Kommentar zu: Pastoral vor Ort lebendig gestalten – Bistumsleitung im Gespräch mit Katholikenrat, Priesterrat und Dechantenvertretern

Lesezeit: ~ 4 Min.

Kommentar zu: Pastoral vor Ort lebendig gestalten – Bistumsleitung im Gespräch mit Katholikenrat, Priesterrat und Dechantenvertretern, Originalartikel veröffentlicht am 30.5.2016 von Osthessennews, Verfasser nicht genannt

„Unser Ziel ist es, die Pastoral vor Ort lebendig zu gestalten mit Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, so der Generalvikar.*

Der Fuldaer Oberhirte Algermissen hingegen ist weit weniger optimistisch, was das Engagement von Laien angeht. Ganz im Gegenteil – aus seiner arroganten Haltung dem nicht-klerikalen Fußvolk gegenüber macht er keinen Hehl und bezeichnet jede Aktion oder gar Veränderungsabsichten gar als nutzlos:

  • […] Weil jede Erneuerung der Kirche am Pfingstgeschehen ihr Modell und ihren Maßstab habe, sei es nutzlos, wenn etwa mündige Laien zusammen mit Priestern losstürmen wollten, um alles Mögliche und Unmögliche zu machen oder zu ändern. (Quelle)
  • Priester können grundsätzlich nur durch Priester ersetzt werden. Andernfalls kann man nicht mehr von katholischer Kirche sprechen. (Quelle)

Wie so viele andere, hat Herr Algermissen ganz offenbar auch diesen „Schlag nicht gehört“ – andererseits ist die Haltung aber auch wieder nachvollziehbar, schließlich kann es ihm persönlich völlig egal sein, was aus dem Christentum wird und ob sich noch irgendwer berufen fühlt, seine Ideologie zu unterstützen. Er hat bis ans Lebensende ausgesorgt und es ist kaum davon auszugehen, dass er tatsächlich selbst an seine Märchen vom Leben nach dem Tod samt jüngstem Gericht glaubt.

Weihbischof Diez berichtete über die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die in diesem Jahr unter dem Leitgedanken „Berufen, die großen Taten Gottes zu verkünden (1 Petr 2,9)“ steht.

Wie immer, wenn Bibelverse zum Beispiel als „Leitgedanken“ herausgepickt werden, lohnt sich ein Blick auf den Kontext, so auch in diesem Fall. Die zitierte Bibelstelle heißt im Wortlaut (Hervorhebung von mir):

  • Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.
    (Quelle:1 Petrus 2,9 EU)

Unzählige Menschen wurden von diesem „auserwählten Geschlecht“ unterdrückt, verfolgt, gefoltert und ermordet, von dem „heiligen Stamm“, der die Verkündigung bevorzugt mit Schwert und Feuer durchführte. Die Mörder im Namen des Herren konnten sich jederzeit problemlos auf genau diesen Satz berufen. „Wir sind die Guten, alle anderen sind die Bösen. Wir sind im Licht, alle anderen sind in der Finsternis.“

Schon merkwürdig, dass die angebliche absolute, übergeordnete Wahrheit überhaupt eine Verkündigung nötig hat… Der Schwerkraft ist es zum Beispiel völlig egal, ob sie jemand verkündigt oder nicht – die wirkt einfach so.

Einmal mehr wird an diesem Beispiel deutlich, wie grundlegend schädlich religiöse Dualismen für das Zusammenleben der Menschen sind. Auch wenn das Christenvolk heute dank Aufklärung und Säkularisierung größtenteils davon absieht, die christlichen Wahngedanken mit dem Schwert zu verkündigen, sorgt diese frei erfundene Überhöhung zum „auserwählten Volk“ für eine künstliche Abgrenzung, die ungefähr genauso halt- und sinnlos ist wie wenn man behaupten würde, Menschen mit blauen Augen seien besser als Menschen mit braunen Augen.

Wer sich mal gefragt hat, warum es ausgerechnet eine vormittelalterliche Wüstenreligion wie das Christentum bis ins 21. Jahrhundert schaffen konnte, der findet einen Grund in der Bibelstelle einige Zeilen unterhalb des gewählten „Leitgedanken:“

  • Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung: dem Kaiser, weil er über allen steht, den Statthaltern, weil sie von ihm entsandt sind, um die zu bestrafen, die Böses tun, und die auszuzeichnen, die Gutes tun. Denn es ist der Wille Gottes, dass ihr durch eure guten Taten die Unwissenheit unverständiger Menschen zum Schweigen bringt.
    (Quelle: 1 Petrus 2:13-15 EU)
  • Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Brüder, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser!
    (Quelle: 1 Petrus 2:17 EU)

Ohne diese ausdrückliche Anordnungen zur Unterwerfung unter der (weltlichen) Obrigkeit hätte das Christentum niemals Staatsreligion werden können. Diese Anordnungen waren auch nur genau zu diesem Grund in die Texte eingefügt worden; für den jüdischen Rabbi Jesus gab es natürlich nur einen Herren, seinen Gott. Aus dem zweiten Beispiel geht außerdem hervor, dass sich das mit der christlichen Nächstenliebe nur auf die Brüder und ausdrücklich nicht auf alle Mitmenschen bezieht.

Liest man noch ein paar Zeilen weiter, kommt eine weitere Stelle, die als biblische Rechtfertigung für unvorstellbar viel Leid und Unterdrückung diente (Hervorhebung von mir):

  • Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter, nicht nur den guten und freundlichen, sondern auch den launenhaften. Denn es ist eine Gnade, wenn jemand deswegen Kränkungen erträgt und zu Unrecht leidet, weil er sich in seinem Gewissen nach Gott richtet.
    Ist es vielleicht etwas Besonderes, wenn ihr wegen einer Verfehlung Schläge erduldet? Wenn ihr aber recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes. Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.
    (Quelle: 1 Petrus 2:18-21 EU)

Diese Stelle ist ein ganz offensichtliches Beispiel dafür, wie es um den moralischen Standard biblischer Texte bestellt ist. Warum haben die Religionsdiener nicht diese Stelle, die als biblische Grundlage der „Onkel-Tom-Mentalität“ für unvorstellbar viel Leid und Ausbeutung gesorgt hat, als Leitgedanken gewählt und stattdessen die Stelle mit der Berufung zur Verkündigung aus dem Zusammenhang herausgepickt?

Woher wissen sie, dass das mit dem freudigen Erleiden heute bestenfalls noch zu einer überholten Mutter-Theresa-Einstellung passt und ansonsten wahrscheinlich nicht mehr gilt, die Berufung zur Verkündigung aber schon?

Aus der Bibel geht jedenfalls nicht hervor, was gilt und was nicht – die ist zumindest nach katholischer Auffassung angeblich wortwörtlich und vollumfänglich von Gott inspiriert und deshalb bei Bedarf jederzeit uneingeschränkt gültig. Die biblische Gesamtaussage ist aus heutiger Sicht inhuman und so indifferent, dass man mit der Bibel alles Beliebige rechtfertigen kann.

Es hängt also einzig vom Leser ab, welchen biblischen Satz oder Halbsatz er als „Leitgedanken“ auswählt und was er geflissentlich übergeht und ignoriert, weil es sich nicht mehr mit einer halbwegs modernen Ethik (die logischerweise eben NICHT aus der Bibel stammen kann) in Einklang bringen lässt.

Dieser unredliche, weil willkürliche Umgang mit Texten scheint ganz offenbar niemanden weiter zu stören – solange es um archaische Bibelmärchen geht.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Schreibe einen Kommentar