kindersache.de: Offener Brief an das Deutsche Kinderhilfswerk und an seitenstark e.V.

Lesezeit: ~ 10 Min.

Offener Brief zur Webseite kindersache.de an das

Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Leipziger Straße 116-118
10117 Berlin

und an

Seitenstark e.V.
Am Nordpark 61
50733 Köln

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf der optisch ansprechend gestalteten und auch inhaltlich größtenteils empfehlenswerten Webseite kindersache.de („extra für Kinder im Alter zwischen 8 und 13 Jahren“) sind mir einige Inhalte aufgefallen, die ich für frag- und kritikwürdig halte. Außerdem vermisse ich einige Inhalte, die meines Erachtens auf einer solchen Webseite nicht fehlen dürfen.

Ihrer Webseite entnehme ich, dass Sie Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten“ (seitenstark.de) sind. Dort finden sich auch die Kriterien, anhand derer Arbeitsgemeinschaft die Qualität von Kinderwebseiten bewertet.

Unter Anderem heißt es da:

  • […] Gewaltverherrlichung, mangelnder Respekt, sexuelle Belästigung, Mobbing, Datenmissbrauch, Shopping-Fallen und Fake News schaden Kindern. […]
  • Eine gute Kinderseite macht Spaß und schlau.
    Ihre Themen machen neugierig. Die Inhalte vermitteln spielerisch Wissen und entwickeln und fördern die Medienkompetenz. […]
  • Eine gute Kinderseite nennt Herausgeber und alle Quellen.
    Es existieren ein Impressum mit den üblichen Angaben und die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Außerdem informiert die Seite über ihre Ziele.
    (Quelle: seitenstark.de: Qualitätskriterien – woran erkenne ich eine gute Kinderseite?, abgerufen am 26.4.2020)

Wende ich diese Maßstäbe zur Beurteilung der Seite kindersache.de an, dann fallen mir einige frag- und kritikwürdige Punkte auf, die ich anhand von vier Beispielen kurz, aber doch in der gebotenen Ausführlichkeit vorstellen möchte.

1. kindersache.de – Natur und Mensch: Was macht eine Heilpraktikerin?

Pseudomedizin als Naturheilkunde getarnt auf kindersache.deBei der Vorstellung ihrer Tätigkeiten nennt die interviewte Heilpraktikerin auf dieser Seite auch Behandlungsmethoden, die der Pseudomedizin zuzurechnen sind, wie Homöopathie, Akupunktur und Schröpfen.

Wenn es Ziel der Webseite sein soll, Kinder „schlau“ zu machen und ihnen mit den Inhalten Wissen zu vermitteln, dann müsste in diesem Beitrag klar auf den Unterschied zwischen nachweislich wirksamen Methoden (einschließlich derer aus der Naturheilkunde) und pseudomedizinischer Quacksalberei hingewiesen werden.

Stattdessen kolportiert der Beitrag mit altbekannten, zweckdienlichen Formulierungen einmal mehr die Mär, pseudomedizinische Methoden seien irgendwie ähnlich einzuordnen wie der Teil der Naturheilkunde, bei dem tatsächlich medizinische Effekte nachweisbar sind, die über einen möglichen Placeboeffekt hinausgehen. Obwohl die Heilpraktikerin bei ihren Angeboten auch Homöopathie etc. aufzählt, ist im weiteren Interview nur noch von „Naturheilkunde“ die Rede.

Für Kinder, die sich über dieses Berufsbild informieren möchten, wäre doch zum Beispiel der Hinweis interessant, dass für das Führen der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ nicht mal ein bestimmter Ausbildungsweg vorgeschrieben ist. Dabei wäre gerade diese Information hilfreich, um auch die Mindestqualifizierung eines Heilpraktikers besser einschätzen zu können.

Schwer zu beantworten? Nein, ganz einfach…

GramsWenn für die Heilpraktikerin die Frage nach dem Unterschied zwischen einer Heilpraktikerin und einer Hausärztin „schwer zu beantworten“ ist, dann könnte eine Hausärztin hier sicher weiterhelfen.

Zum Beispiel mit der Information, dass es sich in Wirklichkeit genau andersherum verhält als von der interviewten Heilpraktikerin dargestellt: Die Berufsbezeichnung „Arzt“ setzt eine fundierte und umfassende medizinische Ausbildung voraus. Während unter der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ praktisch alles möglich ist – von magisch-esoterischer Scharlatanerie bis hin zu tatsächlich wirksamen und seriösen Methoden.

Außerdem würde eine Hausärztin vermutlich auch darauf hinweisen, dass das knappere zeitliche Budget, das Ärzten zur Behandlung ihrer Patienten zur Verfügung steht in erster Linie dem Gesundheitssystem geschuldet ist.

Was sind Naturheilmittel? Und was nicht?

Der Hinweis, dass Heilpraktiker keine Medikamente verschreiben dürfen, deutet immerhin an, dass Heilpraktiker nicht über eine vergleichbare medizinische Qualifikation wie Ärzte verfügen.

Allerdings verstärkt der abschließende Satz, man mache stattdessen „Empfehlungen zu bestimmten Naturheilmitteln“ noch einmal die für das ungeübte (Kinder-)auge kaum zu durchschauende Suggestion, auch pseudomedizinische Anwendungen wie Zuckerkügelchen, Nädelchen oder Schröpfen seien zumindest ähnlich wirksam wie (nachweislich wirksame) Naturheilmethoden.

Rhetorische Tricks wie diese sind in Texten, die versuchen, Pseudomedizin positiv darzustellen so oft anzutreffen, dass es sich auch hier kaum um ein Versehen handeln dürfte. Verständlich, denn als Heilpraktikerin ist die Interviewpartnerin ja sicher von der Wirksamkeit ihrer Angebote auch ohne medizinischen Nachweis überzeugt.

Fazit

Wenn diese Webseite tatsächlich den Anspruch hat, Kindern keine Fake News, sondern Wissen und vernünftiges Denken („…macht schlau…“) zu vermitteln, dann wären wenigstens diese (noch altersgerecht zu formulierende) Hinweise angebracht:

  • Ein Arzt muss eine umfangreiche medizinische Ausbildung vorweisen können. Heilpraktiker kann man sogar werden, ohne an einer Ausbildung teilgenommen zu haben.
  • Heilpraktiker bieten oft auch Behandlungen an, die keinen nachweisbaren medizinischen Effekt haben, der über den Placeboeffekt hinausgeht.
  • Ärzte dürfen nicht als Heilpraktiker tätig sein.
  • Bei Naturheilmethoden werden natürliche Mittel verwendet, die tatsächlich eine bestimmte, nachprüfbare Wirkung haben.
  • Homöopathie, Akupunktur oder Schröpfen gehören nicht zu den Naturheilmethoden. Sie haben keine nachprüfbare medizinische Wirkung, die über einen möglichen Placeboeffekt hinausgeht.

2. kindersache.de – Natur und Mensch: Tipps gegen Sorgen und Ängste

Auf dieser Seite zum Thema Umgang mit Sorgen und Ängsten bekommen die Kinder u. a. diese Empfehlung:

Falls es um übernatürliche Sachen geht, ( Wie zum Beispiel Geister oder eine Alieninvasion ) kannst du ja mal im Internet nachschauen, ob es diese Sachen wirklich gibt! Sei aber immer vorsichtig dabei, einige Seiten könnten auch Quatsch erzählen!
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Die jeweils eingangs verlinkte Seite auf kindersache.de, abgerufen am 26.04.2020)

Angst vor Aliens auf kindersache.de? Einfach mal online recherchieren!Ist es wirklich sinnvoll, Kindern, die sich vor Geistern oder Aliens fürchten ausgerechnet eine Internetrecherche zu diesen Themen zu empfehlen? Woran sollen Kinder, die sich tatsächlich (noch) vor Phantasiewesen fürchten denn ohne Hilfe erkennen können, welche Seiten „Quatsch erzählen“ und welche nicht? Wo sie doch nicht mal auf ausgewiesenen und zertifizierten Kinderseiten wie dieser vor „Quatsch“ sicher sind?

Wenn man dann noch überlegt, wie viele erwachsene Menschen auf allen möglichen (und teilweise auch richtig gefährlichen) „Quatsch“ hereinfallen und ihn für wahr halten, weil sie ihn ja schließlich im Internet recherchiert hatten, dann erscheint diese Empfehlung erst recht mehr als fragwürdig.

Fazit

Gerade bei Kindern und ganz besonders bei Kindern mit irrealen Ängsten erscheint mir die Empfehlung, diese Ängste mal auf eigene Faust im Internet zu recherchieren höchst fragwürdig. Zum Erlernen von Medienkompetenz bedarf es sicher mehr Anleitung als das, was hier geboten wird.

3. kindersache.de – Natur und Mensch: Glaubensgang 1, Gott schützt dich

Die seltsamen Formulierungen auf dieser Seite lassen vermuten, dass es sich dabei um eine maschinelle Übersetzung eines vermutlich englischsprachigen Textes handelt: Aus „Walk of faith“ wurde dann statt „Weg des Glaubens“ fälschlicherweise ein sinnfreier „Glaubensgang“, was seit der Veröffentlichung 2019 aber offenbar noch niemand hinterfragt hat.

Dem Vorstellungsvideo der Autorin mit dem Pseudonym Amirah_Skyline ist zu entnehmen, dass sich das Leben des Mädchens offenbar vorrangig um ihre Meerschweinchenfarm zu drehen scheint. Religiöser Aberglaube, besonders in der Form, wie er in diesem Beitrag dargestellt wird, kommt hier jedenfalls nicht vor.

Das Gesamtbild legt die Vermutung nahe, dass hier religiös aktive Eltern ihre Finger im Spiel gehabt haben könnten. Das Qualitätskriterium für gute Kinderseiten, Herausgeber und alle Quellen zu nennen, ist bei einem von einem Kind unter Pseudonym veröffentlichten Beitrag sicher nicht erfüllt.

So lässt sich nicht ermitteln, ob hinter dem Beitrag möglicherweise Eltern stehen, die damit eine bestimmte Agenda verfolgen.

Potentiell gefährliche Lügen auf kindersache.de

Abgesehen von diesen Ungereimtheiten enthält diese Seite Behauptungen, die beim besten Willen nicht die erklärten Qualitätskriterien erfüllen. Hier ist zu lesen:

Gott schützt dich […] Hallo. Ich erzähle dir 7 Teile lang über den allmächtigen Gott. Er ist für mich wie ein Regenschirm, er schützt dich und mich vor allen Gefahren.

(c) LECTRR
Quelle: lectrr.com

Die Aussagen „Gott schützt dich“ und „er schützt dich und mich vor allen Gefahren“ sind bis zum Beweis des Gegenteils schlicht gelogen. Bis zum Beweis des Gegenteils existieren keine Götter außerhalb der menschlichen Phantasie, Einbildung und Wunschvorstellung. Folglich sind Aussagen darüber, was Götter angeblich tun, ebenfalls lediglich im Reich der menschlichen Phantasie angesiedelt.

Natürlich sei es der Autorin unbenommen, alles Beliebige zu glauben, was auch immer ihr ihre Erziehungsberechtigten als glaub-würdig vermittelt haben oder was sie von sich aus für glaub-würdig hält. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich jemand gerne selbst belügen möchte, wie und warum auch immer.

Wie aber passen solche, objektiv betrachtet absurden und schlicht unwahren Behauptungen auf eine Webseite, die damit wirbt, Kindern seriöses Wissen und vernünftiges Denken zu vermitteln?

Gewaltverherrlichung, mangelnder Respekt – und noch mehr Lügen

Garniert wird der Beitrag von einem Zitat der Bibelstelle „Psalm 91.“ Auch dieses Zitat ist höchst problematisch.

Zunächst wird auch darin behauptet, es gäbe einen Gott, der seine Anhänger vor allen Gefahren beschützt:

Fürchte dich nicht vor den Angriffen in der Nacht und habe keine Angst vor den Gefahren des Tages, vor der Pest, die im Dunkeln lauert, vor der Seuche, die dich am hellen Tag trifft. Wenn neben dir Tausende sterben, wenn um dich herum Zehntausende fallen, kann dir doch nichts geschehen. (Psalm 91, Zit. n. kindersache.de)

Spätestens seit Corona sollte auch der fundamentalistischte Evangelikale eingesehen haben, dass diese Behauptung nicht mit der irdischen Wirklichkeit übereinstimmt. Der Beitrag weist mit keinem Wort darauf hin, dass es sich bei der Bibel um von Menschen aus Unwissenheit, Angst und zu bestimmten Zwecken erfundene Mythologie handelt. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, es handle sich um eine zuverlässige, als Beleg geeignete Textquelle.

Höchst problematisch ist diese Bibelstelle auch deshalb, weil der göttliche Schutz hier nur den Anhängern dieses Gottes versprochen wird. Und: Es handelt sich dabei nicht etwa um ein optionales Angebot.

Psalm 91: Unmenschlich und grausam

Die Menschen, die sich diesen Gott in der Bronzezeit ausgedacht hatten, hatten sich ihn als eifer- und selbstsüchtigen Rachegott ausgemalt:

  • Du wirst es mit eigenen Augen sehen, du wirst sehen, wie Gott die Gottlosen bestraft. (Psalm 91,8 LUT)

Die Botschaft dieser Bibelstelle lautet zusammengefasst:

  • Nur wenn du an den „richtigen“ Gott glaubst, dann bist du vor allen Gefahren geschützt. Andernfalls bist du nicht nur ungeschützt, du wirst deswegen auch bestraft.

Diese Botschaft ist nicht nur höchst unmoralisch und unmenschlich, sondern auch eine dreiste Lüge.

Amirah_Skyline findet das allerdings kein bisschen problematisch.

Ganz im Gegenteil: Ihr Kommentar dazu: „WOW!!! Das war echt krass, oder?“ Auch dieses Wording klingt wieder sehr verdächtig nach Eltern, die meinen, Kinder würden sowas schreiben.

Eine Lüge wird durch Wiederholung nicht wahrer

Er will dir helfen und dich beschützen. Er liebt dich über alles.

Wer so etwas behauptet gibt vor, Dinge zu wissen, die er nicht wissen kann. Bis zum Beweis des Gegenteils handelt es sich bei einer solchen Aussage bestenfalls um eine Einbildung und Wunschvorstellung. Allerdings können solche Ideen auch wahnhafte und damit gefährliche Ausmaße annehmen.

Alle Aussagen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, sollten auf einer Kinderwebseite eindeutig als Märchen, Phantasie oder Wunschvorstellung gekennzeichnet werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Andernfalls steht der Vorwurf von fahrlässiger, vielleicht aber auch gezielter, absichtlicher, auf jeden Fall aber potentiell gefährlicher Irreführung im Raum.

Angenommen, ein Kind verlässt sich in realer Gefahr tatsächlich auf dieses falsche Versprechen, weil es diese Zusage auf einer Webseite gelesen hat, die sie als zuverlässig und seriös einschätzt. Dann können solche Beiträge ganz reales Leid zur Folge haben.

Vater/Herr/Papa/Gott!?

Eltern, die ihren Kindern erzählen, dass ihr Gott sie über alles liebe, setzen damit die Glaubwürdigkeit ihrer elterlichen Liebe aufs Spiel. Nämlich dann, wenn ihr Kind herausfindet, dass die göttliche Liebe nur eine Einbildung ihrer Eltern und gar nicht echt ist.

„Danke Vater/Herr/Papa/Gott, dass du immer für uns da bist. Danke, dass du wie eine Henne bist, die ihre Küken beschützt. Ich bitte dich, dass du dem/der Leser/in Verständnis gibst, an dich zu glauben. AMEN.“

Papa-Hennengottgebet auf kindersache.deAuch dieser bizarre Unsinn klingt nicht nach den Ideen einer kleinen Meerschweinchenzüchterin. Sondern verdächtig nach religiös verstrahlten und engagierten Erwachsenen.

Fazit

Hier nochmal zur Erinnerung einige der Qualitätskriterien für gute Kinderwebseiten:

  • […] Gewaltverherrlichung, mangelnder Respekt, sexuelle Belästigung, Mobbing, Datenmissbrauch, Shopping-Fallen und Fake News schaden Kindern. […]

Die Negativ-Kriterien Gewaltverherrlichung, mangelnder Respekt und Fake News erfüllt allein schon die zitierte Bibelstelle.

  • Eine gute Kinderseite macht Spaß und schlau.
    Ihre Themen machen neugierig. Die Inhalte vermitteln spielerisch Wissen und entwickeln und fördern die Medienkompetenz. […]

Dieser Beitrag auf kindersache.de macht nicht schlau. Vielmehr regt er Kinder gezielt dazu an, sich eben nicht schlau, sondern infantil-gläubig und in Konsequenz potentiell gefährlich leichtsinnig zu verhalten.

  • Eine gute Kinderseite nennt Herausgeber und alle Quellen.
    Es existieren ein Impressum mit den üblichen Angaben und die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Außerdem informiert die Seite über ihre Ziele.

Der Beitrag wurde unter einem Pseudonym veröffentlicht. Eine Überprüfung einer möglichen religiösen Agenda der Autorin (und/oder deren Eltern) ist so nicht möglich. Von Bibeltexten ganz zu schweigen.

4. kindersache.de – Natur und Mensch: Glaubensgang 2, Gott macht Wunder

Meerschweinchen-Wunder auf kindersache.deAuch auf dieser Seite fällt wieder die fast schon wieder drollige, jedenfalls seltsam sperrige Sprache auf, die die Vermutung nahe legt, dass hier Erwachene versucht hatten, jugendlich zu klingen.

Unabhängig von der tatsächlichen Autorenschaft ist auch dieser Beitrag wieder nicht nur frag-, sondern inhaltlich höchst kritikwürdig.

Ein im Garten entwischtes und von der Tante wiedergefundenes Meerschweinchen ist kein Beleg für die Behauptung „Gott macht Wunder.“

kindersache.de bewirbt Wunderglaube zur Kultivierung eines Bestätigungsfehlers

Auf einer Wissenswebseite für Kinder könnte man anhand dieser Geschichte zum Beispiel das Phänomen des Bestätigungsfehlers im religiösen Kontext (noch kindgerecht zu formulieren) erklären:

  • Gläubige schreiben die für sie positiven Erlebnisse dem Wohlwollen immer genau des Gottes zu, den sie verehren. Negativ wahrgenommene Ereignisse blenden sie aus, oder sie erklären sie zur göttlichen Strafe für alles mögliche menschliche Fehlverhalten. Ansonsten bleibt noch der Ausweg, Gottes Wege als unergründlich zu bezeichnen.
  • So bestätigen sich Gläubige immer weiter in ihrem irrationalen Gedankenkonstrukt, bis sie irgendwann selbst glauben, ihr Gott existiere tatsächlich und „mache“ tatsächlich Wunder.
  • Wenn sich Menschen etwas nicht erklären können (zum Beispiel, wenn etwas sehr Unwahrscheinliches passiert), dann fällt es ihnen manchmal schwer zu akzeptieren, die tatsächliche Ursache nicht zu kennen. Dann wundern sie sich. Und religiös gläubige Menschen erklären solche Erlebnisse dann gerne zu Wundern, die sie als Beweis für ihren Gott anführen. Statt einfach zuzugeben: „Wir wissen es (noch) nicht.“
  • In Wirklichkeit passieren aber auch Dinge sehr oft rein zufällig, ohne eine bestimmte Absicht von irgendwem. Menschen fällt es mitunter schwer, mit Wahrscheinlichkeiten richtig umzugehen. So ist es zum Beispiel sehr wahrscheinlich, dass ein Meerschweinchen, das im Garten entwischt, wieder gefunden wird.
  • Generell gilt: Jede Erklärung, in der keine magischen Himmelswesen vorkommen, ist plausibler als Erklärungen, die solche Annahmen beinhalten.

Sollte der Text tatsächlich von dem Mädchen aus dem Autorenvideo verfasst worden sein, dann beweist diese Geschichte zwar nicht, dass Gott Wunder macht. Wohl aber, wie erschreckend gut religiöse Indoktrination von Kindern funktionieren kann.

Die Bibel enthält Behauptungen, keine Beweise

Auch die Bibelstelle ist wieder in mehrfacher Hinsicht höchst problematisch. Im Psalm 23 werden Dinge behauptet, objektiv betrachtet falsch sind.

Wieder fehlt ein deutlicher Hinweis darauf, dass biblische Texte keine Tatsachen, sondern menschliche Phantasien, Einbildungen und Wunschvorstellungen enthalten.

Statt Aufklärung und einer kritischen Unterscheidung von religiösem Wunsch und irdischer Wirklichkeit folgt wieder ein Gebet, in dem die ganze Armseligkeit und Unredlichkeit religiösen Glaubens zum Ausdruck kommt:

„Papa/Vater/Gott/Herr, ich danke dir so sehr dafür, dass deine Wunder, die du planst, danach ein Happy End haben. Ich danke dir auch noch dafür, dass wir Timmy doch noch finden konnten. Ich bitte dich, dass wenn die Leser/innen auch Wunder in ihren Leben passieren, dass sie auch ein Happy End haben. AMEN.

Über die Werte- und sonstige Vorstellungen von Menschen, die Kindern vorschlagen, auch „Papa“ oder „Vater“ seien geeignete Begriffe, um damit ihren Gott anzusprechen, kann man nur spekulieren.

Mit ihrem Gebet auf kindersache.de bestätigt die Autorin noch einmal eindrücklich, wie das mit dem gerade schon kurz beschriebenen Bestätigungsfehler funktioniert.

Fazit

Auch in diesem Beitrag wird wieder ganz selbstvertändlich so getan, als sei Gott eine tatsächlich existierende und ins irdische Geschehen eingreifende Entität. Statt zu kritischem und vernünftigen Denken werden Kinder zu einem Umgang mit der Wirklichkeit animiert, der im harmlosesten Fall unsinnig, im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein kann.

Warum von den angekündigten 7 Folgen dieser Serie seit 2019 bisher nur zwei veröffentlicht wurden, konnte ich nicht herausfinden.

Liebes Deutsches Kinderhilfswerk,
liebe „Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten“,
liebe Verantwortliche der Webseite kindersache.de,

Witz auf kindersache.de
Bildzitat Quelle: kindersache.de https://donotlink.it/JNaZw

die hier kurz exemplarisch vorgestellten Beiträge passen so gar nicht zu den meisten restlichen Beiträgen, die ich mir auf der Seite kindersache.de angeschaut habe.

In den meisten Beiträgen werden Kinder zu vernünftigem, kritischem Denken angeregt. Außer, wenn es um christlich-religiöse Themen geht. Abgesehen von der einen Seite, auf der das Thema Religionsfreiheit behandelt wird und wo sogar zu lesen ist, dass zur Religionsfreiheit auch die Freiheit von Religion gehört.

Während unter dem Stichwort „Gott“ rund 120 Artikel Artikel und Kommentare zu finden sind, liefern Stichworte wie „Atheismus“, „Säkularismus“, „Europäische Werte“, „Ethik“ oder „Humanismus“ keine Informationen.

Auch die Suche nach Informationen über den Zusammenhang der Werte, auf denen unsere Gesellschaftsordnung und unsere ethischen Standards tatsächlich basieren, bleibt erfolglos. Stattdessen wird einseitig die Legende von den „christlichen Werten“ kolportiert.

Deshalb meine Frage: Wie passen die hier exemplarisch vorgestellten Beiträge, aber auch die weiteren einseitig pro-religiösen Beiträge zum Gesamtkonzept und Anspruch der restlichen Seite kindersache.de, Kindern Wissen und kritisches Denken zu vermitteln?

Wäre es im Interesse von Objektivität und Vernunft nicht angebracht, Glaubensaussagen klar als solche auszuweisen? Zum Beispiel mit Formulierungen wie: „Gläubige glauben, dass…“ oder „Gläubige stellen sich vor, dass…“ oder „Gläubige wünschen sich ganz sehr, dass…“

Und an die Arbeitsgemeinschaft: Die hier exemplarisch untersuchten Beiträge auf kindersache.de entsprechen meines Erachtens nicht den Qualitätsstandards, die Sie auf Ihrer Webseite für empfehlenswerte Kinderwebseiten nennen.

Überprüfen Sie auf den von Ihnen empfohlenen Webseiten, ob die Inhalte Ihren Qualitätsstandards entsprechen? Falls ja, wie kann es sein, dass auf empfohlenen Kinderseiten Kinder wie oben dargestellt getäuscht, in die Irre geführt und mit Behauptungen konfrontiert werden, die gemäß Ihrer Standards auf guten Kinderseiten nichts verloren haben? Oder gelten für religiöse, genauer: für christliche Inhalte andere Kriterien?

Über eine Stellungnahme mit einer Beantwortung dieser Fragen (entweder nicht-öffentlich per E-Mail oder gerne auch in Form eines öffentlich sichtbaren Kommentares direkt auf der Seite) freue ich mich.

Update

Inzwischen haben uns sowohl die Projektleiterin von kindersache.de, als auch die Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten (seitenstark.de) geantwortet.

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12 Gedanken zu „kindersache.de: Offener Brief an das Deutsche Kinderhilfswerk und an seitenstark e.V.“

  1. Ich unterschreibe diesen offen Brief.

    Und hoffe, dass die Betreiber nicht nur darauf antworten, sondern die Dinge, hier besonders die religiösen, in die geforderten Kontexte setzt, wie sie der Autor des Briefes anmahnt. Weil (tatsächlich) schlaue Kinder viel Freude machen, viel Spaß haben und vor allem weil nur sie die Zukunft sind.

    Antworten
    • Nein, warum? Der Brief war als offener Brief veröffentlicht und dann an die beiden genannten Empfänger verschickt worden. Inzwischen liegen auch von beiden Stellen Antworten vor; wir warten aktuell noch auf eine Freigabe, diese zu veröffentlichen.

      Antworten
  2. @Anonymus
    „Gab es bereits vor der Veröffentlichung dieses Briefes eine Kontaktaufnahme zu den Seitenbetreibern bzw. Seitenstark.de?“

    Wozu?

    @AWQ

    Ich verfolge Deine/Eure Veröffentlichungen permanent.
    Ihr macht eine spitzen-/riesiggute Arbeit!
    Ich mag nur nicht jedesmal dieses Lob wieder per Kommentar hinschreiben.
    In diesem Fall bin ich gespannt wie ein Flitzebogen auf die Reaktion der Adressaten. Hoffentlich versickert die Kritik nicht -wie so oft bei Gläubigen- in Ignoranz.

    Und ich wünschte mir, daß diese Site mind. ebenso bekannt würde wie AMB, hpd, gwup o.ä. Seiten, oder gar ScienceBlogs.de (auch MGEN und dittmar-online.net sollte bekannter sein), sollte jeder kennen!

    Bitte macht in dieser Qualität weiter, ich denke es lohnt sich.

    Antworten
    • Vielen Dank für deine motivierende Rückmeldung! Wir freuen uns, wenn du unsere Inhalte teilst und damit dazu beiträgst, dass das Projekt noch bekannter wird 🙂

      Antworten
  3. Vielen Dank für den Brief und den Hinweis auf die Seite. Präsident des Kinderhilfswerks ist übrigens der evangelische Theologe und SPD-Politiker Thomas Krüger.

    Ich habe gerade mal den Bereich „Wissen“ und dort speziell „Andere Länder“überflogen. Die Länderkunde wird erkennbar als Aufhänger für religiöse Themen benutzt. Die Artikel lauten z.B.:

    Der Va­ti­kan – mei­ne ei­ge­ne Er­fah­rung
    War­um wird ge­fas­tet?
    Die 5 gro­ßen Welt­re­li­gio­nen
    Weih­nach­ten in Pe­ru – Som­mer und Krip­pen
    Weih­nach­ten welt­weit
    Weih­nach­ten in Dä­ne­mark
    Wer war Sankt Mar­tin?
    Was fei­ern wir an Pfings­ten?
    Ra­ma­dan – Es ist Fas­ten­zeit
    Os­ter­bräu­che in an­de­ren Län­dern
    Die Bi­bel – das meist­ge­le­se­ne Buch der Welt
    Was macht ei­gent­lich ein Pas­tor?

    Antworten
    • Stimmt, auf der Seite sind noch viel mehr religiöse (hauptsächlich christliche) Inhalte zu finden als in unserem offenen Brief angesprochen.

      Antworten

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