Nicht wegfahren – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Urlaub, verkündigt von Stefanie Schardien, veröffentlicht am 3.8.2019 von ARD/daserste.de
Auch heute reicht im Grunde wieder eine kurze Zusammenfassung, um die Schardien-Plaudersendung auf den Punkt zu bringen:
Darum geht es
Manche Leute können es sich bedauerlicherweise nicht leisten, im Urlaub zu verreisen. Wobei die Zahl derer seit Jahren sinkt. Andere könnten es sich zwar leisten zu verreisen. Wollen aber nicht. Zum Beispiel, weil sie ihren ökologischen Fußabdruck möglichst klein halten möchten.
Fazit: Heute kann es genauso als Makel gelten, wenn jemand zu Urlaubszwecken verreist, wie wenn sich das jemand nicht leisten kann.
Und das wars auch schon. Fast.
Doch halt – irgendwie muss ja auch noch irgendwas mit Gott untergebracht werden! Schließlich gehört die Sendezeit ja der Kirche. Und nicht Frau Schardien.
Der Erzähler der Schöpfungsgeschichte stellt sich Gott vor, wie er nach sechs Tagen Arbeit ruht, gerade nicht die Koffer packt, sondern einfach mal genießt, was da vor ihm liegt. Füße hoch, ausruhen, staunen und freuen – und siehe, das war sehr gut. Durch meine Freunde und durch die Erzählung vom siebten Tag gewinne ich, was ich als Kind nicht haben konnte: einen neuen Blick auf die Ferien. (Quelle: Nicht wegfahren – Wort zum Sonntag zum Thema Urlaub, verkündigt von Stefanie Schardien, veröffentlicht am 3.8.2019 von ARD/daserste.de)
Vorweg: Für eine Formulierung wie „Der Erzähler der Schöpfungsgeschichte stellt sich Gott vor…“ wäre Frau Schardien noch vor gar nicht allzu langer Zeit der Blasphemie und Ketzerei bezichtigt worden. Und noch ein bisschen früher hätte ihr das Christentum für eine solche Formulierung eine Lebend-Feuerbestattung spendiert.
Und selbstverständlich gibt es auch heute noch religiöse Zeitgenossen, deren Glaubensgewissheit darauf beruht, dass Gott samt seiner angeblichen Eigenschaften eben kein menschliches Phantasieprodukt ist. Nicht sein kann. Was dann evangelische Prediger, die solches zunächst behaupten, schon mal zu grotesken sprachlichen Verrenkungen veranlasst.
Frau Schardien braucht vermutlich nicht zu befürchten, dass sich jemand so intensiv mit ihren Gedanken auseinander setzt, dass ihm oder ihr auffällt, dass die in der biblischen Mythologie beschriebene göttliche Einschätzung, es sei sehr gut gar nicht der Erholung gilt.
Es geht hier nicht um Ferien. Oder um Urlaub. Sondern um seine gerade fertiggestellte Schöpfung.
Schöpfung: Schlechter als „Mangelhaft“
Denn diese ist, zumindest nach Maßstäben von auf Erden lebenden Lebewesen, alles andere als „sehr gut.“
Der weitaus größte Teil des Planeten ist unbewohnbar. Zumindest für alle nicht im und auf dem Salzwasser beheimatete Lebewesen.
Aber auch an Land drohen dem Leben ständig mehr oder weniger lebensbedrohliche Gefahren.
Über 99% aller Spezies, die jemals existiert haben, sind schon wieder ausgestorben. Dass heute viele, wenngleich freilich längst nicht alle Gefahren (zumindest im Vergleich zu früheren Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden) mehr oder weniger gut beherrschbar sind, hat sich die Menschheit selbst erarbeitet.
Ein allmächtiger und allwissender Schöpfergott, der nicht in der Lage oder willens war, eine weniger leidvolle Welt als diese zu erschaffen, kann nicht als „allgütig“ bezeichnet werden. Und seine Schöpfung keinesfalls als „sehr gut“.
Jedenfalls nicht, wenn sich diese „Güte“ auf sein Verhältnis zu seiner angeblich auserwählten Trockennasenaffenart beziehen soll.
Flickschuster, Ignorant – oder Sadist
Wer nicht weiß (oder nicht wissen will), dass die irdische Wirklichkeit keinesfalls die Auszeichnung „sehr gut“ verdient hat, mag sich entweder mit offenen Augen und unvoreingenommen mit dem irdischen Leid natürlichen Ursprungs befassen.
Oder auch mit den zahllosen „schöpferischen“ „Mängeln.“ Die nur diesen Schluss zulassen: Wer auch immer so etwas zusammengeschöpft hat, muss ein stümperhafter Flickschuster gewesen sein muss. Oder ein Ignorant. Und/oder ein Sadist.
Alles Eigenschaften, die das Gegenteil von dem sind, was Allmacht, Allwissenheit und Allgüte bedeuten würden.
Und wer sich nicht von dem provokanten Titel abschrecken lässt, der findet in dem lesenswerten Buch „Gott ist ein Arschloch“ von Christian Kalwass eine hunderte Seiten lange Mängelliste. Samt ausführlicher Beschreibung dessen, was beim Schöpfen offenbar danebengegangen sein muss.
Auch die Sklaven sollen frei haben
Aber nochmal kurz zurück zum biblischen Eiertanz. Bei dem Frau Schardien versucht, das Thema Urlaub und Bibelgott unter einen Hut zu bekommen:
Der Ruhetag (ein mehrtägiger oder gar mehrwöchiger Urlaub bzw. Freizeit zur freien Verwendung war erst viel, viel später mühsam erkämpft worden) ist in der biblischen Mythologie gleich mehrfach Thema.
Neben der von Frau Schardien gewählten Stelle, in der der Ruhetag zur Erinnerung an die göttliche (obgleich für einen Allmächtigen auch kaum nachvollziehbare) Pause nach dem Schöpfungsakt dienen soll, findet sich auch noch diese biblische Begründung und Erklärung:
- Halte den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der HERR, dein Gott, geboten hat!
- Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun.
- Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du.
- Gedenke, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass dich der HERR, dein Gott, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat. Darum hat es dir der HERR, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen. (5. Mo 5, 12-15 LUT)
Ob jetzt zur Erinnerung an die göttliche Schöpfungspause oder an die Zeit der Versklavung – eines steht fest: Hauptgrund für die Arbeitsunterbrechung ist der göttliche Anspruch, an einem Tag in der Woche verehrt zu werden. Und die, die andere oder keine Götter verehen, sollen gefälligst ebenfalls die Arbeit niederlegen. Ihm zur Ehre.
Zwangspause: Bei Nichtbeachtung droht Steinigung
Dass es dabei nicht in erster Linie um den Menschen, sondern um den verehrungsbedürftigen Gott geht, zeigt auch die Beschreibung der Sanktion, die bei Nichtbeachtung droht:
Strafe für eine Sabbatschändung
- Als nun die Israeliten in der Wüste waren, fanden sie einen Mann, der Holz auflas am Sabbattag.
- Und die ihn dabei gefunden hatten, wie er Holz auflas, brachten ihn zu Mose und Aaron und vor die ganze Gemeinde.
- Und sie legten ihn gefangen, denn es war nicht klar bestimmt, was man mit ihm tun sollte.
- Der HERR aber sprach zu Mose: Der Mann soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen draußen vor dem Lager.
- Da führte die ganze Gemeinde ihn hinaus vor das Lager und steinigte ihn, sodass er starb, wie der HERR dem Mose geboten hatte.
(4. Mose 15, 32-36 LUT)
Der geschätzten Leserschaft ist es sicher nicht entgangen, dass es nicht etwa Mose ist, der hier die Steinigung für Stöckchensammeln am Sabbat anordnet. Sondern eben dieser Gott, den Frau Schardien verehrt und dessen Lehre sie verbreitet. Der allmächtige, allwissende, allgütige Schöpfer. Genau der, den sie für so bedeutsam hält, dass sie ihn in ihrer Sendung zum Thema Urlaub unterbringen muss.
Urlaub ohne Gott
Aber diese Stelle gehört, wie so viele andere, zu den Teilen der Bibel, die in den Verkündigungen der Mainstream-Kirchen praktisch gar nicht mehr existieren. Obwohl sie ja genauso Bestandteil des „Wort Gottes“ sind wie jene unverfänglichen Sätze und Halbsätze, mit denen moderne Religionsverkünder versuchen, der Bibel einen halbwegs menschlichen oder zumindest unverfänglichen Anstrich zu verpassen.
Nicht selten mit dem Ergebnis, dass nur noch völlig Belangloses übrig bleibt. Wie zum Beispiel im heutigen „Wort zum Sonntag.“ Wo die archaische biblische Mythologie aus der Bronzezeit irgendwie etwas mit Urlaub zu tun haben muss.
Dabei hätte man es Frau Schardien doch als Zeichen von wahrer Nächstenliebe anrechnen können, wenn sie ihr Publikum mal gewarnt hätte. Davor, dass ihr lieber Gott keinen Spaß versteht. Schon gar nicht, wenn jemand an seinem Feiertag Stöckchen im Wald sammelt.
Für das, was sie stattdessen zum Thema Urlaub erzählt hat, hätte es keinen Gottesbezug gebraucht.
Ausserdem: Reisen bildet. Das könnte dazu führen, dass man diese Ziegenhirtengeschichten nicht mehr ernst nimmt. Also, schön daheim bleiben und handyfasten.