Gedanken zu „Was bleibt, ist SEGEN!“ Gottesdienst am Silvesterabend in der Evangelischen Kreuzkirche

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Gedanken zu „Was bleibt, ist SEGEN!“ Gottesdienst am Silvesterabend in der Evangelischen Kreuzkirche, Original-Artikel veröffentlicht am 1.1.16 von osthessen-news.de (Verfasser nicht genannt)

Achtung: Dieser Beitrag enthält extrem brutale Bibelzitate, die für nicht religiös indoktrinierte Menschen als verstörend (bzw. gestört) wirken dürften.

[…] „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.“*

Diesen Segen hatte angeblich Gott dem Mose geoffenbart. Da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass es diesen offenbarenden Gott ebenso wie alle anderen rund 3000 Götter, die sich die Menschheit bisher schon ausgedacht hatte, nicht gibt, handelt es sich dabei auch nicht um eine göttliche Offenbarung, sondern um eine menschliche Fantasie, aufgeschrieben von Menschen zwischen dem 7. und 2. Jahrhundert v.u.Z., übrigens in engem Zusammenhang mit dem damaligen Opferkult im Jerusalemer Tempel.

Man mag es diesen Menschen der Bronzezeit nachsehen, dass sie sich aufgrund ihres damaligen Entwicklungs- und Wissensstandes natürlich vieles noch nicht erklären konnten und sie sich deshalb Götter, Mythen und Märchen ausdachten. Nicht nachsehen kann man es den Menschen im 21. Jahrhundert, dass sie diese Märchen immernoch als real und für uns relevant betrachten und behaupten.

Dieser auf den ersten Blick so friedlich wirkende „Segen“ erscheint gleich in einem ganz anderen Licht, wenn man den letzten Satz dieses Abschnittes nicht einfach klammheimlich weglässt, der da lautet (Hervorhebung von mir):

  • Denn ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israel legen, daß ich sie segne. (Lutherbibel 1912)

Und schon wird klar, dass dieser Segen natürlich nicht für alle Menschen, sondern nur für die „Kinder Israels“ gilt. Das heißt: Licht, Gnade und Frieden gibts nur für die, die dazugehören. Wie mit den anderen zu verfahren sei, offenbarte derselbe Gott an vielen anderen Stellen im selben Buch Mose in derselben Bibel. Hier nur vier Beispiele (Interpretationen von mir):

  • [Gott befiehlt den Foltertod von Andersgläubigen:] Wer des HERRN Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben. – 3. Mose 24,16, Luther-Bibel 1984
  • [Gott ordnet den Massenmord an Verwandeten und Bekannten an:] Und er sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Gürte ein jeglicher sein Schwert um seine Lenden und durchgehet hin und zurück von einem Tor zum andern das Lager, und erwürge ein jeglicher seinen Bruder, Freund und Nächsten. 28 Die Kinder Levi taten, wie ihnen Mose gesagt hatte; und fielen des Tages vom Volk dreitausend Mann. – 2. Mose 32,27-28, Lutherbibel 1912
  • [Gott ist nicht lieb, sondern groß und schrecklich:] Dazu wird der HERR, dein Gott, Angst und Schrecken unter sie senden, bis umgebracht sein wird, was übrig ist und sich verbirgt vor dir. Lass dir nicht grauen vor ihnen; denn der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, der große und schreckliche Gott. – 5. Mose 7,20-21, Luther-Bibel 1984
  • [Gott macht detaillierte Angaben, welche Völker komplett vernichtet werden sollen:] Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, … 5. Mose 20,16-17, Luther-Bibel 1984

Welchen Wert hat ein „Segen“ aus der Bronzezeit, der nur für eine kleine, abgegrenzte Gruppe von Menschen gilt und dem unzählige Aufrufe zu brutalsten Verbrechen, roher Gewalt und gnadenloser Vernichtung ganzer Völker gegenüberstehen? Ein Segen, den man nur teilweise aussprechen darf, weil sich wahrscheinlich die wenigsten Christen heute als „Kinder Israels“ fühlen? Ein Segen, der die Gesegneten über die restliche Menschheit erhebt, sie aber gleichzeitig auch eindeutig dem Gott unterordnet, sie von ihm abhängig macht?

Es bedarf wahrlich nicht viel Recherche und Nachdenken, um diesen angeblich heiligen Segen als das zu entlarven, was er ist: Die hartnäckige Überlieferung eines Märchens aus der Bronzezeit, bar jeglicher Grundlage und deshalb nicht relevant für Menschen des 21. Jahrhunderts.

Wer Menschen ernsthaft einen solchen Segen ausspricht, bezeugt damit nicht nur einen dramatischen Realitätsverlust, er suggeriert den Menschen, sie seien von einem (erfundenen) Gott in besonderer Weise bevorzugt, könnten auf irgendetwas von ihm hoffen und müssten sich, was besonders fatal ist, im Umkehrschluss damit abfinden, keine Gnade und keinen Frieden zu bekommen, wenn sie sich nicht zu diesem Gott bekennen.

[…] In Erinnerung bleiben auch die kirchlichen Feste, Taufen, Konfirmationen, Trauungen, gute besuchte Gottesdienste, auch das 50-jährige Jubiläum der Kreuzkirche mit seinem Back- und Gemeindefest vom Sommer.*

Ehrlicherweise sollte man sich bewusst machen, dass es sich dabei ausnahmslos um reale Ereignisse handelte (auch wenn die Gründe für religiöse Feste natürlich alles andere als real sind). Auch in 2015 hat es wieder kein einziges wirkliches Wunder im religiösen Sinne, keinen einzigen belegbaren Nachweis für die Existenz oder das Wirken eines Gottes gegeben. Und natürlich wurde auch 2015 wieder kein einziges Gebet und kein einziger Segenswunsch tatsächlich erhört. Tatsächlich gab es aber wieder jede Menge höchst interessanter und aufschlussreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Auf einer Foto-Postkarte, die den Eingangsbereich der bayerischen Stadtkirche in Münchberg zeige, sehe man eine geöffnete Türe, durch die Licht scheine, sowie zwei leuchtende Lichtbänder mit den Segensworten. Eingang und Ausgang stünden unter Gottes Geleit.*

Das ist eine beliebige Interpretation. Zwei leuchtende Lichtbänder sind nur zwei leuchtende Lichtbänder, egal, was Menschen darauf geschrieben haben. Wer etwas anderes behauptet, lügt (bis zum Beweis des Gegenteils). Genauso sicher könnte man behaupten, dass Eingang und Ausgang unter dem Geleit des Gestiefelten Katers stehen.

„Gottes Türe steht weit offen. Zwar wissen wir noch nicht, was hinter der Türe kommt. Es wird nicht nur Licht sein, aber Gott strahlt uns schon entgegen, lässt sein Angesicht leuchten.*

Wenn hinter einer Tür etwas leuchtet, dann handelt es sich dabei um den für uns sichtbaren Teil elektromagnetischer Strahlung. und nicht um das Angesicht eines von Menschen erfundenen Gottes. Wer wissen will, was sich hinter einer Türe verbirgt, sollte diese öffnen und nachschauen. Über Dinge, die sich hinter einer Tür befinden, die sich (noch) nicht öffnen lässt, kann man bestenfalls spekulieren, Theorien aufstellen oder von Wahrscheinlichkeiten ausgehen.

Was wollen wir eigentlich mehr für das Jahr 2016, als dass Gott seine Hand über uns und unter uns hält“, predigt Pfarrer Bürger.*

Interessant, wie Herr Bürger hier den Wortlaut des Original-Segens ganz subtil verändert – angeblich hält Gott seine Hand jetzt nicht mehr nur über, sondern auch unter uns. Wunsch und Wirklichkeit: In der Bibel ist von unter keine Rede, da steht ausdrücklich (Hervorhebungen von mir):

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich.

In der Lutherbibel 1984 wird der Originaltext: יִשָּׂא יְהוָה פָּנָיו אֵלֶיךָ וְיָשֵׂם לְךָ שָׁלוֹם übersetzt mit: Der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich Menschen ihren Gott nach ihren Vorstellungen, Hoffnungen und Wünschen beliebig umformen und gestalten. Kein Gott hat bis heute jemals auch nur ein Wort dagegen gesagt, egal, ob in seinem Namen gemordet oder geliebt wurde.

Was bliebe für das nahende Jahr, sei Gottes Segen und gibt der Gemeinde die Postkarte und den Segen mit auf den Weg.*

Auch dadurch, dass der Segen eines angeblichen Gottes einmal mehr ausgesprochen wurde, wird dieser kein bisschen realer oder sinnvoller, genauso wie das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen nicht dadurch wahrer wird, wenn es immer wieder vorgelesen wird.

Was tatsächlich bleibt für das nahende Jahr ist die Hoffnung auf die Entwicklungsfähigkeit der Menschheit, die Hoffnung, dass auch 2016 wieder viele Menschen ihre religiöse Indoktrination überwinden und beginnen, selbstverantwortlich selbst zu denken und auf sich selbst zu vertrauen, statt auf die Gnade eines erfundenen Gottes zu hoffen und sich eine Abhängigkeit davon einreden zu lassen.

*Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel, veröffentlicht von osthessen-news.de am 1.1.2016.

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