Religions’bashing? Religiöse Argumentation und alte Rhetorik-Hüte

Lesezeit: ~ 7 Min.

Religiöse Argumentation und ein Lob: Ein/e AWQ.DE-Leser/in hat uns in einem Kommentar seine oder ihre Gedanken zu AWQ.DE verraten. Er oder sie lobt unser „Geschreibe und Gerede“ als intellektuell und eloquent, vielen Dank dafür!

Der Rest des Kommentares enthält religiöse Argumentation mit einer Auswahl wohlbekannter, alter Rhetorik-Hüte.

Religiöse Argumentation: Los gehts mit ad hominem

Ich bezweifle, dass Sie irgendeine Ahnung von Naturwissenschaften oder der Religion haben. Oft ist es doch so, dass man zu einer Sparte gehoert, aber die andere dafuer ueberhaupt nicht versteht.

Ist das oft so? Welcher Sparte gehöre ich Ihrer Meinung nach an und von welcher Sparte habe ich keine Ahnung? Eine persönliche Beleidigung wie die Unterstellung, keine Ahnung zu haben, ist ein bezeichnender Einstieg für eine Argumentation.

Religiöse Argumentation verwendet oft ungültige rhetorischen Tricks, so auch in diesem Kommentar. Eine Übersicht gibts in dieser Übersicht.

Argumentum ad populum und nochmal ad hominem

Wenn ich mir Ihre Webseite so ansehe, treffen Sie genau auf diese Art von Menschen zu, die behaupten, alles vollkommen rational und logisch erklaeren zu koennen und somit jede andere Sichtweise als schlichtweg stumpfsinning und dumm erklaeren. Da hilft auch Ihr intellektuelles und eloquentes Geschreibe und Gerede nicht.

Religiöse Argumentation: Alte Hüte
Religiöse Argumentation: Alte Hüte

Dann haben Sie sich meine Webseite ganz offenbar noch nicht wirklich angesehen. Ich schreibe immer wieder, dass ich mir selbstverständlich nicht anmaße, alles erklären zu können.

Diese Unterstellung ist wahrlich ein ganz alter Hut. Menschen mit einer rationalen Weltsicht behaupten eben nicht, alles erklären zu können. Ganz im Gegenteil, sie finden sich damit ab, dass sehr viel auch heute noch nicht erklärbar ist. Wissenschaft kann vieles nicht erklären. Religion kann nichts erklären.

Mut zur Lücke!

Die Tatsache, dass die wissenschaftliche Erkenntnis trotz unglaublicher Fortschritte gerade in den letzten Jahrzehnten noch viele Lücken aufweist, schafft allerdings keinen Platz für Phantasiewesen, die von Gläubigen wie reale Größen angesehen werden.  Die Verallgemeinerung „diese Art von Menschen“ wird als „Argumentum ad populum“ bezeichnet.

Über die Unterschiede zwischen religiösem Glauben und einer rationalen Weltsicht habe ich schon mal was geschrieben, deshalb hier nur so viel: Religiöser Glaube setzt Denkverzicht voraus. Gläubige müssen Dinge (zumeist sogar wider besseres Wissen) als wahr akzeptieren, die nach aktueller Faktenlage und bis zum Beweis des Gegenteils nicht wahr sind (z.B. Gott existiert). Das Festhalten an offenkundig falschen Behauptungen bezeichnet Wikipedia tatsächlich als „dumm.“

Weder behaupte ich, alles zu wissen, noch bezeichne ich jede andere Sichtweise als „stumpfsinnig und dumm“. Trotzdem kann ich nachvollziehen, dass Ihnen der von mir kritisierte religiöse Standpunkt tatsächlich stumpfsinnig und dumm erscheint, das liegt aber nicht an mir…

Leeres Scheinargument

Dabei haben Sie alle naturwissenschaftlichen Belege selbst aus Buecher, die Sie gelesen haben.

Was soll das denn für ein Argument sein? Religiöse Argumentation hat keine Probleme damit, auch mal blanken Unsinn ins Feld zu führen. Besonders lächerlich macht sich jemand mit diesem Pseudoargument, der seinen Standpunkt auf genau ein (1) Buch aufbaut, das zudem noch aus Mythen, Märchen und Legenden besteht, die zwischen der Bronzezeit und dem Vormittelalter von anonymen Schriftstellern verfasst wurden.

Sowohl Naturwissenschaft, als auch Religion sind Dinge, mit denen man sich beschaeftigen kann, was aber nicht sofort bedeutet, dass man sie dann auch versteht. Das gilt auch fuer studierte Theologen.

Ja und? In einer angemaßten Wissenschaft wie der Theologie spielt es ohnehin praktisch keine Rolle, ob jemand etwas davon versteht oder nicht. Theologen suchen Scheinlösungen für Scheinprobleme. Gegenstand ihrer Forschung ist eine Fiktion, die sie aber nicht hypothetisch, sondern real ansehen. Die Ergebnisse „wissenschaftlicher „theologischer Forschung können deshalb bestenfalls so wertvoll sein wie eine wissenschaftliche Erforschung der Zipfelmützenlänge der Sieben Zwerge.

Atheismus: Eine Entwicklung mittelmäßiger Philosophen?

Der Atheismus wurde von mittelmaessigen Philosophen entwickelt, die hatten weder Ahnung von Religion, noch von Naturwissenschaften.

Atheismus wurde überhaupt nicht entwickelt. Atheismus ist der natürliche menschliche Normalzustand. Jeder Mensch kommt als Atheist auf die Welt. Es handelt sich dabei nicht um eine philosophische Richtung oder um ein Glaubensbekenntnis, was von Gläubigen immer wieder gern behauptet wird.

Um nicht Briefmarken zu sammeln, muss man keine Ahnung von Briefmarken haben. Trotzdem haben viele Atheisten mehr Ahnung von Religion als die meisten Gläubigen, denen die Glaubenslehren ihrer Religion oft so absurd erscheinen, dass sie sich am liebsten gar nicht damit befassen. Besonders kritisches Hinterfragen ist ganz schädlich für religiösen Glauben und erzeugt schlechte Laune, wenn die kognitive Dissonanz zuschlägt.

Religions’bashing vom objektiven Standpunkt aus

Diese Seite ist ohnehin schon dermassen unserioes, weil Sie keinen objektiven Standpunkt haben, sondern rein subjektiv schreiben, handeln und antworten.

Ein Standpunkt ist auch dann objektiv, wenn er erfundene Götter, Geister und Gottessöhne nicht als real anerkennt. Auch diese Unterstellung von Gläubigen ist ein wirklich schon ziemlich alter Hut.

Alles hat nur zum Ziel, „Religions’bashing“ zu betreiben statt sich vernuenftig mit der Thematik, den Problemen und Ansichtsweisen der Religion auseinanderzusetzen.

Es ist genau eben eine vernünftige Auseinandersetzung mit der Thematik, den Problemen und Ansichtsweisen der Religion, die das ganze religiöse Elend ans Licht bringt. Wenn man die Thematik von einem objektiven, rationalen Standpunkt aus betrachtet.

Argumentationsumkehr

Und dadurch, dass sie noch bestimmte Bibelstellen herausnehmen und ohne den zugrunde liegenden Kontext analysieren, zeigt Ihre „wissenschaftliche Vorgehensweise“, die nichts weiteres als Verblendung ist.

Offenbar haben Sie meine Webseite, die Sie hier kritisieren, gar nicht gelesen. Sonst hätten Sie bestimmt bemerkt, dass ich gerade das tue: Ich beleuchte den Kontext von Bibelstellen, die in religiösen Verkündigungen hochselektiv aus dem Kontext herausgepickt worden waren.

Desweiteren liefere ich Bibelstellen, die das Gegenteil dessen aussagen, was in Bibelzitaten von Religionsverkündern steht. Ich rege auch regelmäßig dazu an, selbst in der Bibel zu lesen. Über den unredlichen Umgang mit Bibeltexten gibts mehrere Beiträge, Stichwort Rosinenpicken. Religiöse Argumentation wird sehr oft mit Bibelstellen garniert, die das Argument bestätigen sollen. In zahlreichen Beispielen zeige ich in meinen Artikeln auf, dass praktisch immer Kontext bewusst weggelassen wird, weil die Bedeutung des herausgepickten Satzes oder Halbsatzes sonst nicht mehr die gewünschte Aussage hätte.

argumentum ad ignorantum am Beispiel Kugelschreiber

Ich selbst schreibe das als Naturwissenschaftler und glaubender Mensch. Was die Naturwissenschaft macht ist Dinge zu erklaeren. Sie koennen erklaeren wie ein Kugelschreiber funktioniert, wie er aufgebaut ist, physikalisch-chemische Eigenschaften, Verwendungszweck, koennen zahlreiche Experimente damit durchfuehren usw. Das bedeutet aber nicht, dass es die Person, die den Kugelschreiber hergestellt oder erfunden hat nicht gibt.

Von einem Naturwissenschaftler hätte ich eigentlich nicht ein solch schwaches Scheinargument erwartet. Wer den Kugelschreiber erfunden hat, lässt sich heute sehr einfach herausfinden: Bereits Galileo Galilei hatte einen Vorläufer des Kugelschreibers skizziert. Als Erfinder des Kugelschreibers gilt László József Bíró. Und sicher ist es auch mit wenig Aufwand möglich, den Hersteller eines bestimmten Kugelschreibers zu ermitteln.

Ziel der Wissenschaft ist es nicht, zu belegen, dass es Gott nicht gibt. Auch das ist ein weiterer alter Hut, der von Gläubigen immer wieder gerne vorgebracht wird. In der Beweispflicht ist, wer etwas behauptet, nicht der, der etwas nicht behauptet. Vorstellungen wie die eines Schöpfergottes fallen bis zum Beweis des Gegenteils Ockhams Rasiermesser zum Opfer. Die Existenz des Universums beweist nicht die Existenz eines Schöpfers. Religiöse Argumentation bedient sich immer gern solcher Fehlschlüsse und fehlerhafter Vergleiche.

Ein Wunder wessen…? Oder: Einfach mal was behaupten…

Selbst wenn man Ihnen ein Wunder Gottes vor Augen fuehren wuerde, waere das erste, was Sie tun wuerden, dieses Wunder zu analysieren und solange mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erklaeren, bis sie zufrieden sind. Selbst wenn diese Theorie einfach unzufrieden oder gar irrsinning ist.

Wen oder was verstehen Sie unter „Gott“? Welche Eigenschaften hat Ihr Gott und woher haben Sie Ihr Wissen darüber?

Natürlich würde ich ein „Wunder“ analysieren bzw. Fachleute für die jeweilige Art des Wunders bitten, das Wunder zu analysieren. Ob eine Theorie zufrieden oder unzufrieden ist, spielt für sie keine Rolle, es ist ja nur eine Theorie.

Wann eine Theorie befriedigend ist, hängt wieder mit Ockhams Rasiermesser zusammen. Jede mit wissenschaftlichen Methoden gewonnene Theorie ist auf jeden Fall und bis zum Beweis des Gegenteils weniger irrsinnig als die Annahme eines göttlichen Einflusses. Selbst eine schwache Hypothese oder gar die Erkenntnis, etwas einfach noch nicht zu wissen ist noch besser als an eine Begründung zu „glauben“, die auf einer fiktiven Grundlage basiert.

Dialogbereitschaft? Lieber nicht…

Aus diesem Grund bringt es auch nichts, mit Atheisten zu reden, denn im Gegensatz zu Agnostikern, WEIGERN sie sich, andere Sichtweisen anzunehmen.

Diese religiöse Argumentation besteht durchwegaus alten Hüten. Auch diese letzte Behauptung ist – pardon die Direktheit – unsinnig. Ich bin sofort und auf der Stelle bereit, Ihren Gott als real anzuerkennen, sobald es einen, wenigstens einen einzigen wissenschaftlich belastbaren Beweis für dessen Existenz gibt.

Bis dahin gehe ich davon aus, dass auch Ihr Gott nicht existiert. Ich weigere mich also keinesfalls wie von Ihnen behauptet, andere Sichtweisen anzunehmen – ganz im Gegenteil. Meine Sichtweise ist jederzeit offen für Ergänzungen und Korrekturen. Im Umkehrschluss halte ich es allerdings für unredlich und heuchlerisch, ohne einen Beweis zu tun, als gäbe es Gott und dabei nicht von einer sehr sehr vagen Hypothese (genauer: Illusion), sondern von einer Tatsache auszugehen.

Für die wissenschaftliche Erkenntnis hat es sich bestens bewährt, Hypothesen als Hypothesen zu behandeln und nur Tatsachen als Tatsachen. Und diese auch nur bis zum Beweis des Gegenteils.

Bewährte wissenschaftliche Methode: Falsifizierbarkeit

Ein weiteres bewährtes Instrument in der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung ist die Falsifizierbarkeit. Während religiöse Argumentation nur nach Argumenten für ihre dogmatisch zementierte religiöse Behauptung sucht, bemühen sich Wissenschaftler, Argumente zu finden, die ihre Thesen widerlegen würden.

So stellt sich zum Beispiel die Frage: Welcher Beweis oder welche Beweise würde/n meinen Standpunkt (Gott existiert nicht) widerlegen? Und umgekehrt: Was würden Sie als Beweis ankerkennen, dass Ihr Gott nicht existiert?

Atheismus: Klärung eines unklaren Begriffes

Ein häufig auftretendes Problem ist der Begriff „Atheismus.“ Atheismus wird von Gläubigen (wie auch hier) oft so verstanden, dass Atheisten die Existenz von Göttern kategorisch, quasi dogmatisch ausschließen. Agnostiker sind ihnen da angenehmer, weil die ja der Möglichkeit, dass Gott vielleicht doch existiert, eine gewisse Chance einräumen. Wie oben schon angedeutet, ist Atheismus nicht das Fehlen von etwas. Vielmehr ist es so, dass Theisten die natürliche Realität um erfundene Scheinwesen erweitern.

Wie schon mehrfach in früheren Beiträgen, erkläre ich hiermit gerne nochmal:

  • Ich gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass es keine Götter gibt.
  • Ich kann keinen Einfluss transzendenter, immanenter oder sonstiger überirdischer Wesen erkennen.
  • Alle von Menschen in Religionen verehrten Gottheiten halte ich für menschliche Phantasieprodukte.
  • Meine Kritik gilt nicht Menschen, die in ihrem Privatbereich irreale Dinge für real halten, sondern
    • der öffentlichen Verkündigung von religiösen Scheinwahrheiten, ohne ausdrücklich als solche benannt zu werden
    • den vielfältig negativen Auswirkungen religiöser Wahngedanken allgemein
    • systematischer frühkindlicher Indoktrination
    • staatlicher Subventionierung und Sonderprivilegierung von Kirchen und deren Verflechtung mit dem Staat.
  • Ich glaube an die Entwicklungsfähigkeit des Menschen.

Ich hoffe, dass ich meinen Standpunkt und meine Sichtweise anhand dieses Beispiels für religiöse Argumentation etwas klarer machen konnte.

Alle Leserinnen und Leser sind immer herzlich eingeladen, ihre Gedanken, egal ob Fragen, Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und natürlich auch Kritik über die Facebook-Kommentarfunktion weiter unten auf dieser Seite mitzuteilen.

Weitere, lesenswerte Infos zu den Themen religiöse Argumentation und Dialog mit Gläubigen bietet Volker Dittmar auf seiner Webseite:

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