Böse Überraschungen – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 11 Min.

Böse Überraschungen – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pastor Christian Rommert, veröffentlicht am 4.12.2021 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Mit einem Textfragment aus dem Alten Testament tröstet sich Pastor Rommert über die Corona-Zeit und scheint nicht zu bemerken, dass seine Irreführung auch gefährliche Folgen haben kann.

Um die vier Sendeminuten voll zu bekommen, muss Pastor Rommert heute schon mal vorab die Türchen seines Adventskalenders öffnen.

Darin findet er neben dem üblichen Nasch- und Weihnachtskram auch einige Gutscheine, von denen er nicht weiß, ob bzw. wann er sie aufgrund der aktuellen Corona-Situation wird einlösen können.

Es ist ein Bibelvers!

Als Highlight am 24. Dezember schließlich gibts den Messias in Form eines Weihnachtskonzertes im Rommertschen Wohnzimmer. Der Messias kommt von der CD.

[…] Dieses Werk von Händel – das ist für mich wirklich besonders! Die Worte, mit denen Georg Friedrich Händel den Messias anfangen lässt, die haben mich immer sehr berührt: „Tröstet, tröstet mein Volk!“, spricht euer Gott. Redet freundlich mit Jerusalem und predigt, dass die Knechtschaft ein Ende hat.“ Es ist ein Bibelvers!

(Quelle der so als ZItat gekennzeichneten Abschnitte: Böse Überraschungen – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pastor Christian Rommert, veröffentlicht am 4.12.2021 von ARD/daserste.de)

Ein Bibelvers! Aus dem Alten Testament!

Bei nicht-selektiver, sondern redlicher Betrachtung des gesamten Textes ergibt sich ein anderes Bild als das, was Pastor Rommert versucht zu zeichnen.

Der göttlichen Aufforderung, das Volk zu trösten steht eine schier endlose Schilderung von Gewalttaten gegenüber, mit denen der oder die Verfasser dieses Textes ihren Gott als mächtigen und gnadenlosen Warlord darzustellen versuchten.

Was Herr Rommert nicht erwähnt: In dieser Geschichte ist es der Gott selbst, der dafür gesorgt hatte, dass dieses Volk überhaupt des Trostes bedarf (Hervorhebung von mir):

  1. Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
  2. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.
    (Jes 40, 1-2 LUT)

Hier haben wir ein weiteres Beispiel, dass Mainstream-Berufsverkündiger mitunter sogar Halbsätze weglassen müssen, wenn sie aus der Bibel zitieren. Einen strafenden Gott will heute niemand mehr verehren, wie’s scheint.

Fakten und Fiktionen

Während weite Teile des Alten Testaments zweifellos dem Bereich der Mythologie zugeordnet werden können, enthält diese Textsammlung auch Schriften, die zumindest theoretisch plausibel wären.

Das kennen wir auch aus anderer Fiction-Literatur: Es ist ja zum Beispiel durchaus denkbar, dass irgendwann irgendwo ein Junge namens Harry Potter gelebt haben könnte. Daraus folgt aber nicht, dass dieser auch über die in den Romanen beschriebenen Zauberkräfte verfügte.

Eine solche Vermischung von Fiktion und Fakten ist in religiösen Verkündigungen und Argumentationen oft anzutreffen. Damit wird dann zum Beispiel gerne kaschiert, was der Theologe Gerd Lüdemann bezüglich des Alten Testamentes so klar stellte:

  • Kein Buch des Mose stammt von Mose, kein Psalm Davids von David, kein Spruch Salomos von Salomo, keine Vision Daniels von Daniel, die allerwenigsten Prophetenworte von den Propheten, unter deren Namen die Bücher überliefert sind. Es gab keinen Exodus aus Ägypten, keine Sinaioffenbarung und keine Übergabe der Zehn Gebote. Abraham, Isaak, Mose und Josua sind bloße Namen, Jericho wurde nie erobert.
    (Quelle: Gerd Lüdemann: Altes Testament und Kirche. Springe 2006, S. 196)

Auch bei Jesaja, aus dessen Buch die vermeintlich tröstlichen Worte stammen, sind starke Zweifel angebracht. Als Prophet hatte er jedenfalls auf ganzer Linie versagt.

Hierzu ein Abschnitt aus dem lesenswerten Buch Der Glaubenswahn – von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament von Heinz-Werner Kubitza:

Falschprophezeiungen bei Jesaja

Jesaja ist der älteste der großen Schriftpropheten und weissagte um das Jahr 700 v. Chr. Das Nordreich war bereits im Jahre 722 v. Chr. untergegangen, und das Südreich mit seiner Hauptstadt Jerusalem wurde von den Assyrern bedrängt. Die Assyrer waren denn auch häufig Gegenstand von Jesajas Weissagungen. Mit Assyrien, so meint jedenfalls Jesaja, wird Jahwe Israel strafen. Assur »ist der Knüppel meines Zorns« (Jes 10,5), mit dem Jahwe sein Volk verprügeln will. Mit ihm will er es »zertreten wie Dreck in den Gassen« (Jes 10,6, wohlgemerkt sein eigenes Volk!). Wie ein Schermesser soll Assur über Israel kommen (Jes 7,20), die Haare (als Zeichen der Kraft) sollen mit den Schamhaaren abgeschnitten werden (Jes 8,20). Jahwe hat sich entschieden, Israel mithilfe der Assyrer zu vertilgen: »Vernichtung ist beschlossen, überflutet alles mit Gerechtigkeit [wieder wird Vernichtung mit Gerechtigkeit gleichgesetzt]. Denn die Vertilgung und was beschlossen ist, führt Jahwe aus, der Jahwe der Heerscharen [eine Kriegsgottvorstellung].« (Jes 10,22-23) Man merkt, auch der ältere Jesaja beherrscht die Sprache der Gewalt, auch wenn seine Nachfolger ihn dabei noch übertreffen werden. Jesaja jedenfalls hat sich festgelegt, Assur wird Israel züchtigen und vernichten, die Sache ist für Jahwe und seinen Propheten ausgemacht.

Doch seine Ankündigung ist nicht eingetroffen, wir hörten schon davon. Der Assyrer Sanherib hat die Stadt im Jahr 701 v. Chr. zwar belagert, ist dann aber abgezogen nachdem König Hiskia ihm Tribut gezahlt hat.
Vorher hat sich der Rab-Shake, der Mundschenk des Königs von Assur, selbst auf ein Wort Jahwes berufen, das er bekommen haben will: »Und nun, bin ich etwa gegen den Willen Jahwes hinaufgezogen gegen dieses Land, um es zu verderben? Jahwe hat zu mir gesprochen: Zieh hinauf gegen dieses Land, und verdirb es!« (Jes 36,10) Ironie? Jedenfalls ist es das Dilemma der Prophetie, dass im Prinzip jeder behaupten kann, ein Gott habe zu ihm gesprochen. Jesaja jedenfalls hat sich geirrt, die fast schon herbeigesehnte Züchtigung Israels fand nicht statt. Seinen Kindern hat er wie schon beschrieben Namen gegeben, die auf die Eroberung hindeuten sollten. Jahwe wurde von den Assyrern sogar verhöhnt und reagierte doch nur kleinlaut. Ein Redaktor lässt Jahwe zwar noch vollmundig den Tod Sanheribs ankündigen, doch dieser stirbt dann erst 681 v. Chr. und damit erst 20 Jahre später. Das Südreich Juda aber wurde nicht vernichtet, sondern ging erst über 100 Jahre später unter, und dann nicht durch die Assyrer, sondern durch die Babylonier. Jesaja lag also völlig daneben. Wie kann man sich als Gott nur so irren?

Aber die Peinlichkeiten gehen noch weiter. Jesajas Gott wütet gegen die Assyrer: »Zerschmettern will ich Assur in meinem Land, und auf mei­ nen Bergen werde ich es zertreten.« (Jes 14,25) Auch dies ist nicht eingetroffen. Obwohl der Prophet kurz vorher noch eindringlich betont, dass man sich auf das Wort Jahwes verlassen kann: »Fürwahr [… ] was ich beschlossen habe, das geschieht.« (Jes 14,2) »Der Jahwe der Heerscharen hat es beschlossen, wer könnte es vereiteln?« (Jes 14,27)

Doch mit solchen Beteuerungen machen die Propheten ihren Gott erst recht zu einer kläglichen Gestalt, zu einem Maulhelden, auf dessen Wort man sich desto weniger verlassen kann, je mehr seine Vertrauenswiirdigkeit betont wird. Auch auf Ägypten, die zweite Großmacht, haben sich Jesaja und sein Gott eingeschossen. Aus dem kleinen Israel spuckt der wilde Prophet große Töne über den wirtschaftlich wie kulturell viel höherstehenden Nachbarn – wie ein kleiner Kläffer an der Wade der großen Dogge. Jahwe ist erneut ganz außer sich und will wieder gleich den ganzen Nil austrocknen:

»Und das Wasser wird aus dem Meer verschwinden, und versiegen wird der Fluss und austrocknen [… ] und die Kanäle werden stinken […] und alles Saarland des Nils wird verdorren, wird verweht und ist nicht mehr.« (Jes 19,5-7) Hauptsache, Jahwe hat seinen Spaß. Mit Ägypten hatte Israel zu dieser Zeit gar keine größeren Auseinandersetzungen, man konnte es eher positiv als Gegengewicht gegen das andrängende Assyrien verstehen. Doch als würde man dies von einem Propheten erwarten, erhält Ägypten dennoch eine Vernichtungsweissagung.

Natürlich ist auch diese nicht eingetroffen. Wieder einmal steht Jahwe als bloßer Schwätzer da. Würden seine Propheten doch einfach einmal den Mund halten und nicht Dinge versprechen, die er doch niemals halten kann, so mag er von seiner himmlischen Wohnung aus gedacht haben. Doch der Gott scheint seinen Verehrern hilflos ausgeliefert zu sein.

Und es geht noch weiter, denn Jesaja sagt auch noch einen Sieg der Assyrer gegen die Ägypter voraus. Der König von Assur werde die Ägypter forttreiben, Junge wie Alte; wir erinnern uns noch an das »entblößte Gesäß«. (Jes 20,4) Doch auch hier hat die Geschichte wieder nicht auf Jahwe Rücksicht genommen. Beim sogenannten Philistäischen Aufstand 713/711 v. Chr. kam der assyrische König der ägyptischen Grenze zwar sehr nahe, es fanden aber keine Kämpfe statt. Beide Großmächte hatten offenbar kein Interesse an einer Auseinandersetzung. Doch Jesaja, der Eiferer für den Herrn, sieht mit seiner vernebelten Fantasie wieder nur Krieg, Niederlage und Verschleppung der Bewohner voraus.

Geirrt hat er sich auch mit einem Spruch über Damaskus, mit dem er eine vollständige Vernichtung dieser bedeutenden Stadt verheißt (Jes 17,1-3). Auch hier wieder nur heiße Luft. Ebenso wird die Vernichtung von Edom großspurig angekündigt. Sein Gott Jahwe kommt mit einem blutverschmierten Schwert, »ein Schwert Jahwes, blutverschmiert [… ] denn ein Schlachtopfer veranstaltet Jahwe in Bozra [Stadt in Edom] [… ] und mit Blut wird ihr Land getränkt, und mit Fett wird ihre Erde gedüngt. Denn es ist ein Tag der Rache Jahwes [… ].Und seine Flusstäler verwandeln sich in Pech und seine Erde in Schwefel, und sein Land wird zu brennendem Pech. Nacht und Tag wird es nicht erlöschen, von Generation zu Generation wird es in Trümmern liegen.« (Jes 34,5+10) Alles wieder voll blanken Hasses. Und alles wieder nicht eingetroffen. Man muss richtig dankbar sein, dass dieser Gott nur im Reden groß ist – nicht auszudenken, wenn dem Reden auch noch Taten folgen würden.

Seltsamerweise finden sich bei Jesaja auch Worte gegen Babylon, das zur Zeit Jesajas noch gar nicht am geschichtlichen Horizont erschienen war. Es muss sich also um ca. 100 Jahre später in die Verkündigung Jesajas eingefügte Worte handeln. Die Redaktoren hatten dabei offenbar keinerlei Skrupel, auch Gottesworte nach Belieben zu erfinden. Sie verwendeten dafür sogar die Formeln »spricht Jahwe« und »Wort Jahwes«, um die Authentizität der Fälschungen zu bekräftigen.

Doch auch diese unbekannten Redaktoren liegen mit ihren Babelsprüchen falsch. Natürlich wird Babylon die Vernichtung angekündigt, was sonst? »Nie wieder wird es bewohnt sein und in keiner Generation besiedelt, und kein Araber wird dort sein Zelt aufschlagen, und Hirten werden dort nicht lagern lassen.« (Jes 13,20) Doch wir wissen eben aus den Geschichtsbüchern, dass Babylon von den Persern kampflos eingenommen wurde. Es gab also keine Vernichtung. Irgendwann hatte sich das auch in Israel herumgesprochen, und deshalb fügt ein noch späterer Redaktor das Gotteswort hinzu: »Wehe dir, Verwüster, der du selbst nicht verwüstet bist.« (Jes 33,1)

Man fragt sich bei alledem, welche Weissagung Jesajas denn überhaupt eingetroffen ist. Alles, was er angekündigt hat, hat sich nicht erfüllt. Wenigstens einen Treffer hätte ihm Jahwe schon gönnen können, wo er sich doch nur seinetwegen so lächerlich gemacht hat. Wenn es also nicht seine prophetische Treffsicherheit war, die seine Popularität begründet hat, dann war es offenbar sein Glaube respektive Aberglaube, der ihn fur spätere Zeiten so verehrungswürdig gemacht hat. Und zwar sein extremer Glaube. Sein Jahwe-Fanatismus wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Auch der neben Jeremia und Ezechiel dritte große Prophet muss ein sehr merkwürdiger Zeitgenosse gewesen sein. Vielleicht ist es ja gerade diese Art von neurotischer Jahweverehrung, die uns heute seltsam anmutet, die aber den biblischen Redaktoren so gut gefallen hat, dass sie Fanatikern wie Jesaja, Jeremia und Ezechiel ein großes Andenken verschafft haben.

(Quelle: Heinz-Werner Kubitza: Der Glaubenswahn – von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament, Tectum-Verlag, S. 204-207)

Lieber Händel als Bibel

Kaum erstaunlich, dass Herr Rommert lieber nicht näher auf den textlichen Hintergrund dieses Bibel-Fragmentes eingehen möchte: Zu offensichtlich die Irrtümer, zu widerwärtig das Gottesbild im Alten Testament – so widerwärtig, dass man bei Bibelzitaten Halbsätze lieber ganz weglässt…

Und bei Licht betrachtet entbehrt dieser Trost jeglicher Grundlage, die eigentlich erforderlich wäre, um diese Worte als wenigstens potentiell irgendwie tröstlich empfinden zu können.

Stattdessen versucht Pastor Rommert, dem Prophetenwort mit Hilfe einer Händel-Anekdote noch etwas Relevanz anzudichten:

Nicht nur dieser Bibelvers, auch die Geschichte zu dem Werk von Händel sind für mich besonders. Händel hat es geschrieben nach einem Schlaganfall. Kaum einer glaubte, dass er jemals wieder komponieren wird. Und dann: seine ersten vertonten Worte nach dieser schweren Zeit: „Tröstet, tröstet mein Volk!“

Tja, was will man machen, wenn man für eine Charity-Veranstaltung ein Oratorium abliefern muss, das nur aus Bibelversen besteht. Hier möchte Herr Rommert offenbar suggerieren, wie wertvoll und tröstlich der Glaube für Händel gewesen sein muss, wenn er trotz seiner Erkrankung Trost in den biblischen Texten suchte.

Nur hatte Händel die Bibelstellen gar nicht selbst ausgesucht:

  • Messiah ist neben Israel in Egypt Händels einziges Oratorium, dessen Text ausschließlich aus Bibelversen besteht. Die Auswahl der Verse traf Charles Jennens, der sich dabei von den Perikopen im Book of Common Prayer of the Church of England leiten ließ.
  • Der größte Teil des Textes ist den Büchern der Propheten und den Psalmen des Alten Testaments in der Textfassung der King-James-Bibel entnommen. Auf diese Weise erreicht Jennens geschickt, dass der Christus des Neuen Testaments durch die Prophezeiungen des Alten Testaments als Messias identifiziert wird.
    (Quelle: Wikipedia)

Hauptsache, das Wunschbild stimmt, wen kümmern da schon Details…

…der tut nix, der will nur trösten?

Und wie das Wunschbild von Herrn Rommert aussieht, verrät er auch:

Das hat mich immer am meisten angerührt. Gott will uns trösten.

Meme Gottesbeweis

Das steht da doch gar nicht! In der zitierten Bibelstelle lässt der Verfasser dieses Textes Gott seine Außendienstler auffordern, dem Volk Trost zu spenden.

Vor lauter Rührung kann man da offenbar schon mal außer Acht lassen, dass diese Behauptung auf mythologischen Erzählungen beruht und dass sie auch durch die Händel-Anekdote nicht plausibler wird.

Außer Acht lassen kann man dann auch, dass die Aussage „Gott will uns trösten“ sowieso völlig irrelevant ist, solange dieser Trost nicht von einer rein menschlichen Wunschvorstellung unterscheidbar ist. Weil Götter nun mal nicht wirklich, sondern nur in der menschlichen Einbildung trösten.

Einbildung bis hin zum Wahn

Plausibilität spielt dabei keine Rolle. Hier geht es um die Einbildung eines Gefühls.

Es erinnert wiedermal ein bisschen an den Teenager (m/w/d), der/die „unsterblich“ in sein/ihr Popidol verliebt ist. Und der oder die immer am meisten angerührt ist, wenn das Idol mal „I love you!“ in eine Kamera haucht.

Der Teenager ist sich dann auch absolut sicher, dass selbstverständlich nur er oder sie damit gemeint sein kann. Der Unterschied zur Einbildung göttlicher Liebe: Das Popidol gibts wenigstens wirklich…

Je nach Ausprägung und Grad der Überzeugung kann das Festhalten an Vorstellungen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen in den Bereich des Wahnhaften führen.

Vertrauen – aber worauf eigentlich?

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich kann Trost in diesen Tagen gebrauchen. Und Sie? Advent 2021. Kleine gut gemeinte Gutscheine bekommen einen traurigen Beigeschmack. Wir machen irgendwie das Beste daraus. Tröstet, tröstet mein Volk! Diese Worte tun mir einfach nur gut. Vertrau darauf, auch diese Dunkelheit wird ein Ende haben. Mir gibt das Kraft in dieser verrückten Zeit. Und darauf freu ich mich nun wirklich auf den „Messias“ – so und so!

Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie man es als Erwachsener mit akademischer Bildung fertig bringen kann, sich selbst einzureden, ein aus dem Zusammenhang gerissenes Bibelfragment sei tatsächlich in irgendeiner Form und vor allem in Bezug auf die eigene Situation tröstlich.

Solange es nur um Trost geht, haben wir es ja „nur“ mit einem subjektiven Gefühl zu tun. Gefühle können durch alles Mögliche ausgelöst werden: Die Anwesenheit eines lieben Menschen oder Tieres kann als tröstlich empfunden werden. Oder auch der Genuss von Musik, Kunst, Schokolade oder einer Flasche Schnaps…

Sogar Einbildungen, Wunschträume, Erinnerungen, Phantasien oder Sehnsüchte können (biochemische) Vorgänge verursachen, die als tröstlich wahrgenommen werden.

Eine rein fiktive Vertröstung ist auch die angebliche Ankunft des christlichen Gottessohnes. Bei der Christen alljährlich so tun, als fände sie alle Jahre wieder und so auch heuer wieder statt.

All diese Faktoren ändern zwar freilich nichts an der Situation, wegen der man des Trostes bedarf. Nicht zufällig spricht man ja auch von einer Vertröstung. Etwas, womit man sich über eine schwierige Situation hinwegtrösten kann.

Aber trotzdem kann man sich auch mit einem rein fiktiven, eingebildeten Trost ein angenehmes Gefühl verschaffen. Auch ein Placebo-Effekt kann die „Glückshormone“ Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Endorphine, Phenethylamin und Oxytocin in Wallung bringen.

Falscher Trost

Solange sich Herr Rommert mit Messias-Ankunfts-Phantasien nur selbst über „diese Dunkelheit“ hinwegtröstet, mag das noch vergleichsweise harmlos sein.

Anders sieht es aus, wenn dafür empfängliche Menschen ihm tatsächlich das abnehmen, was er ihnen da suggeriert, vermutlich nicht beabsichtigt und ohne es direkt auszusprechen – sinngemäß: „Tröstet euch mit der Hoffnung auf die Ankunft meines Messias, dann übersteht ihr die schwierige Zeit.“

Wer dann wie vom Herrn Pastor im Fernsehen empfohlen tatsächlich darauf vertraut, dass dieser Gott (bzw. dessen zweites Drittel) schon dafür sorgen wird, dass „auch diese Dunkelheit“ „ein Ende haben“ wird und wer deshalb verantwortungsbewusstes Verhalten (sich selbst und Anderen gegenüber) unterlässt, der gefährdet damit sich und Andere.

Der Zusammenhang zwischen magisch-esoterisch verstrahlten Weltanschauungen und niedriger Impfquote bzw. Leugnung von Corona und Ablehnung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie lässt sich einfach nachweisen, indem man Impfquote und religiöse Verstrahltheit auf einer Landkarte aufträgt.

Wenn Religion gefährlich wird

Obwohl es faktisch keinen Unterschied macht, ob mythologische Vorstellungen religiöser oder anderer Esoterik entstammen, scheint Berufschristen gar nicht bewusst zu sein, dass es auch nicht absurder ist, auf Götter zu hoffen und auf deren Hilfe zu vertrauen, als an beliebige andere esoterische Spinnereien zu glauben.

Und auch christlich lackierte Politiker scheinen nicht zu merken, dass sie sich ein Eigentor schießen, wenn sie sich, wie kürzlich etwa Markus Söder, über esoterische Überzeugungen als Ursache für eine geringe Impfquote beklagen.

So oder so kann es potentiell lebensgefährlich werden: Wenn jemand auf tatsächlich wirksame Maßnahmen verzichtet, weil er von seiner Glaubensgewissheit überzeugt ist, dann macht es faktisch keinen Unterschied, ob diese Gewissheit im Glauben an Homöopathie, an Pferdeentwurmungsmittel oder der an einen Messias besteht, der durch seine baldige Ankunft die Dinge (natürlich nur für die „Rechtgläubigen“) schon zum Guten führen wird.

Fazit

Herr Rommert vertröstet sich mit einer ihm offenbar hoffnungsvoll erscheinenden Illusion.

Die Vorstellung, ein vor rund 2000 Jahren gestorbener Mensch käme (alljährlich? jetzt aber bald? irgendwann?) auf die Erde zurück, um die Anhänger eines bestimmten Wüstengottes vom Leid zu befreien (oder was genau sonst zu tun?) würde vermutlich auch Herr Rommert als bizarren Unfug, zumindest aber als rein menschliches Phantasieprodukt identifizieren können. Wäre er nicht zufällig in die Religion hineingeboren worden, deren Ideologie auf dieser Vorstellung basiert.

Im besten Fall bewirkt eine solche Einbildung einen Placebo-Effekt. Mit der Folge, dass sich Herr Rommert etwas besser fühlt, bis seine Tage ab der Wintersonnwende sowieso und ganz von alleine wieder heller werden.

Im schlechtesten Fall fühlen sich Gläubige durch dieses „Wort zum Sonntag“ in ihrem Irrglauben bestärkt, göttliche Unterstützung sei eine Größe, die über einen Placebo-Effekt hinaus irgendetwas bewirken würde. Entweder ist Herrn Rommert dieses Risiko nicht bewusst. Oder es ist ihm schlicht egal.

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2 Gedanken zu „Böse Überraschungen – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Hier ist wieder das typisch-klassische Bild des „Brandstifters und Feuerwehrmanns zugleich“ zu sehen!
    Der perfekte, allgütige und allwissende Gott, schaft eine Welt und ihre darin lebenden Wesen so, dass Trost nötig ist!
    Das ist einfach skurril und grotesk!
    Was ist das für ein perverser, widerwärtiger Gott, der seine Geschöpfe bis auf Äußerste schikaniert und bloß stellt, um sie dazu zu nötigen, ihn anzubeten?
    Und das als „Zeichen“ seiner ach so unendlichen und aufopfernden Liebe für jeden einzelnen von uns!
    Lächerlich!

    Antworten
  2. Wieder eine treffende Analyse einer der überflüssigsten Sendungen der Welt. Dazu folgende Bemerkungen:

    1. Herr Rommert hat Theologie studiert, das zählt nicht als „akademische Bildung“.

    2. Ich würde bei ihm das Stockholm-Syndrom vermuten.

    Antworten

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