Frohe Botschaft aus Fulda: Bischof Algermissen überbringt Osterbotschaft zum letzten Mal – Thema: Aktive Sterbehilfe

Lesezeit: ~ 6 Min.

Trotz des Themas „aktive Sterbehilfe“ – frohe Botschaft aus Fulda: Bischof Algermissen überbringt Osterbotschaft zum letzten Mal – Gedanken zu einem Beitrag von Osthessennews vom 1.4.2018

„Immer wieder versuchen Gruppen und Interessenverbände in der Gesellschaft die Meinung durchzusetzen, dass wie in anderen europäischen Ländern eine ‚aktive Sterbehilfe‘ ermöglicht wird.*

Die „Gruppen und Interessenverbände“, die sich für selbstbestimmtes Leben und Sterben in Würde einsetzen, vertreten keine exotische „Meinung“, wie es angesichts einer solchen Formulierung vielleicht erscheinen könnte.

74% befürworten aktive Sterbehilfe

Laut dieser Umfrage von yougov.de im Oktober 2015 befürworten 74% (!) der Befragten die aktive Sterbehilfe. Nur 16% lehnen sie ab, der Rest machte keine Angabe.

Herr Algermissen vertritt also, basierend auf biblisch-christlicher Göttermythologie, die Einstellung einer kleinen Minderheit.

Dass die Kirchenlobby nach wie vor hierzulande trotzdem noch so viel Einfluss hat, dass sie auf die Freiheit und Würde aller Menschen übergriffig werden kann, halte ich für einen der größten Skandale für einen Säkularstaat wie Deutschland.

Anders als dieser Begriff suggeriert, geht es dabei nicht darum, Menschen beim Sterben zu helfen, sondern ganz bewusst und gezielt darum, ihren Tod herbeizuführen.“

Anders als von Herrn Algermissen hier suggeriert, sind die Begriffe „assistierter Suizid“ und „aktive Sterbehilfe“ klar definiert, um hier sprachlich genau differenzieren zu können.

Auch aktive Sterbehilfe kann beim Sterben helfen

Auch wenn es das in der Vorstellungswelt von Herr Algermissen wahrscheinlich nicht geben darf: Selbstverständlich kann auch die ganz bewusste und gezielte Herbeiführung des Todes einem Menschen auf dessen ausdrücklichen Wunsch und unter bestimmten Umständen beim Sterben helfen.

Für österliche Christen sei „aktive Sterbehilfe“ keine Möglichkeit, sondern einzig intensivste Sterbebegleitung.

Soweit, sogut. In einer offenen und freien Gesellschaft muss jede/r selbst über das eigene Leben und auch über dessen Ende bestimmen können.

Es ist wohl eine der privatesten Privatangelegenheiten, ob sich jemand – egal ob aus österlich-christlichen oder beliebigen anderen Gründen – für „intensivste Sterbebegleitung“, für assistierten Suizid oder für aktive Sterbehilfe entscheidet.

Unerträgliche Anmaßung

Nur: Dass ein (zudem noch vom Staat fürstlich bezahlter) Kirchenfunktionär meint, seine, auf biblisch-christlicher Mythologie basierende Einstellung zu diesem Thema müsse für alle Menschen gelten, halte ich für eine unerträgliche Anmaßung.

Man dürfe „nicht kneifen“, wenn in der eigenen Nähe jemand den letzten Weg gehe.

Sterbehilfe ist das Gegenteil von „kneifen.“ Es ist die Respektierung einer persönlichen Entscheidung, die persönliche Freiheit und Würde betreffend.

[…] Eine große moralische Niederlage wäre es, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen dafür nicht zu schaffen, gab Algermissen in seiner letzten Osterpredigt zu bedenken.

Was für eine verquere Weltsicht des Fuldaer Bischofs. Niemand stellt die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine Palliativversorgung in Frage.

Die Kritik gilt der klerikalen Übergriffigkeit auf die Würde und Freiheit von Menschen, die sich für sich für einen anderen Weg entscheiden.

Moralische Niederlage für einen Säkularstaat

Ich halte es für eine große moralische Niederlage, dass der Kirchenkonzern selbst 2018 noch eine Regelung der aktiven Sterbehilfe, wie sie modernen ethischen Standards (und nebenbei auch der Einstellung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung) entsprechen würde, verhindern kann.

Sterbebegleitung sei im Gegensatz zu „aktiver Sterbehilfe“ eine konkret erfahrbare Lebenshilfe. „Es ist wirklich hilfreich, an der Hand eines anderen Menschen und also nicht einsam sterben zu können, aber niemals durch dessen Intervention.“

Was für eine zynische, überhebliche Heuchelei. Was ein Herr Algermissen in dieser Situation für hilfreich hält und was nicht, ist einzig seine persönliche Privatangelegenheit. Und seine diesbezügliche Entscheidung, die ihm niemand streitig macht, betrifft lediglich sein eigenes Leben.

Genau die von der Kirchenlobby veranlasste Kriminalisierung der aktiven Sterbehilfe ist es doch, die Betroffene wie Sterbehelfer gleichermaßen völlig unnötigerweise in große Nöte bringen kann.

Wers mag…

Die Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus sei besonders in denen zu erkennen, „die leiden und sterben, Angst haben vor dem letzten Weg und keinen Ausweg mehr kennen“.

So absurd eine solche Vorstellung einem klar denkenden Menschen erscheinen mag: Wer für sich entscheidet, dass es für ihn irgendwie hilfreich oder erstrebenswert sei, wenn in ihm eine mythologische Romanfigur zu erkennen sei, während er leidet und stirbt, wer Angst haben möchte vor dem letzten Weg, der möge eben leiden und sterben und Angst haben vor dem letzten Weg.

Er kann sich ja dann damit trösten, dass es Menschen wie Bischof Algermissen gibt, die in ihm dann Jesus Christus himself erkennen können.

Diese Erhebung menschlichen Leidens zur frommen Tugend ist in bestimmten christlichen Ausprägungen häufig anzutreffen. Als Vorreiterin dieser inhumanen, bizarren Einstellung ist „Mutter Teresa„, der „Todesengel von Kalkutta“ zu nennen.

Es erstaunt kaum, dass heute nur noch eine Minderheit solche sado-masochistischen Anwandlungen pflegt.

Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole: Ich halte es für ein Unding, dass sich die Kirche anmaßt, eine gesetzliche Regelung zu verhindern, die Menschen einen würdevollen, selbstbestimmten Tod ermöglichen würde.

Häme und Spott

[…] „Wir spüren, wie sich das Klima in der Öffentlichkeit geändert hat. Zeichen dafür sind zum Beispiel eine oft hämische und destruktive Kirchenkritik in den Medien und eine Gesetzgebung zumal in bioethischen Fragen, die mit christlichen Grundsätzen oft nicht vereinbar ist.“

Die christliche Lehre taugt nicht als Grundlage, auf der sich jemand heute zur Gesetzgebung, zu bio- oder sonstigen ethischen Fragen sinnvoll äußern könnte.

Die christliche Lehre erfüllt nicht mal die Mindeststandards, die ein Moralsystem erfüllen muss, um als solches anerkannt werden zu können.

Die beliebig auslegbare biblisch-christliche Mythologie ist keine Grundlage, auf der man Fragen zur heutigen Gesetzgebung zumal in bioethischen Fragen beantworten könnte.

Warum Gläubige Spott und Häme ernten, ist in diesem Beitrag nachzulesen.

Grundprinzipien der menschlichen Würde

 

Der Bischof bezeichnete es als erstaunlich, wie man heutzutage mit eigentlich nicht verhandelbaren Grundprinzipien der menschlichen Würde verfahre, die den Vätern des Grundgesetzes noch plausibel gewesen seien.

Genau um diese Würde geht es: Menschen einen selbstbestimmten Tod in Würde zu ermöglichen. Die Kirche ist es, die genau dies verhindert.

Mit Verweis auf einen angeblichen Schöpfergott, dem man nicht in sein verpfuschtes Handwerk pfuschen dürfe. Und auf dessen Sohn, mit dem man gefälligst mitzuleiden habe bis zum bitteren Ende.

Schwer zu ertragen

Auch im innerkirchlichen Bereich machten sich Sorgen angesichts von Strukturänderungen und eines deutlichen Rückbaus breit – es sei eben schwer zu ertragen, dass alles reduziert und weniger werde.

Schwer zu ertragen empfinde ich es, über den Rückgang des Glaubens zu jammern, während der Milliardenkonzern Kirche hierzulande floriert wie nie. Das christliche Lobbynetzwerk läuft wie geschmiert. Und die Gelder sprudeln – trotz stetiger Dezimierung der Herde.

[…] „Der christliche Glaube, zumal der an die Auferstehung Jesu Christi, ist nicht das Ergebnis menschlicher Überlegungen und rationaler Beweisführung. Er ist Geschenk der Gnade, Frucht des Hl. Geistes“, zeigte sich Algermissen überzeugt.

Allein schon mit dieser Aussage belegt Herr Algermissen, dass er mit der irdischen natürlichen Wirklichkeit offenbar nicht allzu viel an der Mitra hat.

Denn natürlich sind auch seine geschenkten Geisterfrüchte das Ergebnis menschlicher Überlegungen. Oder genauer: Menschlicher Phantasie und Einbildung. Und beiden sind keine Grenzen gesetzt.

Versprachlichung der Verlebendigung

[…] „Dieser Glaube führt uns ja heute zum Festgottesdienst hier in unserem Hohen Dom zusammen, um die alles verändernde österliche Erfahrung in uns zu verlebendigen.“

Theologisch-nebulöse Formulierungen wie „verlebendigen“ sind immer ein Hinweis darauf, dass jemand wahrscheinlich nicht wirklich weiß, was er eigentlich konkret sagen möchte. Und der aber meint, trotzdem irgendwas Salbungsvolles sagen zu müssen.

Kein Wunder: Die „österliche Erfahrung“ ist nun mal nur eine Einbildung. So wie sich Anhänger anderer Götter eben einbilden, deren Gegenwart und Wirken zu „erfahren.“

Christliche Grundsätze?

Bewähren müsse sich dieser Glaube in einer Gesellschaft, die sich immer mehr von christlichen Grundsätzen entferne.

Dieser Glaube muss sich nicht bewähren. Er muss sich so den rechtlichen und gesellschaftlichen Grundsätze und Rahmenbedingungen anpassen und unterordnen, dass er von der Gesellschaft toleriert werden kann. Und da hat auch der christliche Glaube noch jede Menge Luft nach oben.

Einmal mehr sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass praktisch alle Grundsätze, die heute von Kirchenfunktionären, aber auch von Politikern immer wieder als „christliche“ Werte (alternativ als „christlich-abendländische“ oder neuerdings auch gerne als „jüdisch-christliche“ oder Werte) bezeichnet werden, in Wirklichkeit gegen den erbitterten Widerstand des Christentums erkämpft werden mussten.

Algermissens „Mächte des Todes“

Christen müssten sich in der Konsequenz der Osterbotschaft unbedingt dort massiv als Störenfriede einsetzen, wo die Mächte des Todes am Werk seien.

Die „Mächte des Todes“ dürfen natürlich auch in der Götterseidank letzten Osterverkündigung von Bischof Algermissen nicht fehlen.

Wer wird die Menschheit in Zukunft vor diesen ominösen Mächten warnen, wenn sich Herr Algermissen demnächst aufs gemütliche Altenteil zurückgezogen haben wird, um seinen Lebensabend als staatlich alimentierter Pensionär zu genießen!?

Wenn der Tod anklopft…

[…] Bewähren müsse sich der österliche Glaube laut dem Bischof auch in den Stunden persönlicher Grenzsituationen und schließlich am letzten großen Karfreitag des eigenen Lebens, wenn der Tod anklopfe.

Das können Christen ja gerne so handhaben. Die können sich dann in ihren letzten Stunden nochmal genau überlegen, ob es denn unterm Strich wohl tatsächlich für die versprochene ewige himmlische Herrlichkeit gereicht haben könnte. Oder eben nicht oder noch nicht ganz.

Aber was haben diese Vorstellungen mit der Lebenswirklichkeit von Glaubensfreien oder Andersgläubigen zu tun?

Jeder soll von seiner eigenen Auffassung überzeugt sein (dürfen)

Wenn alles menschliche Wissen und Können am Ende sei, dann dürften Christen mit dem Apostel Paulus bekennen: „Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende“ (Röm 14,7-9).

Ich fände es wünschenswert, dass Christen ebenfalls mit dem Apostel Paulus diesen Satz bekennen würden, der sich im selben Abschnitt kurz davor findet (Hervorhebung von mir):

  • Der eine nämlich bevorzugt bestimmte Tage, der andere aber macht keinen Unterschied zwischen den Tagen. Jeder soll von seiner eigenen Auffassung überzeugt sein. (Röm 14,5 EU)

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag über die aktive Sterbehilfe und Bischof Algermissens Ideen dazu.

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