Darstellung von göttlicher Gewalt und Diskriminierung in der Kirche: Offener Brief, dritter Versuch

Lesezeit: ~ 3 Min.

Heute fragen wir Herrn Vincent Krieger vom „Referat Afrika/Missionsfragen“, warum die katholische Kirche auch 2019 noch das, was sie für „das Böse“ hält, vermittels eines afrikanisch aussehenden Menschen visualiert.

Während der Recherche zu unserem Kirchenkunstreport 2016 hatten wir viele Kirchen in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen besucht. Dabei war uns aufgefallen, dass sich heute im öffentlichen Raum nirgends mehr so viele und drastische Darstellungen von unfassbar brutaler Gewalt finden lassen wie in katholischen Kirchen.

Reise ins tiefste Mittelalter

Kirchenkunstreport 2016
Kirchenkunstreport 2016:
Wer ist wie Gott?

Nach einem Tag mit zehn oder mehr Kirchenbesuchen hat man das Gefühl, von einer Reise ins tiefste Mittelalter zurückgekehrt zu sein.

Ein besonders zynisches und diskriminierendes Exemplar katholischer Kirchenkunst steht in der Dorfkirche zu Reichenhausen/Münnerstadt im Landkreis Bad Kissingen.

Weil wir uns damals nicht erklären konnten, was genau die katholische Kirche dazu bewegt, diese Darstellung auch weiterhin öffentlich zur Schau zu stellen, hatten wir mal nachgefragt. Unser diesbezüglicher offener Brief war, wie kaum anders zu erwarten, zunächst unbeantwortet geblieben.

Erst im Nachgang zu einer Anfrage zu einem anderen Thema hatte uns damals Herr Dr. Hartmut Köß, seines Zeichens verantwortlich bei der Deutschen Bischofskonferenz für die Unterkommission „Referat Amerika / Grundsatzfragen“ geantwortet.

Zu diesem speziellen Fall könne er freilich nichts sagen, ließ er damals wissen.

Da uns aber seine Allgemeinplätze zum Thema „Darstellung von Gewalt und Diskriminierung in Kirchen“ als Rechtfertigung für die Notwendigkeit speziell dieser Statue nicht genügte, fragen wir heute mit einem weiteren offenen Brief nochmal nach.

Und richten unsere Nachfrage diesmal an Herrn Vincent Krieger, bei der „Kommission Weltkirche“ verantwortlich für die Unterkommission „Referat Afrika / Missionsfragen.“

Offener Brief an Herrn Vincent Krieger (Referat Afrika/Missionsfragen)

Guten Tag Herr Krieger,

wie ich der Webseite der Deutschen Bischofskonferenz entnehme, leiten Sie das Referat „Afrika/Missionsfragen“ in der „Kommission Weltkirche.“

Deshalb wende ich mich heute mit meiner Frage an Sie und hoffe, dass Sie mir diesbezüglich weiterhelfen können.

Gestern vor drei Jahren hatte ich einen offenen Brief an das Kath. Pfarramt Münnerstadt geschickt. Dieser Brief ist auch auf meiner Webseite zu finden.

Darin geht es um die Frage, wie die katholische Kirche es rechtfertigt, die in der Dorfkirche von Reichenbach (Landkreis Bad Kissingen) öffentlich und auch für Kinder frei zugängliche Statue (ein Foto davon finden Sie im Anhang [der Mail, Anm. v. mir] und auf der oben verlinkten Webseite) zur Schau zu stellen.

Mir ist bekannt, dass diese Statue laut christlicher Mythologie einen voll gerüsteten „Erzengel Michael“ zeigt, der auf einem Menschen mit schwarzer Hautfarbe und afrikanischer Physiognomie, der sich gerade im Todeskampf windet und krümmt stehend zeigt. Auf dem Schild des Engels steht die rhetorische und wie ich finde maßlos zynische Frage: „Wer ist wie Gott?“ Der als Afrikaner dargestellte Mensch symbolisiert dabei „das Böse“, was laut biblisch-christlicher Mythologie ja alles Nicht-Christliche ist.

Mein Brief von damals sowie weitere Nachfragen beim zuständigen Bistum Würzburg sind bis heute unbeantwortet geblieben.

Lediglich Ihr Kollege Herr Dr. Köß hatte mir damals, nachdem ich ihn im Rahmen einer Anfrage zu einem anderen Thema danach gefragt hatte eine Antwort geschickt, die ich hier allerdings aus rechtlichen Gründen nicht wiedergeben möchte.

Mit der Antwort von Herrn Dr. Köß war meine eigentliche Frage damals auch gar nicht beantwortet; eine weitere Nachfrage war ebenfalls unbeantwortet geblieben.

Deshalb erlaube ich mir, Sie in Ihrer Funktion als Referatsleiter „Afrika/Missionsfragen“ mit meinen Fragen zu konfrontieren und Sie höflich um eine Stellungnahme zu bitten:

  1. Warum hält es die katholische Kirche offenbar für erforderlich, diese Darstellung auch weiterhin zur Schau zu stellen? 
  2. Gäbe es nicht andere, besser geeignete Möglichkeiten, Menschen durch künstlerische Darstellungen auf menschliches Leid aufmerksam zu machen und/oder sie zu fairem, friedlichen und mitmenschlichen Verhalten zu ermuntern? Und falls nicht: Warum wählt die Kirche dann ausgerechnet einen Kriegsengel, der erniedrigt und foltert? Welches Zeugnis stellt sie sich damit selbst aus?
  3. Oder hat bis heute wirklich noch niemand bemerkt, dass es der göttliche Vertreter ist, der hier einen Menschen erniedrigt und foltert?
  4. Könnte und sollte die Kirche z. B. mit einem feierlichen Austausch dieser Darstellung durch eine andere Skulptur nicht einen enormen Imagegewinn für sich erzielen, weil sie damit zeigen könnte, dass sie in der Lage ist, sich von Dingen, für die sie sich heute schämen muss, zu befreien?

Zusatzfrage: Wie finden Sie persönlich es, dass die katholische Kirche auch im Jahr 2019 noch das, was sie für „das Böse“ hält, vermittels eines unzweifelhaft afrikanisch aussehenden Menschen visualisiert?

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2 Gedanken zu „Darstellung von göttlicher Gewalt und Diskriminierung in der Kirche: Offener Brief, dritter Versuch“

  1. „wir haben das schon immer so gemacht“

    Das ist einfach ekelhaft und unzeitgemäß, gehört in den Keller oder besser noch auf den Sperrmüll. Aber wahrscheinlich müssen wir diese Skulptur einfach „im Kontext“ betrachten. 😉

    Antworten
    • Du wirst es nicht glauben, aber das mit dem Kontext kam tatsächlich in einer Antwort kirchlicherseits! Vielleicht gäbe es ja einen Kontext, der ihm (dem Beantworter) jetzt nicht bekannt sei. Auf die Frage, in welchem Kontext eine solche Darstellung denn vertretbar sei, kam dannk keine Antwort mehr…

      Antworten

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