Christi Himmelfahrt 2018: Zwei Meldungen

Lesezeit: ~ 3 Min.

Am 10. Mai 2018 feierten Christen auch in Osthessen Christi Himmelfahrt. Und obwohl die Katholiken in vielen Gemeinden vormittags noch bei heiterem Sonnenschein zu Bittprozessionen in der Landschaft unterwegs waren, vermeldete die Lokalpresse am Nachmittag zahlreiche Schäden durch außergewöhnlich starke Niederschläge. Sintflutartig, sozusagen.

Meldung 1:

Begleitet von Musikkapellen, Fahnenabordnungen und dem Allerheiligsten in der Montranz zogen die Gläubigen durch die Kirchen­bezirke (Orte/Flure/Felder) und erbaten mit Gebeten und Liedern den Segen Gottes.
(Quelle: Osthessennews vom 11.5.2018, http://bit.ly/2EKZy6b)

Meldung 2:

Unsere Reporterinnen berichten von chaotischen Zuständen. Die Ortsmitte ist überflutet, Anwohner kommen nicht in ihre Häuser. Das Bürgerhaus sei vollgelaufen.
(Quelle: Osthessennews vom 11.5.2018, https://bit.ly/2jSQBe0)

Christi Himmelfahrt 2018

Wie ist das zu erklären? Da machen sich mehrere hunderte Gläubige an ihrem freien Tag auf, um ihren Herrgott um eine gute Ernte und um Verschonung von Naturkatastrophen zu bitten. Und zack – ein paar Stunden später entstehen innerhalb kurzer Zeit enorme Schäden durch Starkregen, Überflutungen und Hagelschlag.

Gläubige Christen haben mit solchen Widersprüchen meist keinerlei Probleme. Wer denke, Gott erfülle an ihn gerichtete Bitten, der habe den Glauben nicht verstanden. Gott sei keine „Wunschmaschine.“

Warum sie dann trotzdem ihren Gott etwa um Schutz vor „verderblichem Regen und schädlicher Dürre“ (oder heutzutage, um die Absurdität einer solchen Bitte etwas zu vernebeln, auch als „Bitte um eine nicht näher definierte Segnung“ umschrieben) bitten, darauf haben sie keine befriedigende oder zumindest einheitliche Antwort.

Dass sich redlicherweise kein Zusammenhang zwischen dem Wirken übernatürlicher Wesen und der irdischen Wirklichkeit erkennen lässt, stört sie nicht. Entweder, es geht gut – dann waren ihre Bittgebete natürlich vom Wüstengott Jahwe erhört worden. Und wenn nicht, dann waren die Wege dieses Gottes eben einmal mehr unergründlich. Oder die Menschen, die sich ihres (von Gott geschenkten) freien Willens bedienen, sind schuld. Damit ist das Thema für sie meistens abgehakt.

Christi Himmelfahrt!?

Verständlich. Denn jede weitere Überlegung würde unweigerlich zu unangenehmen Enttäuschungen führen. Die es freilich tunlichst zu vermeiden gilt, wenn man sich auch weiterhin die wohlige Illusion verschaffen möchte, etwas besonders Sinnvolles und Gutes getan zu haben. Indem man einen ohnehin allmächtigen Gott um etwas bittet. Zum Beispiel darum, dass er seinen ewigen Allmachtsplan im Interesse der osthessischen Katholiken ändert.

Und daran, dass sie etwas Sinnvolles tun, haben sie keinen Zweifel:

Sie [die Katholiken, Anm. v. mir] hätten eine Botschaft, die es wert sei, von den Dächern gerufen und auf den Straßen verkündet zu wer­den. Au­ßer­dem er­in­ne­re der heu­ti­ge Fei­er­tag daran, daß am Ende mensch­li­chen Lebens nicht Tod, Grab und Fin­ster­nis stehe, son­dern eine „Him­mel­fahrt“, die alle mit Freude er­fül­len soll­te.
(Quelle: Osthessennews vom 11.5.2018, http://bit.ly/2EKZy6b)

Auch hier tut die christliche Herde gut daran, lieber nicht weiter drüber nachzudenken. Und sich zum Beispiel mal ehrlich zu fragen, wie plausibel, sinnvoll oder auch zumindest irgendwie bedeutsam das mit der ominösen Himmelfahrt, die Menschen nach ihrem Tod (!) mit Freude erfüllen soll für einen vermutlich ansonsten aufgeklärt und rational denkenden Menschen im 21. Jahrhundert noch sein kann. Und was konkret an dieser Einbildung so wertvoll sein soll, dass man andere Menschen an der religiös erweiterten Scheinwirklichkeit teilhaben lassen muss.

…bei strahlendem Sonnenschein

GebetslogikOhne das Unwetter am Abend wäre im Artikel über die Christi-Himmelfahrt-Prozessionen sicher noch (sinngemäß) zu lesen gewesen, dass Gott die Wallfahrer mit schönstem Sonnenschein für die Demonstration ihrer Unterwürfigkeit belohnt hätte. Eine diesbezügliche Standardphrase, die man sonst jedes Mal liest, wenn es während einer religiösen Zeremonie im Freien mal nicht geregnet hat, fehlt diesmal. Womöglich befürchtete die Redaktion Kritik von den Leuten, deren Keller noch am selben Tag überflutet oder deren Felder durch Starkregen und Hagel zerstört worden waren.

Genauso fehlt eine Erklärung, wie sich die Religionsverkünder die Funktionsweise ihrer Bittgebete denn nun konkret vorstellen. Was versprechen sie sich von der Bitte um göttlichen Segen? Wo sie doch gleichzeitig behaupten, dass Gott keine Wünsche erfüllt? Bei Licht betrachtet, ist eine Bittprozession zu Christi Himmelfahrt eine höchst egoistische Angelegenheit. Denn der biblisch-christliche Gott macht sein postmortales Heilsversprechen davon abhängig, inwieweit Menschen zu Lebzeiten bereit waren, sich ihm zu unterwerfen.

Wer seinen Gott sinngemäß wissen lässt: „Schau, ich bitte dich dich um deinen Segen. Ich erwarte aber nicht, dass du meinen Bitten auch nachkommst, schließlich bist du ja der Allmächtige. Aber bitte denke daran, wenn mal mein letztes Stündlein geschlagen hat: Ich habe dir zu Lebzeiten meine Redlichkeit und meine Vernunft geopfert! Vergiss das nicht!“, für den ergibt es durchaus einen Sinn, um Segen bittend durch Feld und Flur zu ziehen. Und zwar in seinem eigenen, nur ihn selbst betreffenden Interesse.

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