Harald Lesch und das Theodizee-Problem: Fundstück der Woche

Lesezeit: ~ 4 Min.

Die geschätzten Aufklärer vom Ketzerpodcast Ketzer 2.0 haben eine Terra-X-Folge „Lesch & Co.“ unter die Lupe genommen, in der Prof. Harald Lesch mit theologischer Unterstützung versucht, Sinnvolles zum Thema Theodizee zu erzählen.

Darum geht es

Professor Harald Lesch und der katholische Theologe Thomas Schwartz machen keinen Hehl daraus, dass sich das Theodizee-Problem nicht lösen lässt. Jedenfalls dann nicht, wenn man an der Vorstellung des in der Bibel beschriebenen Gottes festhalten möchte.

Für Gläubige dürfte das jedoch kein Problem darstellen: Wenn das Problem sowohl Professor Harald Lesch, als auch dem Theologen bekannt ist, und sie trotzdem an ihrem Glauben festhalten, dann wird das schon seine Richtigkeit haben.

Die Sendung dient somit offenbar primär dazu, Christen eine Grundlage für ein Autoritätsargument zu liefern.

Professor Harald Lesch: Astrophysiker, Naturphilosoph – und Protestant

Harald Lesch ist dem breiten Fernsehpublikum als wissenschaftlich-jovialer „Erklärbär“ bekannt.

War es früher sein Fachgebiet Astrophysik, das Harald Lesch versuchte, einem Laien-Publikum in möglichst verständlichen Worten näher zu bringen, widmet sich der inzwischen als Naturphilosoph tätige Professor heute allen möglichen Themen.

Irgend etwas (oder jemand) veranlasst Harald Lesch jedoch immer wieder mal, trotz seiner sonst stets demonstrierten Wissenschaftlichkeit die Welt des rational-kritischen Denkens und Argumentierens zu verlassen.

…ist ja alles nur Spaß: Immunisierung gegen Einwände

...nur mal für Spaß!
…nur mal für Spaß!

Zu seiner Ehrenrettung bedient sich Harald Lesch vorsorglich des altbekannten Tricks, den Begriff „Gott“ zunächst als reine Spaß-Annahme („…nur mal für Spaß. Nur mal für Spaß…“) einzuführen.

So hätte er jederzeit die Option, eventuell geäußerte Einwände mit dem Hinweis zurückzuweisen, dass es sich bei all dem ja nur um eine Spaß-Annahme handeln würde.

Einwände hat er seitens des befreundeten Theologen und Gesprächspartners Thomas Schwartz freilich keine zu befürchten.

Herr Schwartz zieht sich mit einem besonders lächerlichen Argument gleich zu Beginn und damit ebenfalls vorsorglich, wenn auch wenig elegant aus der Affäre: Die Theologie könne die Theodizee-Frage ja gar nicht beantworten.

Grund: Weil sie sich dann ja unglaubwürdig machen würde.

Beide Strategien lassen sich sinngemäß interpretieren als: „Leute, wir haben euch gewarnt! Das, was jetzt kommt, kann auch völliger Nonsens sein! Glaubt uns kein Wort!“

Theodizee: Schluss mit Lustig

Aber Einwände müssen beide sowieso nicht befürchten. Die „Stimme der Vernunft“ aus dem Mund des Wissenschaftlers mag freilich vernünftig klingen.

Hier profitiert Harald Lesch sicher von seinem wissenschaftlichen Nimbus, der ihn umgibt und für den er auch zurecht bekannt und beliebt ist. Wenn diese Stimme jedoch versucht, religiöse Einbildungen und Phantasien mit wissenschaftlicher Sprache zu untermauern, dann werden diese dadurch noch lange nicht plausibler.

Im weiteren Verlauf des Dialoges, auf den sich beide offenbar nicht wirklich gut vorbereitet hatten, ist von Spaß dann auch keine Rede mehr. Die Spaß-Annahme wird stillschweigend zur Prämisse.

Bis zum Schluss der Sendung tun beide nämlich ganz selbstverständlich so, als sei Gott eben keine Spaß-Annahme. Sondern eine feste Größe. Mit bestimmten Eigenschaften und Absichten.

Lesch empfiehlt Geduld mit Gott

Theodizee by Harald LeschZum eigentlichen Thema erfährt der Zuschauer nichts Neues: Die beiden Gesprächspartner jonglieren sich gegenseitig alte rethorische Hüte hin und her. Die allesamt längst hinlänglich bekannt und gut begründet widerlegt sind.

Der Großteil der Sendung besteht aus heißem Brei, um den Harald Lesch mit wissenschaftlicher und Thomas Schwartz mit theologischer Sprache herumreden.

Ohne freilich irgendwelche neuen und vor allem ernst zu nehmenden Ideen zur Bewältigung des Theodizee-Problems vorbringen zu können.

Das „Böse“ in der Welt wird im Verlauf des Gespräches euphemisierend und vernebelnd nur noch als „Ungerechtigkeit“ bezeichnet. Um dies mit der Vorstellung der Existenz eines allgnädigen, allwissenden und allmächtigen Gottes unter einen Hut zu bekommen, solle man eben noch etwas Geduld mit Gott haben.

Wie soll man sich das vorstellen? Sorry, ihr Kinder, die ihr gerade qualvoll verhungert. Und ihr, die ihr gerade durch ein Erdbeben eure Angehörigen und sämtliches Hab und Gut verloren habt: Bitte habt noch etwas Geduld mit Gott!

Alles nur geträumt?

Mit einer kleinen Ergänzung am Schluss hätte Lesch seinen guten Ruf als kritischer Wissenschaftler problemlos retten können.

Sinngemäß: „…und damit verlassen wir die schillernde Phantasiewelt der christlichen Mythologie wieder. Und verabschieden uns auch wieder von unserer Spaß-Annahme, ein Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, existiere tatsächlich. Die einzig intellektuell redliche, wenn auch für Christen wenig befriedigende Erkenntnis: Einen solchen Gott gibt es nicht.“

Also in etwa so, wie wenn ein Roman damit endet, dass der Protagonist nach einer irrwitzigen Geschichte schweißgebadet aufwacht und erleichtert feststellt: „Puuuuh… war ja alles nur geträumt…“

Doch auf eine solche Klarstellung wartet der kritische Zuschauer vergeblich.

Lesch & Schwartz: Was bleibt hängen?

Beim unkritischen Publikum kommt – vermutlich beabsichtigt – diese Message an: Sowohl der Astrophysiker Professor Harald Lesch, als auch dem katholischen Theologen ist das Theodizee-Problem sehr wohl bekannt.

Und trotzdem halten beide weiterhin am Glauben an diesen Gott fest. Obwohl die doch so viel schlauer sein müssen als ich es bin. Also mache ich das genauso!

Aus einer solchen Wahrnehmung basteln sich Gläubige dann nicht selten ein so genanntes Autoritätsargument.

Harald Lesch, der einen ausgezeichneten Ruf als vernünftiger Mensch und kritischer Wissenschaftler mit beeindruckendem Wissen genießt, ist mit seinen fallweisen religiösen Anwandlungen da natürlich ein „gefundenes Fressen“ für alle Christen.

Ketzer 2.0 – Segment 82.3:
Harald Leschs Theodizee-Video (Wie kann ein allmächtiger Gott das Böse zulassen?)

Die Ketzer Matthias aka Skydaddy, Christian, Nico und Jan kommen in ihrer Analyse zu einem wenig überraschenden Ergebnis: Auch diesmal ist es wieder nicht gelungen, die Theodizee-Frage befriedigend zu beantworten. Trotz der geballten wissenschaftlichen und katholisch-theologischen Fachkompetenz.

Was das Ketzer-Team noch alles herausgefunden hat, gibts in diesem hörenswerten 30minütigem Podcast-Segment, das zum Nachhören auch auf der Ketzer 2.0-Webseite zu finden ist.

Viel Spaß und gute Unterhaltung!

Weiterer Beitrag von Ungläubiger!!

Auch der Betreiber des Youtube-Kanals Ungläubiger!! hat sich schon mehrerer Lesch-Videos angenommen. Hier analysiert und kommentiert er den Lesch-Beitrag zur Theodizee in einem zwanzigminütigem Clip:

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