Es war einmal…. – Gedanken zu Sonntagsgedanken (Nachgedacht 295)

Lesezeit: ~ 6 Min.

Es war einmal…. – Gedanken zu Sonntagsgedanken (Nachgedacht 295) von Christina Lander, veröffentlicht am 23.12.2018 von Osthessennews

In ihrer diesjährigen Weihnachtskolumne schildert die Autorin, wie sie sich die Welt rund 2000 Jahre vor unserer heutigen Zeit vorstellt. Die von ihr behauptete Schlechtigkeit der Menschheit damals führt sie als Begründung dafür an, dass sich der Schöpfergott gezwungen sah, wiedermal ins irdische Geschehen einzugreifen. Weil er sich doch so nach menschlicher Liebe sehnt.

Allerdings wollen ihre Ausführungen irgendwie nicht so wirklich zu dem passen, was wir heute über diese Epoche wissen. Zum Beispiel:

Es war einmal eine Welt, in der viele Menschen auf verschiedenen Kontinenten lebten.*

BevölkerungswachstumVerglichen mit der heutigen Weltbevölkerung lebten zur Zeit der angeblichen Geburt von Christus (und auch noch in den ersten 1000 Jahren danach) nur sehr wenige Menschen auf der Erde. Ziemlich konstant nur etwa 300 Millionen.

Und zumindest für die biblischen Mythen und Legenden waren die verschiedenen Kontinente bedeutungslos. Die biblischen Geschichten spielen sich ausnahmslos alle in einer vergleichsweise klitzekleinen Wüstenregion und deren unmittelbaren Umgebung ab.

Es war einmal… – Bäckerprobleme im Jahre 1 v. u. Z.

Bemerkenswertes Detailwissen stellt Frau Lander nun im Bereich des Lebensmittel-Einzelhandels und des Bäckerhandwerks im Jahre 0 (bzw. -1) unter Beweis:

Die einen hatten große Häuser und immer genügend zu essen, in den Einkaufsläden war jedes Regal gefüllt und die Bäcker hatten abends so viel übrig, dass sie gar nicht wussten, wohin damit.

Bäckereiprobleme im Jahre 0Weiter erfahren wir, dass „die anderen“ ganz arm dran waren. Die konnten nicht mal einkaufen, weil „entweder das Geld oder die Waren fehlten.“ Überall herrschte Krieg. Und selbst da, wo die Menschen friedlich miteinander lebten, „belogen und betrogen“ sie sich, „ernteten Zwietracht unter den Gruppen“.

Mit einem Wort: Unmögliche Zustände! Würde es sich bei der Weltbevölkerung um ein Simulationsspiel handeln, dessen Ziel eine friedliche und gerechte Welt wäre – der Spieler dieses Spiels hätte mit Sicherheit schon längst verloren gehabt. Game over.

In Frau Landers Vorstellungswelt scheint die Erde tatsächlich so etwas wie das Spielfeld eines magischen Strategiespielers zu sein:

Frau Lander weiß, was Gott wusste

Und Gott sah seine Schöpfung und wusste, dass sie nicht mehr gut war. Und er fasste den Entschluss, sich zu zeigen, damit die Menschen wieder wussten, was ihre Bestimmung war.

Ein Himmelswesen, das in der Lage ist, aus dem Nichts ein komplettes Universum zu erschaffen, um dann der Materie auf irgendeinem völlig unbedeutenden Felsbrocken Leben einzuhauchen zu dem einzigen Zweck, empfindungsfähige Lebewesen zu erschaffen, deren Bestimmung es ist, es zu verehren, soll nicht in der Lage gewesen sein, seine Schöpfung fehlerfrei zu gestalten?

Ein allmächtiger, allwissender Gott muss schon immer gewusst haben, dass seine Schöpfung irgendwann „nicht mehr gut“ sein würde. Die Naivität, die jemand aufbringen muss, um solche Widersprüche nicht als solche zu erkennen (oder erkennen zu wollen) verblüfft mich jedes Mal aufs Neue.

Klar: Würde es sich beim biblisch-christlichen Schöpfergott um ein Wesen mit menschlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Limitierungen handeln, dann wäre die Vorstellung, dass dieser Gott sein eigenes Werk selbstkritisch im Auge behält und bei Bedarf korrigierend ins Geschehen eingreift durchaus sinnvoll. Aber ein allmächtiger allwissender Allgütiger?

Diesmal nicht der Weg des Zorns

Aber er wählte nicht den Weg der Zorns, um die Menschen von sich zu überzeugen, er schickte seinen Sohn zu den Menschen.

Der gesamte erste Teil des Buches, das bis heute von Christen als „Wort Gottes“ und damit als übergeordnete Wahrheit angesehen wird, berichtet ausführlich und in grausamen Details davon, wie eben dieser Gott immer wieder den Weg des Zorns gewählt hatte. Um die Lebewesen, die er sich laut biblisch-christlicher Mythologie selbst zu seiner eigenen Verehrung erschaffen hatte wieder auf Spur zu bringen.

Dieser göttliche Zorn zieht sich wie ein blutroter Faden durch das gesamte „Alte Testament.“ Auch hier stellt sich wieder die Frage (bzw. sollte sich eigentlich die Frage stellen): Wer oder was hatte Gott davon abgehalten, sich schon beim ersten Feststellen seines schöpferischen Versagens zum Beispiel sich selbst in Gestalt eines kleinen Kindes auf die Erde zu beamen um den Menschen zu zeigen, was Liebe ist?

Anstatt das praktisch komplette (nicht schwimmfähige) Leben auf der Erde durch einen qualvollen Tod durch Ertrinken auszulöschen?

Auch hier könnte man freilich wieder menschliche Maßstäbe anlegen und sagen: Er hatte halt aus seinen Fehlern gelernt. Und sein Verhalten daraufhin geändert. Wenn Vernichtung nicht den langfristig gewünschten Erfolg gebracht hatte, dann versuche ichs halt mal auf die scheinbar sanfte Tour.

Das würde bedeuten, dass Gott sein Verhalten reflektiert und auch mal verändert. Wenn er feststellt, dass sein ewiger Allmachtsplan fehlerhaft ist. Allerdings müsste er als allwissendes Wesen ja auch vom Scheitern seiner Pläne schon immer gewusst haben. Ein Allmächtiger hätte gar keine Wahl, sich für etwas zu entscheiden, das nicht seinem ewigen Allmachtsplan entspricht. Es ist schon ein Elend mit der Allmacht…

Wie Gott Menschen von seiner Liebe überzeugt

Er wählte den verletzlichsten Weg, um den Menschen ganz nah sein zu können und sie von seiner Liebe zu überzeugen.

Göttliche Liebe!?Angenommen, es gäbe tatsächlich ein überirdisches (wo auch immer das sein soll) allmächtiges Wesen, dem es ein Anliegen ist, eine bestimmte Trockennasenaffenart auf einem bestimmten Planeten von seiner Liebe zu überzeugen.

Dann hätte es doch sicher eine zuverlässigere Methode anwenden können, als ein primitives Wüstenvolk vor ein paar tausend Jahren dazu zu bringen, es anzuerkennen und sich ihm zu unterwerfen. Und ein paar tausend Jahre später dafür zu sorgen, dass ein paar andere Menschen einige Mythen und Legenden über einen schon seit mehreren Jahrzehnten verstorbenen angeblichen Gottessohn aufschreiben. Geschichten, die verblüffend genau dem Wissens- und Erkenntnisstand der Menschen zur damaligen Zeit entsprechen. Und die den Mythen über frühere „Gottessöhne“ zum Teil bis aufs Wort gleichen.

Wenigstens hätte das liebesbedürftige Götterwesen dafür sorgen können, dass diese Geschichtensammlung eindeutig formuliert ist und vollumfänglich und unverändert erhalten bleibt. Anstatt sich darauf zu verlassen, dass irgendwer die Abschriften der Übersetzungen der immer wieder veränderten Abschriften und vorherigen Übersetzungen der nach bestimmten Kriterien ausgewählten biblischen Narrative irgendwann schon mal richtig interpretieren wird.

Ein allmächtiges Wesen müsste sich nicht darauf verlassen, dass irgendwer an es glaubt. Es könnte sich jederzeit sofort allen, von denen es geliebt werden möchte unmissverständlich offenbaren. Statt darauf zu hoffen, dass ausgerechnet der Glaube an es – anders als bei allen anderen früheren Göttern – so lange durchhalten möge, bis sich der gewünschte Effekt eingestellt haben wird.

Liebe mich – oder ich quäle dich für immer

Was Frau Lander einmal mehr verschweigt, wenn sie ihre kindlich-naiven Phantasien wie „verletzlichsten Weg, um den Menschen ganz nah sein zu können und sie von seiner Lieber zu überzeugen“ säuselt: Dieses Liebesangebot ist keineswegs optional.

Wer sich nämlich nicht danach sehnt, von ihrem Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Rachegott mit tripolarer Persönlichkeitsstörung, den sich ein Wüstenvolk in der Bronzezeit ausgedacht hatte geliebt zu werden, den erwartet laut biblisch-christlicher Mythologie eine zeitlich unbegrenzte physische und psychische Dauerbestrafung durch Höllenqualen bei vollem Bewusstsein.

Veranlasst durch eben diesen lieben Gott. Der sich doch so gewünscht hatte, den Menschen ganz nah zu sein und sie von seiner Liebe zu überzeugen.

Wer tatsächlich meint, die biblische Mythologie sei durch den hineingeschriebenen Gottessohn friedlicher und menschlicher geworden, hat wahrscheinlich noch nie die Offenbarung gelesen…

I wanna know what love is

[…] Wird dieses Kind es schaffen, den Menschen zu zeigen, was Liebe ist?

Mit Blick auf die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums würde ich sagen: Nein, ganz im Gegenteil. Menschen hatten im vermeintlichen Namen und angeblichen Auftrag dieses Kindes (und/oder dessen restlichen zwei Drittel) über viele Jahrhunderte unvorstellbar großes Leid verursacht.

Der biblischen Mythologie zufolge hatte Jesus auch gar nicht die Absicht Menschen zu zeigen, was Liebe ist:

  1. Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
  2. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter;
  3. und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.
  4. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. (Mt 10 34,-37 EU)

Natürlich eignet sich die christliche Ideologie nicht nur als Legitimation von Gewalt aller Art. Denn auch als „moralische“ Grundlage für einen milliardenschweren Wirtschaftskonzern taugt die biblisch-christliche Glaubenslehre. Unterdrückung, Ausbeutung, Raub – Gott will alles, was seine Anhänger wollen.

Das Argument: „Du sollst dich so verhalten, wie wir es dir sagen, weil wir wissen, dass dies dem Wille Gottes entspricht“ kann zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen führen. Die Bandbreite reicht von Nächstenliebe bis Völkermord.

Die Legende von der christlichen Moral

Und dann gibts auch noch jene, die sich den im Grunde höchst unmenschlichen und unmoralischen christlichen Glauben so uminterpretieren, dass dabei ein mehr oder weniger humanistischer Standpunkt herauskommt. Dass sie für einen solchen das absurde biblisch-christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept gar nicht mehr bräuchten, ist ihnen oft nicht bewusst.

Erstaunlich viele Gläubige, aber sogar auch Menschen, die mit Religion gar nichts (mehr) am Hut haben, glauben immernoch an die Legende von der christlichen Moral.

Nun könnte man freilich einwenden: Ja, und? Wen interessiert es schon, wie sich ein erwachsener, religiös indoktrinierter Mensch mit offensichtlich schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität seine Wirklichkeit zusammenbastelt? Solange dabei herauskommt, dass Menschen fair miteinander umgehen und sich nicht die Köpfe einschlagen sollen?

Indem Christen ihre Religion als bedeutsame, übergeordnete oder gar einzig gültige Moralquelle ansehen, halten sie damit eine Ideologie am Leben, die für praktisch alle beliebigen Zwecke instrumentalisiert werden kann. Selbst Christen warnen vor fundamentalistischen Ausprägungen ihrer Religion. Was sagt das über das Fundament aus?

Göttlicher Wille: irrelevant

Moderne ethische Standards basieren nicht mehr auf Göttermythologie aus dem Vormittelalter. Sondern auf der Würde und Freiheit des Individuums. Für die Verbindlichkeit dieser Standards spielt es keine Rolle, inwieweit sich jemand seine persönliche Vorstellungswelt um religiöse Fiktionen und Phantasien erweitert.

Moderne ethische Standards sind viel zu wichtig, als dass man sie religiösen Organisationen überlassen könnte. Denn diese Standards müssen für alle Menschen gelten. Und auch dann noch, wenn deren Götter jenen unzähligen Vorgängern gefolgt sein werden, die heute schon in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind.

Wie gerade schon angedeutet: In einer offenen und freien Gesellschaft ist es freilich jedem selbst überlassen, ob er sich aus Angst vor postmortaler Bestrafung oder aus Hoffnung auf eine ebensolche Belohnung (mit-)menschlich verhält. Oder eben einfach nur deshalb, weil es sich gut anfühlt, kein Arschloch zu sein.

Die Kritik bezieht sich demnach auch nicht auf die privaten Vorstellungen und Einbildungen der Autorin. Für kritikwürdig halte ich es vielmehr, wenn sie (wovon ich bei ihrer Tätigkeit als Religionslehrerin mal ausgehe) Kindern und Jugendlichen suggeriert, die biblisch-christliche Mythologie sei eine brauchbare Grundlage (oder gar Voraussetzung) für faires und friedliches Verhalten. Oder auch, dass das christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept irgendetwas mit Liebe zu tun hätte.

Liberaltheologen
Quelle: George Smith in Atheism: The Case Against God, Zit. n. Scrutator – Ungeschminkte Bibelkritik

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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