The crazy world of Kardinal Woelki (2): Maria ist „Zepter der rechten Lehre“

Lesezeit: ~ 7 Min.

Maria ist „Zepter der rechten Lehre“ – Gedanken zum Wahrheitsanspruch von Kardinal Woelki in Sachen „Maria 2.0“

Gerade hatten Frauen in Münster mit einer Protestaktion unter dem Titel „Maria 2.0“ ihre Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit Frauen öffentlich zum Ausdruck gebracht. Offenbar hatten sie irgendeine Bibelstelle gefunden, mit der sie sich die Stelle, in der Frauen im „Wort Gottes“ angewiesen werden, in der Versammlung zu schweigen als nicht (mehr) gültig schönreden konnten:

  • Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden: Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, in der Versammlung zu reden. Ist etwa das Gotteswort von euch ausgegangen? Ist es etwa nur zu euch gekommen?
    (Quelle: 1. KOR 33-36 EU)

Sehr unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen auf den Frauenprotest fiel erwartungsgemäß unterschiedlich aus: Laut der von mir in den Sozialen Medien wahrgenommenen Meinungen begrüßt eine große Mehrheit der Mainstream-Wischiwaschi-Christen den weiblichen Vorstoß. „Endlich tut sich was!“, „…längst überfällig!“, „…viel Erfolg!“ – so und so ähnlich war da in vielen Kommentaren zu lesen.

Ganz anders natürlich der Tenor in der Führungsriege des katholischen Patriarchiats. Die Reaktion der deutschen Bischöfe auf die Initiative beschreibt dieser Beitrag auf domradio.de wie folgt:

  • Die deutschen Bistümer reagieren sehr unterschiedlich auf die Proteste der katholischen Fraueninitiative „Maria 2.0“. Viele zeigen sich zurückhaltend oder gar ablehnend, einige wenige begrüßen den Kirchenstreik ausdrücklich. (Quelle: Beitrag ‚“Maria 2.0″ und die Reaktionen der Bischöfe – Zwischen Verständnis und Zurückhaltung‘ auf domradio.de, abgerufen am 22. Mai 2019, 9:30 Uhr)
The crazy world of Kardinal Woelki (2)
The crazy world of Kardinal Woelki (2)

Diese Formulierung finde ich erstaunlich. Denn die Beifügung „gar“ hätte ich eher vor dem „ausdrücklich“ erwartet als vor dem „ablehnend“

Dann hätte die Gewichtung jedenfalls besser zu dem gepasst, was Kardinal Woelki jetzt in einem Bericht von sich gab, der von Maximilian Lutz verfasst und am 20. Mai 2019 auf „Die Tagespost“ (das sind die mit dem Motto: „Klarer Kurs, katholischer Journalismus“) veröffentlicht worden war.

Schon in der Vergangenheit hatte Herr Woelki immer wieder Ideen und Ansichten veröffentlicht, die den Verdacht nahelegen, er nutze sein vom Staat gezahltes, fürstliches Gehalt vielleicht nicht zur Steuer-, aber auf jeden Fall zur Realitätsflucht.

Und auch diesmal enttäuscht Kardinal Woelki sein (männliches) Publikum nicht.

Der Artikel verrät einiges über Woelkis Selbsteinschätzung und über seine Ansichten zum Thema Wahrheit. Und natürlich über sein Frauenbild.

Noch viel mehr als die unverschämten Forderungen der Frauen scheint ihn der Umstand zu ärgern, dass sich diese bei ihrem Protest auf Maria berufen. Auf SEINE Maria!

Das darf natürlich nicht sein. Wo kommen wir denn da hin, wenn jetzt die, deren erste Vertreterin der Menschheit die Erbsünde eingebrockt hatte (wofür jemand, der sich erlösungsbedürftig fühlen möchte, Frauen ja eigentlich lebenslänglich zutiefst dankbar sein müsste), Maria für ihre Forderung instrumentalisieren, sich gleichrangig mit Männern (!) Gott unterwerfen zu dürfen!?

Niemals!

Und damit niemand auf die Idee kommt, die Gottesmutter könne eine geeignete Fürsprecherin für das profane Weibsvolk sein, stellt Woelki erstmal klar, was seine biblische Maria von den sündigen, unreinen Weibern unterscheidet:

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich deutlich gegen „Maria 2.0“ positioniert. In seiner Predigt […] bezeichnete er Maria jüngst als „Zepter der rechten Lehre“ und „Überwinderin der Irrlehren“. Die Gottesmutter sei zudem „Dienerin der Wahrheit. Sie leuchtet uns als Meeresstern voran auf unserem Pilgerweg und wirft strahlen ihres Lichtes auf uns“. (Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Maximilian Lutz via die-tagespost.de: ‚Kardinal Woelki: Maria ist „Zepter der rechten Lehre“‘, abgerufen am 22. Mai 2019, 9:30 Uhr)

Soweit, so irrelevant. Wie sich Herr Woelki sein vermutlich zur Idealvorstellung älterer Männer voller unerfüllter Sehnsüchte stilisiertes Frauenbild zurechtphantasiert, sei selbstverständlich ihm selbst überlassen.

Hardcore statt Mainstream: Verstrahlt von der Gottesmutter

Faktisch macht es keinen Unterschied, welche Eigenschaften Herr Woelki „seiner“ Maria andichtet. Genauso könnte er zum Beispiel auch behaupten: „Maria isst gerne Mon Chéri®, arbeitet halbtags in einer Schreinerei, trägt seit letzter Woche eine modische Kurzhaarfrisur und trifft sich ab und zu mit Elvis Presley.™ Jeden ersten Samstag im Monat besucht sie den Gottesmütterstammtisch.“

Das alles wäre genauso plausibel und nicht wiederlegbar wie jede beliebige andere Behauptung über jede beliebige „Gottesmutter.“ Denn alle diese Behauptungen entspringen bis zum Beweis des Gegenteils ausnahmslos menschlicher Phantasie. Und in der Phantasie ist alles möglich.

Nur, und jetzt kommt der Haken, unterscheidet Kardinal Woelki ja nicht zwischen seiner religiös erweiterten Phantasie- und der tatsächlichen Welt.

Der Kölner Erzbischof ging in seiner Predigt nicht wörtlich auf die Protestbewegung ein, erklärte jedoch, dass man in Bödingen nicht einer „Mainstream-Maria“ begegne. „Hier in Bödingen begegnen wir dem Original. Hier begegnen wir einer Maria, die nicht irgendwelche Wahrheiten verkündet. Hier begegnen wir einer Maria, die nicht verwendet wird zur Durchsetzung kirchenpolitischer Überlegungen.“

„Irony hits so hard“, sagt man da wohl im englischen Sprachraum. Herrn Woelkis Maria verkündet nicht irgendwelche Wahrheiten. Sondern natürlich die, die er für wahr hält. Die Woelki-Wahrheit.™

Und wozu? Na ganz einfach: Zur Durchsetzung kirchenpolitischer Überlegungen. Seiner kirchenpolitischen Überlegungen. Nix Mainstream. Katholizistisches Patriarchiat.

Diese Art der Argumentation erinnert an Strategien, wie sie von Kindern im Kindergartenalter gerne verwendet werden: „I-hiich hab Reee-eecht, aaaaa-aaber duuu ja niiicht…!“

Nicht irgendwelche Wahrheiten… sondern die, die ich als Wahrheit festlege!

Herr Kardinal Woelki wähnt sich also im Besitz der „wahreren“ Wahrheit. Na, dann schauen wir doch mal, wie er diesen seinen Wahrheitsanspruch denn begründet:

Maria stehe für die überzeitlichen Wahrheiten. „Für die Wahrheiten, die wesentlich sind für unser Leben, weil sie entscheidend sind für das Heil unseres Lebens, für das Heil unserer Seele“, so Kardinal Woelki.
Bei der überzeitlichen Wahrheit, so Woelki weiter, handele es sich um eine „Wahrheit, die wir nicht selbst machen, die wir nicht selbst schaffen können, die wir uns nicht ausdenken, sondern einer Wahrheit, die wir geschenkt bekommen haben, nicht irgendwoher, nicht von irgendwem, sondern die uns geschenkt ist von Gott selbst, die uns von ihm her offenbart ist“.

Ausnahmslos alles an dieser Begründung ist so dermaßen abstrus und spätestens bei Licht betrachtet so offensichtlich absurd, dass ich meinem Publikum und mir eine detallierte Betrachtung an dieser Stelle erspare: Wer solche Ideen ernsthaft für sinnvoll oder plausibel hält, der dürfte seine Ansichten vermutlich sowieso schon wirksam gegen rationale Argumente rundum-immunisiert haben.

Nur so viel: Es ist (unter anderem) genau diese klerikale Arroganz, mit geradezu schlafwandlerischer Selbstsicherheit vorzugeben, sich im Besitz einer höheren, überlegenen Wahrheit zu befinden, obwohl man dies nur mit einem guten Draht zu einem fiktiven magischen Himmelswesen (oder zumindest mit einem „richtigeren“ Verständnis der über dieses Wesen erfundenen Mythen) begründen kann, die mir Menschen wie Kardinal Woelki so unsympathisch macht.

Meme Wahrheit suchen

Männerphantasien, Geschwurbel…

Des Kaisers neue KleiderDazu diese immer gleichen lauwarmen, strümpfigen, halbseidenen, seicht-glibberig-vernebelnden theologischen Hohlphrasen wie „…die uns geschenkt ist von Gott selbst, die uns von ihm her offenbart ist.“

Mit dem Wirken oder den Absichten von imaginären Entitäten lässt sich redlicherweise nichts in einen ursächlichen Zusammenhang bringen. Bei Herrn Woelkis Behauptungen handelt es sich um menschliche Phantasien, Einbildungen und Wunschvorstellungen.

Egal, welche Namen wir für „Maria“ und „Gott“ in Woelkis Behauptungen einsetzen: Es ändert sich faktisch nichts. Bis zum Beweis des Gegenteils ist die Behauptung, dass irgendetwas „uns geschenkt ist von Gott selbst“ oder dass etwas „von ihm her offenbart“ ist, schlicht gelogen. Hier verwechselt einer Wunsch und Wirklichkeit. Und tut so, als wüsste er was, das er nicht wissen kann.

Dies sei eine Wahrheit, die frei mache, da sie aus aller Enge der menschlichen Irrlehre hinausführe, hinein in die Weite Gottes. „Gott selbst hat uns Maria als Dienerin dieser Wahrheit geschenkt, um uns durch sie zur Wahrheit zu führen.“

Wie praktisch für Woelki, dass die biblischen Mythen und Legenden vor rund 2000 Jahren und früher von Männern verfasst wurden, die zufällig eine ähnliche Einstellung Frauen gegenüber gehabt haben müssen wie er.

So kommt er nicht in die Verlegenheit, ein modernes Frauenbild in diese Geschichten hineininterpretieren zu müssen. Er kann einfach das katastrophale biblische Frauenbild zur „wahren“ und alles andere zur „Irrlehre“ erklären. Steht ja so in der Bibel. Von Gott den Menschen genau so geschenkt, geoffenbart. So einfach ist das. Soll eine/r erstmal das Gegenteil beweisen! Wofür ist man schließlich Kardinal!

…und die krass verzerrte Wahrnehmung von Kardinal Woelki

An Maria werde sichtbar: „Bei der Menschwerdung Gottes nahm Gottes Sohn in ihr Wohnung.

Was für eine verachtende, erniedrigende Ausdrucksweise! Es scheint für Menschen wie Kardinal Woelki unerträglich zu sein, dass Männer auf Frauen angewiesen sind, um geboren werden zu können. Igitt.

Betrachtet man die in der biblischen Mythologie geschilderten Vorgänge ohne religiöse Vernebelung, so wird an Maria eher sichtbar, dass es der liebe Gott augenscheinlich für eine gute Idee gehalten haben muss, seinen Sohn vermittels einer Auftrags-Vergewaltigung einer liierten Minderjährigen „in die Welt zu schicken.“

So unterschiedlich kann die Interpretation eines geschilderten Sachverhaltes ausfallen. Welche der beiden Deutungen wohl plausibler ist…?

Jetzt lebt sie verklärt im Himmel, ganz von Gott erfüllt, von seinem Licht und seiner Freude ganz durchflutet.

Für die Verbreitung solcher, vermutlich unerfüllten Männerphantasien kassiert ein Kardinal wie Woelki vom Staat (!) ein  (wenn ich richtig informiert bin) B10-Gehalt, also über 14.000 Euro monatlich. Ohne Kinder- und Ortszuschlag.

Das ist der eigentliche Skandal, Herr Kardinal Woelki.

Und nicht das Verhältnis des Kardinals zur Wirklichkeit, zu Frauen oder zu seiner Gotteseinbildung. Wobei freilich auch diese Punkte mehr als genug Anlass für kritisches Hinterfragen liefern, wie auch in diesem Beitrag wieder zu sehen ist.

“ Viele Menschen seien heute auf der Suche nach Sinn und nach Orientierung, nach Wahrheit, nach Licht und Leben, meinte der Kölner Erzbischof. „Und damit ist sie das große Zeichen am Himmel, das uns auch in der Wirrnis unserer Tage Orientierung schenkt.“

Quelle: gbsWenn Herr Woelki mit „uns“ sich und Seinesgleichen meint, dann mag er richtig liegen. Denn dieser Personenkreis aus älteren, sexuell offiziell enthaltsam lebenden Männern mit schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität und dem menschenverachtenden Frauenbild des Vormittelalters orientieren sich sicher gerne an der dafür wie gemachten biblisch-christlichen Mythologie. Die ja von Ihresgleichen verfasst worden sein muss.

Keine Zeichen am Himmel: Wie geht’s weiter?

Alle anderen, die „heute auf der Suche nach Sinn und Orientierung, nach Wahrheit, nach Licht und Leben“ sind, brauchen keine fiktiven „Zeichen am Himmel“ mehr. Was die seit Jahren kontinuierlich und aus Kirchensicht dramatisch steigende Zahl der Kirchenaustritte belegt. Göttliche oder gottesmütterliche „Zeichen am Himmel“ sind menschliche Hirngespinste. Einbildungen, geboren aus Unwissenheit, Angst und hoffnungsvoll erscheinender Illusion.

Was ich mir allerdings nach wie vor nicht erklären kann: Was um alles in der Welt bewegt Frauen dazu, für eine Aufnahme als „vollwertig dienende Mitglieder“ ausgerechnet in der katholischen Kirche zu protestieren?

Für die Zukunft der katholischen Kirche sehe ich nur zwei mögliche Wege. Der eine führt in die Beliebigkeit, wie das bei der EKD schon länger zu beobachten ist. Und der andere führt in rückwärtsgewandten, weltfremden Fundamentalismus. Auch hierfür finden sich Beispiele in allen Konfessionen.

Und wenn das Fundament von Fundamentalisten eine religiöse oder sonstige Ideologie darstellt, ist immer größte Vorsicht geboten. Besonders dann, wenn diesen eine milliardenschwere staatliche Alimentierung und umfassende Sonderprivilegierung, sowie ein Lobbynetzwerk wie das des Milliardenkonzerns katholische Kirche zur politischen und gesellschaftlichen Einflussnahme zur Verfügung steht.

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.

FacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmail

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

1 Gedanke zu „The crazy world of Kardinal Woelki (2): Maria ist „Zepter der rechten Lehre““

  1. Das Wortgepansche des Bischofs ist etwa so überzeugend wie das Gestammel eines Schamanen in den Urwäldern Afrikas! Er kann damit zwar nicht die Welt bewegen, aber immerhin seine blindgläubigen Schäfchen beeindrucken. BIschöfe verkünden bis an ihr Lebensende, was man ihnen als Zehnjährige eingetrichtert hat.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Ressourcen

Gastbeiträge geben die Meinung der Gastautoren wieder.

Wikipedia-Zitate werden unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike veröffentlicht.

AWQ unterstützen

Jetzt einfach, schnell und sicher online bezahlen – mit PayPal.

Wir haben, wenn nicht anders angegeben, keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

Neuester Kommentar