Kirchenaustritte wieder leicht gestiegen: Gerade veröffentlichten die beiden christlichen Kirchen ihre aktuellen Mitgliederzahlen für das vergangene Jahr. Trend: Die Herde schrumpft unverändert weiter.
Die Fakten
Die beiden großen christlichen Kirchen haben im vergangenen Jahr in Deutschland zusammen rund 660.000 Mitglieder verloren. Nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ging die Zahl der Protestanten 2017 um 390.000 Mitglieder auf 21,5 Millionen zurück. Die Zahl der Katholiken sank nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) um 270.000 auf 23,3 Millionen. (Quelle: Beitrag auf spiegel.de, 20.7.2018)
Interessant ist nun, welche der vielen Gründe für den Mitgliederschwund Kirchenfunktionäre bevorzugt nennen. Und welche sie oft mal unter den Altarteppich kehren.
Vom demographischen Wandel ist da gerne die Rede. Man freut sich, dass die Taufen und Firmungen ziemlich konstant geblieben seien. Und stellt fest, dass die Austritte ja nur leicht gestiegen seien.
Kirchenaustritte leicht gestiegen
Nun ja, das kommt – wie immer bei Statistiken – auf den Betrachtungszeitraum an:
Der längerfristige Trend an Kirchenaustritten erscheint wohl weniger dramatisch, wenn man ihn nur in einem kurzfristigen Zeitraum, etwa im Vergleich zum Vorjahr betrachtet.
Herde schrumpft – und Einnahmen steigen stetig
Was von kirchlicher Seite praktisch nie zu hören oder zu lesen ist: Trotz sinkender Mitgliederzahlen steigen die Kircheneinnahmen stetig. Denn bei der Kirchensteuer profitiert die Kirche von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Zu der sie selbst nur einen höchst fragwürdigen Beitrag leistet.
Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht hat der Kirchenkonzern also gar keinen Grund, sich über Kirchenaustritte zu beklagen: Im Gegenteil. Steigende Einnahmen bei gleichzeitig sinkenden Kosten – was will man mehr?
Klar: Mittel- und langfristig könnten die Kirchenaustritte dazu führen, dass die Kirche noch weiter an Relevanz und in der Folge irgendwann auch an politischem Einfluss verliert.
Noch ist damit aber nicht zu rechnen: Das Lobby-Netzwerk des christlichen Kirchenkonzerns läuft wie geschmiert.
Es ist nicht unbedingt das Geld? – Doch.
Dass beim Geld der Spaß kirchlicherseits aufhört, ist kein Geheimnis. „Es ist gar nicht unbedingt das Geld, das man sparen möchte,…“, weiß jedoch Pater Hans Langendörfer, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz. (Quelle: domradio.de)
Hier scheint der Wunsch Vater des Gedankens zu sein. Denn die Wirklichkeit stellt sich anders dar. Knapp die Hälfte der 47291 von kirchenaustritt.de letztes Jahr befragten Menschen geben die Kirchensteuer als Grund für ihren Austritt an:
Da es bei der Kirchensteuer um die Einnahme von echtem Geld geht (also um Werte, die unabhängig von religiösen Überzeugungen allgemein anerkannt werden), liegt es auf der Hand, dass Kirchenvertreter es tunlichst vermeiden auch noch darauf hinzuweisen, dass die Kirchensteuer der meistgenannte Grund für Kirchenaustritte ist. Dass dieses Verheimlichen auf Unkenntnis beruht, ist kaum anzunehmen. Da behauptet man lieber einfach mal, was einem in den Kram passt…
Religiös orientiert – oder orientierungslos!
Auch ein anderer Grund, den Herr Langendörfer in seinem Interview anführt, ist statistisch gesehen vernachlässigbar:
Menschen können sich eben auch religiös neu orientieren oder gar nicht mehr orientieren. (Quelle: domradio.de)
Die Neuorientierung an anderen Göttinnen oder Göttern war nur für 2,1% der Befragten der Grund, ihre bisherige Herde zu verlassen. Auch der Anteil derer, die angaben, einfach nicht mehr an Gott zu glauben, macht nur gut ein Viertel der Befragten aus.
Dem kritischen Leser ist sicher die altbekannte klerikale Arroganz in dieser Aussage von Herrn Langendörfer aufgefallen. In dessen Vorstellungswelt scheint es entweder religiöse Orientierung zu geben – oder eben gar keine Orientierung.
Dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz scheinen zwei Dinge nicht bewusst zu sein:
- Es bedarf keiner Religion, um sich orientieren zu können. Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt, braucht keine Religion.
- Das von ihm vertretene Christentum ist moralisch orientierungslos und profitiert davon, dass bis heute noch Menschen an die Legende von der christlichen Moral glauben.
Relevanz und Funktion für Kopf und Herz
Vielleicht sind ihm diese Punkte aber auch sehr wohl bewusst. Weshalb er sie durch das Konstrukt eines falschen Dilemmas (entweder religiös orientiert oder gar nicht orientiert) verschwinden lässt.
Schließlich hängt sein Gehalt davon ab, dass es auch weiterhin noch genug Menschen gibt, die sich davor fürchten, ohne Religion moralisch orientierungslos zu sein.
Die, wie der scheidende Fuldaer Bischof Algermissen, Menschen ohne Auferstehungsglauben als ein „großes Sicherheitsrisiko für die Mitwelt“ bezeichnen.
In einem Kommentar auf sueddeutsche.de schreibt Oliver Das Gupta:
Die Mitgliedszahlen werden weiter schrumpfen, wenn beide Kirchen es nicht schaffen, ihre Relevanz und Funktion für Kopf und Herz schlüssig zu begründen. (Quelle: Kommentar auf sueddeutsche.de vom 20.7.2018)
Schlüssig begründen lassen sich Relevanz und Funktion der Kirche nicht. Besonders was den Kopf angeht hat man schlechte Karten, wenn man als Milliardenkonzern seine Relevanz und Funktion mit biblisch-christlicher Mythologie untermauern muss.
Mehr Bildung einer der Gründe für Rückgang der Religiösität
Ziemlich interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch diese Einschätzung:
Den Grund für den Rückgang sehen Religionssoziologen auch in allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen. Dazu gehören: zunehmender Wohlstand, Individualisierung, Urbanisierung, vielfältige Freizeitmöglichkeiten, mehr Bildung und mehr Mobilität. (Quelle: spiegel.de)
Das bedeutet im Umkehrschluss: Menschen sind umso empfänglicher für religiöse Heilsillusionen, je schlechter ihre Lebensbedingungen sind, je weniger individuell, dafür aber ländlich sie leben, je weniger Freizeitmöglichkeiten sie haben, je weniger sie reisen… Und je weniger gebildet sie sind.
Dass der Erfolg und die Verbreitung von Religion offenbar von schlechten Lebensbedingungen und einem niedrigen Bildungsstand abhängen, sollte jedem zu denken geben.
Denn welche/wessen Interessen verfolgt die Kirche wohl, wenn es ihr augenscheinlich nicht darum geht, dass Menschen frei und selbstbestimmt leben und nach einem glücklichen und erfüllten Leben im Diesseits streben?
Was ist von einer Ideologie zu halten,
die darunter leidet, wenn Bildungsniveau und Wohlstand steigen?
Ich kann es nicht beweisen, und vielleicht liege ich völlig falsch, aber womöglich tragen auch Webseiten wie AWQ und die Google-Suche dazu bei, dass die Menschen von den Kirchen abrücken.
Dazu ist es auch gar nicht notwendig, dass die ganze Republik diese Webseite liest, sondern es reicht aus, wenn bei den üblichen Debatten im Büro oder im Freundeskreis einer der Teilnehmer weiß, wie man auf die üblichen Allgemeinplätze antwortet. Oder ein Redakteur einer größeren Zeitung holt sich hier vielleicht das eine oder andere Argument. Oder vielleicht schöpft ein TV-Redakteur dadurch den Mut, mal eine freche Bemerkung über die Kirchen zu machen.
Dieses Vermitteln von Informationen und durchdachten Argumenten hier auf AWQ führt vielleicht nicht direkt zum Kirchenaustritt, aber vielleicht streut es einen ersten Zweifel, oder vielleicht schubst es unschlüssige Leute über die Kante, die schon länger den Verdacht hatten, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht ermutigt es Atheisten, nicht länger den Mund zu halten.
Die Statistik erfasst das nicht, weil nicht nach den „Gründen hinter den Gründen“ gefragt wird. Vielleicht ist es vordergründig die Kirchensteuer — aber aus welchem Grund sind die Leute nicht mehr bereit, diese zu zahlen? Womöglich haben sie gelesen, dass das Geld für alberne Zwecke zum Fenster rausgeworfen wird.
Ich persönlich war schon ein kampferprobter Atheist, bevor ich AWQ entdeckt hatte. Aber ich hatte keine Ahnung, wie bescheuert die Äußerungen der Bischöfe und Pfarrer wirklich sind. Man hält es schlicht nicht für möglich, wie infantil und ungebildet die Texte beim „Wort zum Sonntag“ sind, wenn man diese intellektuelle Katastrophe nicht schwarz auf weiß vor sich sieht.
Meine gelegentlichen Debatten mit Christen wurden durch die vielen Infos auf AWQ treffsicherer; man wird geübt darin, Fallen und Fehlschlüsse zu entdecken. Außerdem kann man den Leuten eine gute Quelle für weitere Argumente nennen. Ich bin überzeugt, dass diese und andere Webseiten einen deutlichen Einfluss haben; mindestens versorgen sie die Atheisten mit guten Argumenten, die diese dann im Alltag verwenden können.
Lieber Jörn, vielen Dank für deinen netten Kommentar! Was die mögliche Wirkung unserer Seite angeht: Dein Wort in Gottes Ohr, sozusagen! 🙂
Hallo Kollegen
Ich bin aus der Schweiz, Kanton (Land) Zürich. Eine Untersuchung hat ergeben, dass OHNE die Freiwiligenarbeit in und mit der Kirche die Steuern angehoben werden müssten.
Also schiesst weiter gegen die Kirche und ihre Institutionen. Die Strafe kommt nicht (oder doch) von Gottes Hand sondern in Form eines Lohnabzuges (oder in der Schweiz eines Einzahlungsscheines) das ist sicher und hat übrigens nichts mit Glauben zu tun.