Skydaddy vom Ketzerpodcast hat das Motto des Ökumenischen Kirchentags 2021 „schaut hin“ ernst genommen und hingeschaut:
(Repost mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)
Atheisten schauen gerne etwas genauer hin, wenn die Theologen „erbauliche“ Bibelstellen präsentieren.* Denn immer wieder zeigt sich, dass der zugrundeliegende Bibeltext für den jeweiligen Zweck regelrecht vergewaltigt werden muss.
Wieder und wieder hat man bei der Überprüfung solcher Bibelverse den Eindruck:
- Selbst Theologen haben offenbar Schwierigkeiten, in der Bibel Aussagen zu finden, die für die heutige Zeit relevant und zugleich ethisch akzeptabel sind.
- Theologen machen, was sie wollen, und suchen sich dann im Nachhinein „passende“ Bibelverse. Wobei „passend“ in Anführungszeichen stehen muss – denn die zitierten Stellen klingen oft nur passend, wenn man nicht weiß, was dort tatsächlich steht.
Das kürzlich vorgestellte Leitwort für den Ökumenischen Kirchentag 2012 ist mal wieder ein Musterbeispiel für diese
Biblische Leichenfledderei
Das Leitwort lautet „schaut hin“.
Gemeint ist – im Zusammenhang mit dem Kirchentag – natürlich, bei Ungerechtigkeiten und Missständen nicht wegzuschauen:
Präsidentin Bettina Limperg hält fest: „‚Schaut‘ ist ein Appell – an uns alle. Schauen ist mehr als sehen. Schauen nimmt wahr und geht nicht vorbei. Schauen bleibt stehen und übernimmt Verantwortung. Aktiv Verantwortung zu übernehmen, ist unser Auftrag als Christinnen und Christen. […] ‚schaut hin‘ ist auch die Anfrage: Was übersehen wir? Wovor verschließen wir die Augen? Wo schauen wir weg?“ […]
Präsident Thomas Sternberg betont: „Mit dem Leitwort wollen wir die Botschaft setzen: ‚Wir schauen nicht weg‘. […] Der Ökumenische Kirchentag will mit seinem Leitwort die Menschen zu mehr Sensibilität für die Welt in ihren zahlreichen Dimensionen herausfordern, dabei wird es im Geiste des Evangeliums besonders darum gehen, Anwalt zu sein für die Armen und Bedrängten.“ [OEKT]
schaut hin
soll also ein Appell sein, sensibel zu sein, nicht wegzusehen, und Verantwortung zu übernehmen.
Hätte sich dafür eine geeignete Bibelstelle finden lassen? Man möchte meinen: Ja!
Doch woher stammt das Bibelzitat „schaut hin“? – Aus der Geschichte von der Speisung der Fünftausend im Markusevangelium, Kapitel 6, Vers 38:
Er [Jesus] aber sprach zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Geht hin und seht nach! Und als sie es erkundet hatten, sprachen sie: Fünf, und zwei Fische.
Nicht nur, dass in der Bibel nicht von „Hinschauen“, sondern von „Nachschauen“ die Rede ist – es geht im Bibeltext auch überhaupt nicht um Gerechtigkeit, Sensibilität oder Verantwortung – sondern schlichtweg um die Frage, wie viele Brote die Jünger dabei haben.
Völlig banal
Das Motto „Schaut hin“ als solches ist ja gar nicht mal so schlecht. Aber um es als Bibelzitat – ja, als Jesuswort – auszugeben, muss man nicht nur die bei Theologen so beliebte Wort-Assoziation bemühen – man muss auch aktiv ausblenden, dass das Jesuswort völlig banal ist.
Offenbar wiegen sich die ökumenischen Kirchentagsfunktionäre in der Gewissheit, dass kaum jemand die Bibelstelle nachschlägt.
Deutlicher könnte man jedenfalls kaum zum Ausdruck bringen, dass einem die Bibel inhaltlich völlig egal ist.
*Für besondere Leistungen im biblischen Rosinenpicken (engl.: cherry picking) verleiht Marc von AWQ.de (Answers Without Questions) schon seit einigen Jahren die „Goldene Rosine“.
Ich schlage vor, bei folgenden Dingen gleich mit dem Hinschauen anzufangen: Missbrauch von Kindern und Jugendlichen; konsequente Vertuschung dieses Missbrauchs; nicht zu rechtfertigende Teilfinanzierung der christlichen Kirchen durch den Steuerzahler; Privilegien aus der Zusammenarbeit mit Adolf Hitler und den Nazis (Konkordatslehrstühle), christliche Diskriminierung von und Hetze gegen Homosexuelle und Lesben etc., jahrtausendealte christliche Hetze gegen Juden …
Es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die (Christliche) Kirche Werte und Moral vermitteln möchte.
Das ganze Sysetm bietet für Individualismus keinen Platz. Zudem ist es absolut autokratisch, arrogant und selbstverherrlichend (um nur einige Fakten zu nennen). Das hat mit der heutigen Zeit nichts mehr zu tun und ist völlig weltfremd.