausweg mehr gibt. Zum Beispiel müssen die Helden erst einen gefunden Schatz zurücklassen, um schließlich wieder – dann meist mit wenigen Schritten – zurückzufinden.

Zurück in die biblische Wüste. Das Volk beklagt sich bei Mose über die unbefriedigende Versorgungssituation. Da hätte man auch gleich in Ägypten bleiben können, murren sie.  Dort gabs wenigstens ordentlich was auf die Teller.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser: Gott kennt seine Pappenheimer

Diese Notsituation nutzt Gott, der zu dieser Zeit  zumindest noch nebenberuflich als Wettergott tätig zu sein scheint (er erscheint in Form einer Wolke), rigoros aus (Hervorhebung von mir):

  • Da sprach der HERR zu Mose: Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und das Volk soll hinausgehen und täglich sammeln, was es für den Tag bedarf, dass ich’s prüfe, ob es in meinem Gesetz wandle oder nicht. (2. Mo 16,4 LUT)

Gott scheint seine Pappenheimer gut zu kennen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und so testet Gott seine bevorzugten Schafe, ob sie sich denn auch fein brav an seine Vorgaben halten oder nicht. Die Vorgabe ist klar: „Sammle nur, soviel du brauchst…“

Vielleicht war es ein kritischer Korrekturleser, dem beim Durchlesen dieser Legende der Widerspruch zuerst aufgefallen war:

„Moment mal, wenn die immer nur für einen Tag sammeln dürfen, was ist dann am Sabbat?! Du hattest doch geschrieben: Wer am Sabbat etwas sammelt, wird gesteinigt! Und jetzt?“

„Kein Problem“, entgegnet der Schreiber, „das haben wir gleich!“ Sagts, und fügt schnell noch ein:

  • Am sechsten Tage aber wird’s geschehen, wenn sie zubereiten, was sie einbringen, dass es doppelt so viel sein wird, wie sie sonst täglich sammeln. (2. Mo 16, 5 LUT)

„Zufrieden?“ – „Ja, so passts. Nicht, dass uns da noch einer auf die Schliche kommt… Und jetzt lass uns Feierabend machen…“

Gerechte Verteilung um Gottes Willen?

Wachteln
Wachteln mindestens haltbar bis:
kommt drauf an…

Verständlicherweise waren weder Klimaschutz noch Tierethik oder Ressourcenverteilung Themen, die für die Menschen zum Ende der Bronzezeit relevant gewesen wären. Die Aufforderung, nur so viel zu sammeln wie man tatsächlich braucht, war ja auch nur ein Test, mit dem Gott jeden Tag neu den Gehorsam seiner Anhänger prüfen wollte.

Ordnet man die Gründe, die gegen einen übermäßigen Konsum und für eine gerechte Verteilung von Ressourcen sprechen, absteigend nach Relevanz sortiert auf einer Liste an, dann dürfte der Punkt „Weil ein Berge-Wolken-Wüstengott zornig wird, wenn Menschen seinen Test nicht bestehen“ sicher nicht auf einer der ersten hundert Seiten zu finden sein.

Der Bibelschreiber und sein Korrekturleser scheinen es an diesem Tag nicht bei einem Feierabendbier belassen zu haben. Das könnte zumindest erklären, warum ihnen der nun folgende Widerspruch offenbar nicht aufgefallen war (Hervorhebung von mir):

  • Das ist’s aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte. (2. Mo 16, 16-18 LUT)

Ein Wunder! Gott hatte seine Leute nicht nur mit Manna und lecker Wachteln versorgt.  Sondern offenbar auch mit der Segnung des Kommunismus: Egal, wieviel jeder gesammelt hatte – alle hatten gerade so viel gesammelt, wie sie zum Essen brauchen.

Gott: Allwissend, aber logistisch schwach

Leider scheint bei der Berechnung dessen, was „genau so viel, wie er zum Essen braucht“ ist etwas schief gelaufen zu sein. Denn offenbar hätten manche weniger gebraucht, als sie gesammelt hatten. Oder umgekehrt: Manche hatten doch mehr gesammelt als nötig:

  • Und Mose sprach zu ihnen: Niemand lasse etwas davon übrig bis zum nächsten Morgen. Aber sie gehorchten Mose nicht. Und etliche ließen davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde es voller Würmer und stinkend. Und Mose wurde zornig auf sie. (2. Mo 16, 19-20 LUT)

Zack. Gesetz gebrochen. Null Punkte. Verloren. Wüstenprüfung verkackt. Nächste Chance: Heute abend. So lange, bis ihr’s endlich rafft, wer hier in der Wüste der Herr im Haus ist.

Dass mit dem Wunder der gerechten Verteilung etwas nicht stimmen kann, wenn manche doch mehr hatten als sie benötigen, scheint der Korrekturleser nicht bemerkt zu haben.

Und was ist mit Sabbat?

Sehr wohl aber den nächsten Widerspruch, den der Lektor messerscharf so analysiert haben könnte:

„Hey, Moment mal. Oben hattest du geschrieben, dass sie am Vortag des Sabbats für zwei Tage sammeln dürfen, um nicht gegen das Sabbatgesetz  verstoßen zu müssen. Jetzt schreibst du, dass das Essen vergammelt, wenn es ungekühlt über Nacht aufbewahrt wird!? Merkste selber, gell?“

Und der Autor: „Zefix! (Nanu – wie komme ich denn auf dieses Wort jetzt?! Na, egal) – du nervst. Aber du hast Recht. Hmmm… Wie wärs damit:“

  • Und am sechsten Tage sammelten sie doppelt so viel Brot, je zwei Krüge voll für einen. Und alle Vorsteher der Gemeinde kamen hin und verkündeten’s Mose. Und er sprach zu ihnen: Das ist’s, was der HERR gesagt hat: Morgen ist Ruhetag, heiliger Sabbat für den HERRN. Was ihr backen wollt, das backt, und was ihr kochen wollt, das kocht; was aber übrig ist, das legt beiseite, dass es aufgehoben werde bis zum nächsten Morgen. Und sie legten’s beiseite bis zum nächsten Morgen, wie Mose geboten hatte. Da wurde es nicht stinkend und war auch kein Wurm darin. (2. Mo 16, 19-24 LUT)

Ja, aber….

„Perfekt! Du bist aber auch ein (Wüsten-)Fuchs! Aber ist das jetzt nicht ein bisschen lasch? Was, wenn zum Beispiel welche am Sabbat trotzdem Manna und Wachteln sammeln gehen? Müsste da Gott das Essen nicht auch direkt vergammeln lassen…?“, mag der Korrekturleser eingewendet haben. – „Hmmm… stimmt… Lass mich überlegen… Ha! Ich habs:“

  • Da sprach Mose: Esst dies heute, denn heute ist der Sabbat des HERRN; ihr werdet heute nichts finden auf dem Felde. Sechs Tage sollt ihr sammeln; aber der siebente Tag ist der Sabbat, an dem wird nichts da sein.  Aber am siebenten Tage gingen etliche vom Volk hinaus, um zu sammeln, und fanden nichts. Da sprach der HERR zu Mose: Wie lange weigert ihr euch, meine Gebote und Weisungen zu halten? Sehet, der HERR hat euch den Sabbat gegeben; darum gibt er euch am sechsten Tage für zwei Tage Brot. So bleibe nun ein jeder, wo er ist, und niemand verlasse seinen Wohnplatz am siebenten Tage. Also ruhte das Volk am siebenten Tage. (2. Mo 25-30 LUT)

Damit ist der kritische Korrekturleser überzeugt: „Brilliant! Ein bisschen sehr sperrig vielleicht und auch reichlich unlogisch, weil das Wunder der gerechten Verteilung damit hinfällig ist, aber was solls. Ist ja nur eine Legende…“

Zwischenfazit

Gott lässt also unter der Woche aufgehobenes Essen absichtlich verrotten, um Menschen dafür mit Zorn zu bestrafen, wenn sie es entgegen seiner Anweisung aufheben.

Es sei denn, sie heben es auf, weil sie am nächsten Tag mit seiner Verehrung beschäftigt sind und das Sammeln am Sabbat ja mit Steinigung bestraft werden würde. Dann lässt er das Essen nicht verrotten.

Und wer für diesen Tag nicht wie befohlen vorab gesammelt hat, geht leer aus, weil Gott seinen Leuten am Sabbat kein Manna und keine Wachteln liefert.

Es geht bei dieser Geschichte nicht um Klimaschutz, verantwortungsvollen Konsum oder um Gerechtigkeit. Sondern einfach nur um die Einhaltung von unsinnigen Regeln, mit denen ein eifersüchtiger Gott seine Anhänger schikaniert.

Nebenbei: Zur Lösung des Versorgungsproblemes hätte er seinem Volk auch einfach eine magische Solar-Tiefkühltruhe hinstellen können, der liebe Gott. Oder einen GSP-Empfänger. Absurd? Ach was.

…wie im Sandkasten

SandkastengesprächeDas Ganze erinnert etwas an das Niveau einer Unterhaltung von kleinen Kindern, wenn sie sich eine Sandkasten-Rollenspiel-Wirklichkeit zusammenfabulieren: „Ich wäre halt die Mama und du der Papa und das hier wäre halt ein Kuchen und der hätte dir ganz gut geschmeckt und dann und dann usw usf….“

Mit drei oder vier Jahren mag das völlig in Ordnung und unerlässlich für die kindliche Entwicklung sein. Aber für aufgeklärte Erwachsene im Jahr 2018…!?

Mein Zwischenfazit: Was in dieser Geschichte als wundersames göttliches Eingreifen beschrieben wird, ist in Wirklichkeit der gescheiterte Versuch, die Frage nach der Versorgung während der 40jährigen Wüstenwanderung mit unplausiblen und widersprüchlichen Erklärungsversuchen irgendwie glaubhaft zu bewältigen.

Göttliche Rechenschwäche: Auch im Neuen Testament belegt

Ein Hinweis darauf, dass sich Gott gerade bei der Zuteilung von Essen gerne mal verkalkuliert, findet sich auch im Neuen Testament. Dort hatte Jesus mit nur fünf Broten und zwei Fischen 5000 Mann gespeist.

Aber nicht, indem er die Nahrung mit dem Seziermesser in 5000 Portionen zerteilte. Sondern – wie kaum anders zu erwarten – durch ein Vermehrungswunder. Dabei hatte sich das zweite Drittel des Allmächtigen Allwissenden allerdings verrechnet:

  • Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. (Joh 6,12-13 LUT)

Hier hatte der Gottessohn also die Menge dessen, was alle für sich brauchen offensichtlich falsch eingeschätzt. Vielleicht wollte er aber auch einfach nur ein bisschen angeben.

Bibelmythen: Irrelevant fürs 21. Jahrhundert

BibelanleitungOb den Initiatoren, die sich das Motto der diesjährigen Fastenaktion ausgedacht hatten, bewusst ist, wie vollkommen bedeutungslos ihre herausgepickte (und in dieser Formulierung nicht mal in der Bibel enthaltene) Bibelstelle in Form des Mottos „So viel du brauchst…“ für die Beantwortung der Fragen des 21. Jahrhunderts ist?

Nur weil da in einem Bibeltext zufällig ein paar Worte vorkommen, die aus dem Zusammenhang gerissen und dann irgendwie in einen gewünschten anderen Zusammenhang gebracht werden können, wird die eigentliche Gesamtaussage dieses Textes dadurch kein bisschen relevanter.

Genauso könnte man mit Schneewittchens Glassarg für die Verwendung von wiederverwertbaren Rohstoffen werben. Oder zu einem Wackersteinboykott aufrufen. Zum Schutz der Wölfe.

Wer Menschen heute dazu bringen möchte, sich zum Beispiel mit ihrem klimatischen Fußabdruck auseinanderzusetzen, der kann und sollte Schöpfungs- und Göttermythen und sonstige Märchen dabei komplett weglassen. Und sich stattdessen auf die Fakten und Argumente konzentrieren, die dafür tatsächlich eine Rolle spielen.

Das würde dem Thema jedenfalls wesentlich besser gerecht, als hier noch einen angeblich allmächtigen, allwissenden, in erster Linie aber all-abwesenden und all-untätigen Gott hineinzubasteln.

Fasten extrem: Diskussionsbereitschaft als Fastenopfer?

Sicher wäre es interessant, darüber auch mal mit den zuständigen Kirchenangestellten zu sprechen. Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die Gesprächsbereitschaft praktisch gegen Null geht, sobald man Religionsverkünder mit der frappierenden Absurdität und Fragwürdigkeit ihrer Glaubensinhalte konfrontiert.

Sogar diejenigen, die eigentlich extra dafür bezahlt werden, Fragen zu ihrem Glauben zu beantworten, sind mitunter äußerst wählerisch und zurückhaltend, was die Beantwortung von Fragen zu Glaube, Kirche und Religion angeht. Besonders dann, wenn diese Fragen nicht unter Zuhilfenahme christlicher Mythologie beantwortet werden können.

Während zum Beispiel von „fragen.evangelisch.de“ die noch so absurdesten Fragen  („Kommt mein Haustier in den Himmel?“ – „Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich in den Puff gehe?“ – „Erhört Gott meine Gebete?“) oft ausführlich mit schwammig formulierten Fiktionen aus der religiösen Scheinwirklichkeit beantwortet werden, gibts auf  grundlegende, konkrete Fragen oft gar keine Antwort. Weder öffentlich, noch privat. Und diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht…

Auch das soll Fasten sein: „Zeig dich! 7 Wochen ohne Kneifen“

DIskussionDamit kommen wir zu einer weiteren Fastenaktion 2018. Unter dem Titel „Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“ ruft die evangelische Kirche dazu auf, sich zumindest während der sieben Fasten-Wochen Diskussionen zu stellen. Ob damit auch Diskussionen über die eigenen Glaubensgewissheiten gemeint sind, geht aus der Beschreibung nicht direkt hervor.

Aber allein schon der Umstand, dass Diskussionsbereitschaft hier als Fasten-Opfer dargestellt wird, lässt vermuten, dass es für Christen offenbar eine große Überwindung bedeuten muss, ihre eigene Meinung in einer Diskussion zu vertreten.

Andererseits kann es kaum erstaunen, dass Christen zumindest in Glaubensdiskussionen lieber kneifen, als sich auf eine Hinterfragung oder gar Offenlegung der Absurdität und Unplausibilität ihrer grundlegenden Glaubensgewissheiten einzulassen. Oder auch nur ganz allgemein der Unbrauchbarkeit des religiösen Glaubens als Methode zum Erkenntnisgewinn.

Im Beispiel auf der Webseite zur Aktion geht es dann (vermutlich absichtlich) auch gar nicht um eine religiöse Diskussion. Sondern um das Vertreten einer Meinung in einer (unverfänglich nicht näher definierten) Vereinsversammlung.

Wie stellen sich die Organisatoren das konkret vor? „Da muss ich mich jetzt aber wirklich mal gehörig am Riemen reißen, um meine Meinung in einer Diskussion zu vertreten. Ob ich das 7 Wochen durchhalte? Kann ich nicht lieber was anderes fasten…!?“

Sind die der Botschaft Jesu Christi zugewandte Menschen die Schwachen der Gesellschaft?

Zu dieser Fastenaktion werden die Veranstalter wie folgt zitiert:

„In Zeiten, in denen unerschrockene Debatten wieder dringend geboten sind und auch die Schwachen in der Gesellschaft gehört werden müssen, sollten sich der Botschaft Jesu Christi zugewandte Menschen nicht verstecken, nicht untertauchen oder wegducken“, heißt es von Seiten der Aktion. (Quelle: ekir.de)

Unklar ist, ob sich mit „die Schwachen in der Gesellschaft“ die Menschen, die sich der Botschaft Jesu Christi zuwenden, selbst meinen.

Falls ja: Ja, liebe „der Botschaft Jesu Christi zugewandte“ Menschen, wir hören euch zu! Ihr lebt – anders als damals, als das Christentum noch an der Macht war – in einer Gesellschaft, die so offen und frei ist, dass ihr euch nicht verstecken, nicht untertauchen oder wegducken müsst.

Es genügt völlig, wenn ihr euren Glauben als eure Privatsache, also ohne  staatliche Subventionierung und Sonderprivilegierung betreibt. Und aufhört, Einfluss auf das Leben anderer Menschen – besonders von Kindern – nehmen zu wollen.

Glaube als Privatsache

Wenn euch eure Sätze wie: „Gott zeigt sich jenen, die mit ihm, also mit der Wahrheit ringen wie Jakob (Woche 1).“ nicht selbst hochnotpeinlich, sondern bedeutsam vorkommen, dann verwendet eben modernste Technologie, um sie weltweit zu veröffentlichen.

Aber erwartet bitte nicht, dass jemand eure erfundene Scheinwirklichkeit ebenfalls als bedeutsam oder gar wahr anerkennt.

Bildet euch nicht ein, dass euch irgendwer ernst nehmen müsste, solange ihr so tut, als sei die Welt von euerem allmächtigen, allgütigen und allwissenden Schöpfergott erschaffen worden, der zudem ins irdische Geschehen eingreift und der sich nichts sehnlicher wünscht als eine Liebesbeziehung zu seiner auserwählten Trockennasenaffenart, deren Vertreter er zeitlich unbegrenzt mit physischer und psychischer Dauerqual bestraft, wenn sie sich nicht von ihm lieben lassen wollen und als dessen Vertreter und/oder Nachfolger seines zweiten Drittels ihr euch fühlt.

Wenn euch die Themen eurer Fasten-Aktionen ein Anliegen sind, könnt ihr eure biblisch-christliche Wüstenmythologie problem- und ersatzlos streichen. Und  stattdessen Argumente verwenden, die zur irdischen natürlichen Wirklichkeit kompatibel sind.

Ihr könntet enorm an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn ihr eure Anliegen nicht mit euren Glaubensvorstellungen vermischen würdet. Klingt paradox, ist aber so.

Religiöser Wunsch vs. irdische Wirklichkeit

Religiöse Gefühle verdienen genauso viel oder wenig Schutz wie alle anderen Gefühle auch.

Wer aber, zur Not auch wider Vernunft, Verstand und auf Kosten der eigenen intellektuellen Redlichkeit an dem Glauben festhalten möchte, dass der liebe Gott trotz Allmacht und Allgüte keine bessere Idee hatte, den Menschen seine Liebe zu beweisen, als sich seinen eigenen Sohn als Menschenopfer grausam (wenn auch nur vorübergehend) stellvertretend zu Tode foltern zu lassen, für den ist es vielleicht doch sinnvoller, zumindest diesbezüglichen Diskussionen mit Leuten, die diesen Glauben nicht teilen aus dem Weg zu gehen.

Die Erkenntnis (oder auch schon nur die dunkle Ahnung), dass die eigenen Glaubensgewissheiten nicht mit der restlichen Wirklichkeit übereinstimmen, kann bei Gläubigen oft zu unangenehmen Gefühlen führen.

Trotzdem: Wer an der Fasten-Aktion „Zeig dich! 7 Wochen ohne Kneifen“ teilnehmen möchte, ist immer gerne zu einer Diskussion eingeladen. Natürlich auch noch nach dem Fasten.

Einige spannende Fragen als mögliche Diskussionsgrundlage gibts zum Beispiel in diesem Beitrag.

 

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1 Gedanke zu „Fasten-Kampagnen der EKD 2018: Bitte lasst uns auch mitspielen!“

  1. Bravo! Speziell die Podcast-Version (mit passend verstellter Stimme bei göttlichen Zitaten) ist grandios gelungen. Treffend argumentiert und toll vorgetragen.

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