Olympia 2024: Die Kirche blamiert sich selbst, ihre Mitglieder, und alle, die sie kennen

Lesezeit: ~ 4 Min.

TV-Pfarrerin Anke Prumbaum und Bischof Oster giften gemeinsam gegen die bunte Eröffnungsfeier in der Kulturweltstadt Paris.

Ein Gastbeitrag von Jörn Dyck ergänzend zum „Wort zum Wort zum Sonntag – Viel mehr als Sport“ vom 27. Juli 2024

Was für eine Blamage! Da lädt die Kulturweltstadt Paris ein zu einem rauschenden Fest der Bilder und Musik — und schon plärren zwei Hinterbänkler der deutschen Kirchen lauthals dazwischen und geben Ratschläge, wie man solche Veranstaltungen bei ihnen zuhause in Klein-Kleckersdorf veranstaltet hätte: nämlich viel besser.

Offenbar bestand der große Fehler der Organisatoren darin, sich nicht vorher bei Anke Prumbaum erkundigt zu haben, wie man moderne Kunst auf internationalem Niveau inszeniert. Davon versteht die Krankenhaus-Seelsorgerin, die regelmäßig die TV-Zuschauer mit ihrem biederen »Wort zum Sonntag« zum Einschlafen bringt, nämlich ganz besonders viel. Auch seine hochwürdige Exzellenz, Bischof Oster aus Passau, drängt sich immer in die erste Reihe, wenn er eine Chance wittert, gegen die Verderbtheit der Welt zu wettern.

Natürlich, Kunst darf man immer kritisieren. Aber die Eröffnungsfeier ist keine Kunstausstellung, sondern ein Fest der Kultur und der Kulturen. Wir waren eingeladen als Freunde und Gäste. Folglich müssen wir uns als Freunde und Gäste benehmen, nicht als Besserwisser oder Sittenpolizei. Es geht nicht darum, wer recht hat. Sondern dass man Gastfreundschaft erwidert.

Wohlgemerkt, Frau Prumbaum kritisiert nicht die Details einer bestimmten Performance. Diese kommen in ihrer Ansprache nicht vor. Sondern sie sagt, es fehle den Franzosen an Anstand. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir können froh sein, dass die Franzosen uns nicht kurzerhand vor die Tür setzen. Zum Vergleich: Als ein niederländischer Teilnehmer beim letzten Eurovision Song Contest ein rüdes Benehmen gegenüber einer Kamerafrau an den Tag legte, wurde er selbst und sein Team umgehend rausgeworfen. Hasta La Vista, Baby!

Der Skandal

Auslöser war offenbar eine kurze Szene, die als eine Nachstellung des »Abendmahls« empfunden wurde. Das ist vermutlich eine falsche Interpretation, oder wenigstens nicht die einzig mögliche. Denn gezeigt wurde der Gott des Weines, Dionysos. Er saß auf einem Tablett zusammen mit Efeu- bzw. Weinranken und Weintrauben. Wikipedia schreibt: »Meist wird Dionysos mit Efeu- bzw. Weinranken und Weintrauben dargestellt«.

Generell wurden Motive verwendet, die etwas mit Frankreich zu tun haben. Dazu gehört Mode (deswegen die Modenschau), und dazu gehört auch französischer Wein (deswegen der Gott des Weines). Das Christentum hat in Frankreich nicht diesen Rang. Das können sich Kirchenvertreter nicht vorstellen. Für sie, ausgehend von deutschen Verhältnissen, steht die Kirche immer im Mittelpunkt — und falls nicht, muss eine Teufelei dahinterstecken.

Ein Abendmahl kennen fast alle größeren Kulturen in ihren Mythen und Erzählungen — auch Dionysos, dort ausdrücklich mit Brot und Wein. Das Christentum enthält ohnehin fast keine eigenen (originalen) Ideen, sondern die großen Szenen stammen alle aus anderen Göttersagen. Übrigens auch die zwölf Apostel.

Aber selbst wenn es sich um das christliche Abendmahl gehandelt haben sollte, wäre nicht einsichtig, warum die christlichen Kirchen es als ihr persönliches Eigentum betrachten dürften. Weltberühmt ist das Wandgemälde von Leonardo Da Vinci, bei dem Jesus in der Mitte und die Apostel ordentlich aufgereiht an einem Tisch sitzen. Die Kirche ist offenbar der Ansicht, niemand dürfe eine solche Szene darstellen oder ohne schriftliche Erlaubnis von Frau Prumbaum verändern.

In Wahrheit ist aber das Wandgemälde nur entstanden, weil Leonardo Da Vinco viele Gemälde mit gleichem Motiv als Vorlage kannte. Er nahm sich nach freien Stücken das heraus, was ihm gefiel, lies anderes weg, fügte eigene Aspekte hinzu, und schuf daraus ein eigenes Werk. Nur weil die Kunst frei ist, nur weil sie alles verändern, neu anordnen und neu kombinieren darf, entstehen hin und wieder großartige Kunstwerke.

Modehauptstadt Paris

Was die christlichen Kritiker eigentlich meinen, ist nicht das Abendmahl. Sondern was sie meinen, sind die Personen, mit denen es dargestellt wurde. Es war ein kunterbunter Haufen. Die Künstler wollten aus möglichst vielen interessanten Mosaiksteinchen ein unterhaltsames Bild schaffen — eine Wundertüte voller Überraschungen. Der Zuschauer trat ein in die verrückte Welt der Mode: Absurde Kombinationen, witzige Tabubrüche und harmlose Provokationen sind hier ein bewusstes Stilmittel, keine Panne.

Als deutsche Wurst verstehe ich davon nicht viel. Die Grenzen meiner modischen Welt verlaufen irgendwo zwischen Karstadt und C&A. Aber wenn ich als Zuschauer eingeladen werde in die Modehauptstadt der Welt, dann freue ich mich daran, dass ich diesen Wahnsinn ansehen darf. Ich mache mich nicht sofort zum Maßstab. Ich darf es zwar schräg finden, oder albern, oder verrückt; vielleicht auch grandios, oder toll, oder inspirierend. Aber ich kann doch nicht zu einer Modenschau gehen (in Paris!) und als deutsche Wurst den Leuten dort erzählen, sie sollten damit aufhören oder sich nach meinen Vorstellungen richten. Das ist einfach schlechtes Benehmen.

Mit der Mode kann ich nichts anfangen, aber, Maria und Josef!, die unbekümmerte Freude dieser bunten Freaks ist um Welten netter anzuschauen als die miesepetrige Freudlosigkeit der grauen Kirchenvertreter mit ihren braven Topfschnitt-Frisuren. Und nichts repräsentiert diese nach feuchten Mottenkugeln riechende Spießigkeit besser als das »Wort zum Sonntag«, mitsamt seinen asexuellen Darstellern. Ihr verlogen-süßliches Dauerlächeln ist auch nichts anderes als eine Inszenierung. Aber die Freaks auf dem Laufsteg waren darin wenigstens ehrlich und kreativ.

Drag-Queens

Es ist hilfreich, dass die ARD und die zwei großen Kirchen ihre Haltung zu Drag-Queens nochmal auf den Punkt gebracht haben. Die katholische Haltung verstehe ich so: Nein, man soll sie nicht sofort totschlagen. Die evangelische Haltung scheint da weitaus positiver: Wir haben nichts gegen Drag-Queens, solange wir sie nicht sehen müssen.

Die ARD ist zwar gesetzlich gezwungen, den sittenwidrigen Inhalt der Kirchen zu senden. Aber sie hätte genügend Möglichkeiten, sich davon zu distanzieren, wenn es nötig sein sollte. Sie muss nicht schweigen. Tut sie es dennoch, darf man sie daran messen. Sittenwidrig sind die Inhalte deswegen, weil sie den in Deutschland üblichen Sitten zuwider laufen. Die übliche Sitte in Deutschland ist, dass Drag Queens überall hingehen dürfen. Sie dürfen nebeneinander hinter einem Laufsteg sitzen, sogar dann, wenn das aussehen sollte wie ein Gemälde von Leonardo Da Vinci. Das ist nirgends in Deutschland strittig, außer bei der NPD und bei den zwei christlichen Kirchen — nur mit dem Unterschied, dass die Mitglieder der NPD ohnehin nicht wissen, wer Leonardo Da Vinci ist.

Die Drag-Queens besitzen etwas, was den Kirchen komplett fehlt: Humor. Ihre Verwandlungskünste sind immer verbunden mit einem Augenzwinkern, mit einem Schalk. Das hat Größe. Es braucht auch Mut. Das respektieren die Leute. Und Respekt ist genau das, was die Kirche lange verloren haben.

Jörn Dyck

Jörn Dyck (Webseite) ist Autor der Bücher »Ist der Papst ein Betrüger?« und, ganz neu, »Die Morde der Bibel«.

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7 Gedanken zu „Olympia 2024: Die Kirche blamiert sich selbst, ihre Mitglieder, und alle, die sie kennen“

  1. Unsere christlichen Kirchen bei der „Arbeit“…
    Ich habe mir die Eröffnungsfeier angesehen. Bei der angemeckerten Szene dachte ich an ein Bacchanal. Das diese auch als Nachbildung des „Abendmahl“ von L.d.Vinci gesehen werden kann, habe ich erst gemerkt, als sich die Kirchen darüber beschwerten.
    Tja, so kann man sich täuschen 😉

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  2. Das Entlarvenste an diesem als letztes Abendmahl interpretierten Schauspiel ist der altbekannte Vorwurf der christlichen Frömmler und reaktionären Kleriker:
    Ja, das trauen die sich bei der christlichen Religion, aber den Islam zu beleidigen, dafür sind sie zu feige.
    Entlarvend ist das deshalb, weil sie sich im Grunde genau das als Reaktion auf die „Blasphemie“ wünschen würden, was noch heutzutage Islamisten bevorzugen, wenn ihre Religion „beleidigt“ wird: nämlich nackte Gewalt.
    Die wünschen sich nämlich die gute, alte Zeit zurück, in der noch die Scheiterhaufen gebrannt haben und man die Religion noch ernst genommen hat.

    Aber wir brauchen ja gar nicht in die Vergangenheit zurückzugehen, wenn wir sehen, dass es christliche Länder in Afrika gibt, die Homosexualität mit drakonischen Strafen belegen – bis hin zur Todesstrafe.

    Ein Hoch auf die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution, mit denen und durch diese der christlichen Religion – zumindest in Europa – die blutigen Krallen gestutzt wurden!

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  3. Liebe Frau Prumbaum,

    wer wie Sie an eine jungfräuliche Geburt, an Engel und heilige Geister, eine Auferstehung von den Toten und an ein übernatürliches Fabelwesen glaubt, sollte sich tunlichst mit der Kritik an Kunst, die Sie nicht verstehen, zurückhalten.
    Das einzige wovon Sie mMn offensichtlich Ahnung haben, ist christlich verklärtes und sinnbefreites Geschwätz.

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  4. Wenn uns gewisse Kirchenfürsten schon eine Diskussion um „das Abendmahl“ aufdrängen, dann wollen wir uns doch mal mit dem tatsächlichen, d.h. mit dem was uns die christlichen Priester als tatsächlich verkaufen, befassen. Also mit den Texten in den Evangelien. Nur in dreien wird die Szene mit dem Brotbrechen überhaupt erwähnt, Johannes scheint vom Heiligen Geist über diese für die Liturgie doch so wichtige Begebenheit nicht informiert worden zu sein. Bei Lukas heißt es ausdrücklich, dass die ganze Gesellschaft zu Tisch LAG. Also ganz anders „aufgestellt“ war als es dieses Gruppenbild mit Jesus, das L.d.V. gemalt hat, suggeriert.
    In diesem Bild hat Jesus übrigens weder Brot noch Kelch in der Hand, also stellt es gar nicht diese Kernszene des Abendmahlritus dar. Einige der Apostel schenken denn auch ihrem Guru wenig Beachtung. Der an Jesu linker Seite scheint ihm drohend den Zeigefinger zu zeigen. Und auf seiner rechten Seite spielt sich offenbar die Szene ab, die bei Johannes geschildert wird:
    „23 Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. 24 Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche. 25 Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?“
    Um sich auf die Sprachebene des Papstes zu begeben: ist das jetzt schwuchtelig oder ist das stockschwul ?

    Vielleicht verlangt Kardinal Burke dereinst auch von L.d.V. eine kniefällige Entschuldigung. Mit 2 weiteren Kardinälen und 24 Bischöfen, mehrheitlich aus den USA, hat er dies in einem offenen Brief an das IOC verlangt, berichtet vaticannews. In wahrlich Trump’scher Manier schwelgen er und die anderen Unterzeichner in maßlosen Übertreibungen.
    »„Mit Entsetzen (!) hat die Welt (!) verfolgt, wie die Olympischen Sommerspiele in Paris mit einer grotesken und blasphemischen Darstellung des letzten Abendmahls eröffnet wurden (!)“, heißt es in dem Schreiben, über das zunächst das katholische private Mediennetzwerk CNA/EWTN am Freitag (Ortszeit) berichtete. Es sei schwer zu verstehen, wie jemand den Glauben von mehr als zwei Milliarden Menschen absichtlich so verhöhnen (!) könne. Die Bischöfe, überwiegend US-Amerikaner, fordern „im Namen aller (!) Christen“, dass das IOC „diese gotteslästerliche (!) Handlung“ zurückweist und sich bei allen Gläubigen entschuldigt. „Allerdings bedroht diese verabscheuungswürdige Aktion Menschen aller Glaubensrichtungen, da sie Machthabern die Möglichkeit eröffnet, mit Andersdenkenden nach Belieben zu verfahren.“« (Ausrufungszeichen von mir)
    Zwar ist man im Vatikan lediglich „betrübt“ aber man sollte auch diese Stimmen nicht unter den Teppich kehren, repräsentieren sie doch einen erheblichen Anteil stockkonservativer Berufsgläubiger. Wie absurd ist die Folgenabschätzung die da im letzten Satz des Zitats formuliert wird ?!. Und gewiss haben diese Leute nicht das Mandat, für alle (!) Christen (!) zu sprechen. Noch nicht mal haben sie das Mandat, für alle Katholiken zu sprechen. Katholische Bischöfe verdanken ihr Amt schließlich nur ein paar Amigos unter ihresgleichen, den Kultbeamten des gehobenen Dienstes. In einem undurchschaubaren Prozess, der jede Verschwörungstheorie rechtfertigt, werden diese milliardenschweren Posten oft genug auch gegen den Willen der Gläubigen eines Bistums verschoben.

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  5. Sollte sich das IOC, die Bürgermeisterin von Paris, der Präsident der Republik Frankreich und der Veranstalter des „Letzten Abendmahls“ mitsamt seinen Darstellern nicht spätestens bei der Abschlussfeier in aller Form und Demut für diese ungeheuerliche Verletzung religiöser Gefühle entschuldigen, so wird die RKK mit folgenden Schritten darauf reagieren:
    – Exkommunikation aller Angesprochenen und Beteiligten mit römisch-katholischem Glauben
    – nachdrückliche Forderung auf Wiederholung der Olympischen Spiele, dann aber im Vatikan, natürlich auf Kosten der Allgemeinheit – am besten im Heiligen Jahr 2025; dafür wird ja ohnehin schon halb Rom umgebaut
    – dann aber kein Frauenboxen mehr, dafür als neue Disziplinen Marathon-Dauerbeten, Rosenkranzschnellbasteln und Weihwasserweitspritzen
    – konsequenterweise Aberkennung aller Medaillien – ausgenommen die der amerikanischen und britischen Jungferninseln und der Cayman Islands (wg. Konten auf denselben)
    – als weitere Sanktion die nächsten Winterspiele in Lourdes, ersatzweise in Einsiedeln in der Schweiz

    Ach, wär` das schön.

    Satire aus!

    Ich befürchte tatsächlich, dass Herr Bach und das IOC sich irgendwas einfallen lassen, um die lautstarken, ja geradezu hysterischen, fundamental-katholischen Gemüter zu besänftigen.

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  6. Auch hier ändern sich die Zeiten. Früher hätten die christlichen Moral- und Sittenverfallsexperten gegen Outfit und Auftreten der Sprinterinnen oder Beachvolleyballerinnen gestänkert. Das trauen sie sich heute nicht mehr.

    Also: Dranbleiben, liebe Atheisten und Religionskritiker – steter Tropfen höhlt auch christliche Steine.

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